Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Streit um "Sicherheitsoffensive" Nach Empörung: Grüne Jugend kontert Habecks Vorstoß
Mit seiner "Sicherheitsoffensive" hat Robert Habeck Teile der Grünen verärgert. Die Grüne Jugend veröffentlicht nun einen Gegenplan.
Die Grüne Jugend hat im innerparteilichen Streit um die "Sicherheitsoffensive" von Kanzlerkandidat Robert Habeck einen eigenen Plan vorgelegt, der sich in zentralen Punkten von Habecks Vorschlägen unterscheidet. Statt "Sicherheitsoffensive für Deutschland" trägt er den Titel "Humanität durch Sozialstaat" – und enthält genau wie Habecks Plan zehn Punkte.
"Das Grundrecht auf Asyl ist nicht verhandelbar", betont die Grüne Jugend in der Einleitung des Papiers, das t-online vorliegt und über das zunächst die "Süddeutsche Zeitung" berichtete. "Der Schutz von Menschenleben muss oberste Priorität haben." So stehe es auch im Wahlprogramm der Grünen. "Die Beteiligung an rassistischen Debatten, der Rückbau von Infrastruktur und die pauschale Verurteilung Geflüchteter waren und bleiben Fehler."
Schon Titel und Einleitung des Papiers lassen sich damit als deutliche Abgrenzung zu Robert Habecks "Sicherheitsoffensive" lesen, ohne dass sie explizit erwähnt wird. Nachdem Habeck seinen 10-Punkte-Plan am Montag zunächst über die "Bild"-Zeitung lanciert hatte, war in Teilen der Partei Empörung ausgebrochen.
Grüne-Jugend-Chefin Jette Nietzard sagte t-online: "Die Einschränkung von Freiheitsrechten oder pauschale Vorverurteilungen von Bevölkerungsgruppen geben keine Sicherheit – im Gegenteil." Menschen würden durch den Sozialstaat geschützt. Integration gelinge mit ausreichend Kita-Plätzen, Wohnraum und Geld für Schulen. "Menschen, die hier leben, dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden."
"Was ist los mit Habeck?"
Habeck wird von einigen Grünen vorgeworfen, mit seinem 10-Punkte-Plan deutlich über das Wahlprogramm hinauszugehen. Der Plan sei ein Alleingang des Kanzlerkandidaten, heißt es, und der Zeitpunkt nach den großen Demonstrationen gegen den Rechtsruck der falsche. Habeck vermische zudem Migrations- mit Sicherheitspolitik.
Die Grüne Jugend Niedersachsen warf ihm auf Instagram deshalb vor, dass er sich "an rechten Narrativen orientiert", mit einer "menschenfeindlichen Abschiebepolitik". Eine Überschrift lautete: "Was ist los mit Habeck?" An anderer Stelle stand: "Wenn Habeck nach rechts geht, gehen wir nach links." Der Beitrag ist inzwischen gelöscht, die Landesspitze der Grünen distanzierte sich: "Wortwahl und Inhalt halten wir für inakzeptabel."
Habecks "Sicherheitsoffensive" enthält tatsächlich fünf Forderungen zur Sicherheitspolitik und fünf zur Migrationspolitik. Er fordert einerseits eine "Vollstreckungsoffensive für Haftbefehle", mehr Befugnisse und Ressourcen für Sicherheitsbehörden und eine Kooperationspflicht der Behörden zum besseren Informationsaustausch.
Andererseits schreibt er: "Nichtdeutsche Gefährder und Schwerkriminelle müssen konsequent abgeschoben werden." Asylsuchende sollen bei der Erstuntersuchung künftig auf psychische Krankheiten untersucht werden. Die EU-Asylreform GEAS solle "umgehend umgesetzt", Asylverfahren beschleunigt und mehr Migrationsabkommen zur "Chefsache" werden.
Mehr Geld für Kommunen, keine Abschiebungen von Straftäter
Die Grüne Jugend hingegen fordert in ihrem 10-Punkte-Plan neben mehr Geld für den Sozialstaat auch, Kommunen finanziell zu entlasten, um zum Beispiel Geflüchtete dezentral unterzubringen. Sie setzt sich zudem für sichere Fluchtrouten und Aufnahmeprogramme für Geflüchtete ein.
Um die "zunehmende Radikalisierung junger Männer, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft" zu bekämpfen, brauche es Prävention und spezielle Angebote. Die psychologische Unterstützung müsse in Deutschland für alle besser werden, Gewalt gegen Frauen und Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte müssten bekämpft werden.
Unter der Überschrift "Menschen schützen: in Deutschland und weltweit" wendet sich die Grüne Jugend inhaltlich am deutlichsten gegen Habecks Plan. Der Forderung, Gefährder und Schwerkriminelle abzuschieben, setzen sie entgegen: "Abschiebungen sind keine Bestrafung und dürfen nicht als solche eingesetzt werden."
In Kriegs- und Krisengebieten drohten Folter, Gewalt oder der Tod, deshalb stehe im Grünen-Wahlprogramm, dorthin nicht abzuschieben, schreibt die Grüne Jugend. "Menschen, die Straftaten begehen, müssen dafür geahndet werden und ihre Strafe hier verbüßen. Mit Diktaturen und Terrorregimen zu verhandeln und Menschen in anderen Ländern Gewalttätern und Willkür auszusetzen, kann keine Lösung sein."
- Eigene Recherchen
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- gruene.de: Wort statt Wortbruch. Zehn Punkte Plan für eine bessere Sicherheit.
- bild.de: Jetzt gehen Grüne auf Habeck los