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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Lindner kontert CDU-Chef "33 oder 31 Prozent für die CDU ändern gar nichts"
![urn:newsml:dpa.com:20090101:250206-911-014094 urn:newsml:dpa.com:20090101:250206-911-014094](https://images.t-online.de/2025/02/Wa55UxIB9UEe/0x53:762x429/fit-in/762x0/image.jpg)
CDU und FDP buhlen um eine ähnliche Wählerschaft. Nachdem Merz diese aufgerufen hat, ihre Stimme nicht an die Liberalen zu verschenken, kontert Lindner bei einem Auftritt in Dresden.
Christian Lindner ballt die Faust ums Mikrofon in seiner Hand. Entschlossen blickt er in die Menschenmenge, die vor ihm versammelt in der Dresdner Innenstadt steht, dann hebt er die Stimme: "Friedrich Merz", ruft er den rund 300 Interessierten zu, "Friedrich Merz flirtet wieder mit den Grünen! Gerade eben haben die ihn noch als Nazi beschimpft, jetzt findet er wieder freundliche Worte für sie."
Bei einer Reform der Schuldenbremse etwa zeige die Union nun doch wieder Gesprächsbereitschaft; auch bei möglichen Steuererhöhungen, wie sie Grüne und SPD wollen, lasse sich eine nicht mehr ganz so starke Ablehnung beobachten, so Lindner über die Konservativen. "Merken Sie was?", tönt Lindners Stimme aus den großen Lautsprechern. "Die Union ist schon dabei, Positionen langsam zu lockern!"
Bereits im Dezember habe Merz gesagt, er sei offen für Robert Habeck (Grüne) als Wirtschaftsminister in seinem Kabinett, obwohl dieser gerade nicht für den nötigen Politikwechsel stehe, den das Land brauche: "Sobald die FDP im Bundestag ist, gibt es rechnerisch keine Mehrheit mehr für Schwarz-Grün, dann gibt es keinen Robert Habeck im Kabinett Merz."
"Vier oder sechs Prozent für die FDP ändert die Republik"
Es ist ein eigentlich ganz gewöhnlicher Wahlkampfauftritt, den der FDP-Chef an diesem Donnerstagmittag absolviert. Etwas verspätet ist er in Dresden angekommen, viel los bei ihm, wie immer in diesen kalten Tagen des heißen Endspurts vor der Bundestagswahl in gut zwei Wochen.
Und doch ist an diesem Tag etwas anders als sonst: Am Morgen nämlich lief ein Zitat von CDU-Chef Friedrich Merz über die Ticker der Nachrichtenagenturen, das Lindner und seine Mitstreiter in der liberalen Parteizentrale alles andere als gefreut haben dürfte. "Vier Prozent sind vier Prozent zu viel für die FDP und vier Prozent zu wenig für die Union", hatte Merz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe mit Blick auf die aktuellen Umfragewerte der Liberalen gesagt. Mehr noch: Die Wähler sollten sich gut überlegen, ob sie der FDP ihre Stimme geben – schließlich sei offen, ob die es überhaupt in den Bundestag schaffe.
Lindner muss das geärgert haben, auch wenn er alles tut, um genau diesen Eindruck nicht zu erwecken. Sportlich will er das Gesagte nehmen, diesen Anschein zumindest macht er, indem er kein wirklich böses Wort über Merz und die Union verliert. Auf Nachfrage im Anschluss an den Bühnenauftritt fügt er lediglich hinzu: "33 oder 31 Prozent für die CDU ändert gar nichts, vier oder sechs Prozent für die FDP ändert die Republik. Schwarz-Grün ist dann ausgeschlossen und es gibt eine liberale Stimme im Parlament."
Es wäre gut, so Lindner, wenn einmal "keine linke Partei" in Regierungsverantwortung käme. Reiche es dafür aber nicht, wäre eine schwarz-rot-gelbe "Deutschland-Koalition" aus CDU/CSU, SPD und FDP immer noch besser als Schwarz-Rot allein. Eine Koalition mit den Grünen hatte Lindner zuletzt ausgeschlossen.
Wie die FDP tatsächlich wieder an die Regierung käme
Die einstige Ampelpartei FDP erneut in der Regierung, kann das wirklich klappen?
Fakt ist: Seit Wochen steht die FDP bei den von Merz angesprochenen vier Prozent, in den Umfragen geht’s nicht vor und nicht zurück. Würde heute gewählt und bewahrheiteten sich die Umfragen im Wahlergebnis, wären die Freidemokraten damit raus aus dem Bundestag, gescheitert an der Fünfprozenthürde. Allerdings sind Umfragen nur Umfragen, statistische Fehler und Abweichungen inklusive. Und: Vier Prozent sind auch nicht drei oder zwei, sondern so knapp unterhalb der magischen Hürde, dass bei der FDP viele zu Recht noch Hoffnungen hegen, dass es mit dem Einzug in den Bundestag doch klappt.
Und dann wäre tatsächlich, wie Lindner es sagt, alles offen: Je nachdem, wenn es parallel auch für einen Einzug der Linken oder des BSW reichen sollte, es womöglich sogar beide Parteien ins Parlament schafften, könnte sich die Sitzverteilung im Parlament schnell so gestalten, dass nur noch eine Dreierkoalition möglich wäre – auch weil alle Parteien der demokratischen Mitte ein Zusammenwirken mit der AfD ausgeschlossen haben.
Die Dresdner Studentin Elisabeth Sagi hat Lindners 45-minütiger Auftritt jedenfalls überzeugt. Beim gemeinsamen Selfie-Video danach sagt Lindner in ihre Handykamera: "Und darum wählen wir am 23. Februar ..." – "die FDP", ergänzt die junge Frau.
- Eigene Beobachtungen vor Ort