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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Entwurf des FDP-Wahlprogramms Wer von den Steuerplänen der FDP profitiert
Viele Wahlkampfversprechen der Parteien sind schon bekannt. Nun kursiert auch ein Entwurf des Wahlprogramms der FDP. Was die Liberalen vorhaben.
Die FDP will, dass der Spitzensteuersatz künftig erst bei deutlich höheren Einkommen greift. Zudem schlagen die Liberalen eine Art Billigtarif für die Arbeitslosenversicherung sowie eine härtere Gangart beim Bürgergeld vor. In der Migrationspolitik plädiert die Partei dafür, dass künftig der Bund und nicht die Bundesländer für Abschiebungen zuständig sind. An der Schuldenbremse möchte die FDP – wenig überraschend – festhalten, außerdem verspricht sie einen umfassenden Abbau der Bürokratie, um die Wirtschaft zu beflügeln.
Das geht aus einem Entwurf des Parteiprogramms für die Bundestagswahl vor, der t-online vorliegt. Das 48 Seiten umfassende Papier ist am Dienstag Gegenstand der Parteivorstandssitzung, die noch Änderungen vornehmen kann. t-online fasst die wichtigsten Punkte des Programms mit dem Motto "Alles lässt sich ändern" zusammen.
Steuern
Der Spitzensteuersatz von aktuell 42 Prozent soll nach dem Willen der FDP künftig erst ab einem Einkommen von 96.600 Euro brutto im Jahr greifen statt wie derzeit ab rund 68.000 Euro. Damit liegen die Liberalen in ihrer Forderung noch einmal oberhalb dessen, was die Union in ihrem Wahlprogramm vorschlägt (80.000 Euro). Der Solidaritätszuschlag soll – wie es auch CDU und CSU fordern – auch für hohe Einkommen gestrichen werden.
Doch nicht nur höhere Einkommen würden von den Plänen der FDP profitieren, sondern auch niedrige: Die Liberalen wollen den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer um 1.000 Euro anheben. Damit eine schleichende Steuererhöhung durch inflationsbedingte Gehaltserhöhungen vermieden wird, soll der Einkommensteuertarif künftig zudem automatisch angepasst werden. Und: "Um zusätzliche Arbeitsanreize zu schaffen", wollen die Liberalen zudem die Zuschläge für Überstunden von der Lohnsteuer befreien.
Spürbar bei der Steuer entlastet werden soll auch die Wirtschaft. Im Entwurf des Wahlprogramms heißt es: "Wir fordern die Absenkung der Unternehmenssteuerbelastung auf unter 25 Prozent." In der Gastronomie soll die Umsatzsteuer auf 7 Prozent gesenkt werden, die Spekulationssteuer beim Verkauf von Immobilien, in denen man selbst lebt, soll entfallen.
Staat und Staatsfinanzen
Kaum überraschend: Die FDP hält an der Schuldenbremse fest, die in der Ampelkoalition zuletzt immer wieder Streit ausgelöst hatte. Zudem wollen die Liberalen Staatsbeteiligungen veräußern, "weil private Investoren die besseren Unternehmer sind".
Des Weiteren soll der Staat insgesamt "schlanker" werden. Wörtlich heißt es im Entwurf des Wahlprogramms: "In Deutschland reguliert der Staat mehr, als er verwalten kann. Er möchte Problemlöser für alles und jeden sein und wird dadurch selbst zum Problem." Darum schlägt die FDP vor, die Zahl der Bundesbeauftragten zu reduzieren; zudem soll in den Bundesministerien die Ebene der Unterabteilungsleiter komplett entfallen. Eine andere Idee ist derweil fast schon ein liberaler Evergreen: Das Entwicklungshilfeministerium soll als eigenständiges Ressort abgeschafft werden und mit dem Auswärtigen Amt "fusionieren".
Wirtschaft und Bürokratie
Neben den steuerlichen Entlastungen für Firmen setzt die FDP vor allem auf einen Abbau der Bürokratie, um nach zwei Rezessionsjahren wieder mehr Wirtschaftswachstum herbeizuführen. Kern dessen: "ein sofortiges dreijähriges Moratorium für Bürokratie". In dieser Zeit sollen keine neuen Regulierungen beschlossen werden dürfen, die zu neuen bürokratischen Belastungen für die Unternehmen führen würden.
Außerdem schlagen die Liberalen ein "bürokratiefreies Jahr" für Betriebe vor, in dem sie keine Berichtspflichten erfüllen müssen. Jährlich soll es zudem ein Gesetz geben, das für einen Abbau von Bürokratie sorgt, im Grundgesetz verankern wollen die Freien Demokraten außerdem eine "Bürokratiebremse". Und, so heißt es in dem Entwurf: "Wir wollen sicherstellen, den Erfüllungsaufwand für Betriebe im Saldo um mindestens sechs Milliarden Euro pro Legislaturperiode zu reduzieren."
Arbeit, Rente und Soziales
Die Anreize, zu arbeiten, sollen steigen, das Arbeitsrecht soll flexibler werden, sodass statt einer täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit gilt. Außerdem will die FDP das Streikrecht einschränken. Das Bürgergeld soll "grundlegend" reformiert werden. Wer sich nicht ausreichend um einen neuen Job bemüht, für den sollen die Sozialleistungen "Stück für Stück" reduziert werden. Auch für Sozialleistungsbezieher, die Angehörige pflegen, soll es künftig zumutbar sein, länger zu einer Arbeitsstelle zu pendeln.
Bei der Arbeitslosenversicherung plädieren die Liberalen für eine Art Billigtarif: Die Bürger sollen entscheiden können, weniger Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abzuführen – für die sie im Falle der Arbeitslosigkeit dann aber auch geringere staatliche Leistungen bekämen.
Damit mehr Menschen länger arbeiten, soll es bei einer Regierungsbeteiligung der FDP außerdem einen "wirklich flexiblen Renteneintritt" geben. Nach dem Vorbild Schwedens sollen die Bürger künftig selbst entscheiden, wann sie in den Ruhestand eintreten: "Je später jemand in Rente geht, desto höher die Rente", heißt es in dem Programmentwurf. Am bekannten Plan einer gesetzlichen Aktienrente, bei dem ein Teil der Rentenbeiträge gewinnträchtig am Kapitalmarkt investiert wird, um so die Rentenkasse aufzufüllen, hält die FDP weiter fest.
Migration
In Bezug auf Flüchtlinge und Migration setzt die FDP auf eine Politik, "die mehr steuert und ordnet". Ziel müsse eine "Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die sozialen Sicherungssysteme" sein.
Konkret schlägt die Partei vor, den Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutzbedürfnis auszusetzen, um so den Anreiz, nach Deutschland zu kommen, zu verringern. Um Abschiebungen zu erleichtern, soll dafür künftig der Bund zuständig sein und nicht mehr die Bundesländer. Für eine bessere Integration von Flüchtlingen vor Ort wollen die Liberalen zudem stärker mit Wohnsitzauflagen arbeiten.
Klima und Energie
Um Energie in Deutschland bezahlbarer zu machen, soll die Stromsteuer "auf das EU-Mindestmaß" gesenkt werden. Subventionen für erneuerbare Energien wollen die Freien Demokraten gänzlich stoppen. Energiekonzerne sollen wieder auf Kernkraft setzen dürfen.
Nicht mehr ganz neu ist die Forderung, die unlängst schon FDP-Chef Christian Lindner erhoben hatte: Deutschland soll nicht bereits 2045, sondern erst 2050 klimaneutral werden, der Zeitpunkt, den sich auch die EU insgesamt als Ziel gesetzt hat. Die Idee eines Klimageldes, das die Ampel wider eigentlichen Wunsch nicht mehr umgesetzt hat, greifen die Liberalen unter dem Schlagwort "Klimadividende" auf: Einnahmen aus dem Emissionshandel sollen so "pauschal pro Kopf" an die Bürger ausgeschüttet werden.
Bildung und Familie
Die Freien Demokraten sprechen sich für eine Legalisierung der Eizellspende sowie für eine "bessere finanzielle Förderung" von Kinderwunschbehandlungen aus – "unabhängig von Familienstand und sexueller Orientierung". Ebenfalls möglich sein soll künftig die nicht-kommerzielle Leihmutterschaft. Scheidungen wollen die Liberalen beschleunigen und sie dafür auch per gerichtlicher Videokonferenz erlauben.
Um für eine bessere Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen zu sorgen, soll es künftig ein einheitliches "Deutschland-Abitur" geben, das in allen Bundesländern gleich ist. Damit Kinder schon in jungen Jahren gut gefördert werden, soll außerdem die frühkindliche Bildung in Kitas verbessert werden.
Verteidigung und Außenpolitik
Die FDP steht zu ihrer umfänglichen Ukraine-Unterstützung und will deshalb mehr in die Verteidigungsfähigkeit investieren. Nicht neu ist die Forderung, den Marschflugkörper Taurus an die Ukraine zu liefern. Außerdem sind die Liberalen dafür, dass die Ukraine "perspektivisch" sowohl der EU als auch der Nato beitreten soll.
Deutschland selbst soll mindestens zwei Prozent für die Verteidigung ausgeben und damit das Nato-Ziel erfüllen. Ziel der FDP ist es laut Entwurf: Die Bundeswehr solle "zur stärksten konventionellen Streitkraft in Europa" werden, wobei die Liberalen eine Wiedereinsetzung der allgemeinen Wehrpflicht dafür ablehnen.
In der Außenpolitik spricht sich die Partei in dem Programmentwurf dafür aus, im Umgang mit Putin "mehr Selbstbewusstsein" an den Tag zu legen. Die FDP bekennt sich ferner klar zum Existenzrecht Israels als "deutsche Staatsräson": Um das Land bestmöglich zu unterstützen, müsse Israel bei Rüstungsexporten den verbündeten Nato-Staaten gleichgestellt werden.
Die Entwicklungshilfe soll derweil neu ausgerichtet werden und sich an Deutschlands wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen orientieren. Außerdem plädiert die FDP für noch mehr Freihandelsabkommen, die die EU abschließen soll.
- Entwurf des FDP-Wahlprogramms