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Beileids-Bekundungen für einen Menschenschlächter: Totalausfall der EU


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Beileid für einen Schlächter
Ein Totalausfall der EU

  • Bastian Brauns
MeinungVon Bastian Brauns

21.05.2024Lesedauer: 5 Min.
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Nach Tod von Raisi: Unterstützer betrauern den verunglückten Präsidenten. (Quelle: reuters)
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Im Umgang mit dem tödlich verunglückten iranischen Präsidenten Raisi unterlaufen der EU schwere kommunikative Fehler. So nimmt die Europäer keiner ernst.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Ist jemand in Lebensgefahr, dann hilft man. Und zwar unverzüglich und bedingungslos. Das gebietet die Menschlichkeit. Diese Regel klingt einfach. Aber was, wenn der Verunglückte ein Menschenschlächter ist, so wie Ebrahim Raisi, Irans Präsident, der am Wochenende beim Absturz eines Regierungshelikopters tödlich verunglückte?

Dieser Mann war nicht nur mitverantwortlich für Massenhinrichtungen im Iran, für die gewaltsame Niederschlagung der friedlichen Proteste für Frauenrechte. Mehr als 200 Demonstranten wurden dabei getötet. Seine Regierung liefert auch Kampfdrohnen für Putins Vernichtungskrieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung und unterstützt zahlreiche islamistische Gruppen, wie die Hamas im Gazastreifen, deren Terroristen jüdische Frauen, Kinder und Männer abgeschlachtet haben.

Ausgerechnet die Europäische Union, die sich gern auf ihre Werte beruft, leistet sich im Zusammenhang mit dem Tod von Ebrahim Raisi unentschuldbare Entgleisungen. Die Vorfälle zeigen, wie wenig glaubwürdig Europa außenpolitisch ist.

"Solidarität" für einen Menschenschlächter

Während die Suchaktion nach dem iranischen Präsidenten am Wochenende noch im Gange war, feierte zum Beispiel der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarčič, auf der Onlineplattform X die "EU-Solidarität" mit dem Regime in Teheran. Der Slowene verkündete, dass seine Behörde das EU-Satellitensystem Copernicus auf Irans Bitten hin aktiviert habe, um die mutmaßliche Unglücksstelle des iranischen Präsidenten zu orten.

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Später verteidigte er seine Worte noch damit, es sei "kein Akt der politischen Unterstützung irgendeines Regimes oder Establishments" gewesen, dass Satellitenkarten auf Anfrage bereitgestellt wurden, um die Such- und Rettungsaktion zu erleichtern. Dies sei einfach "ein Ausdruck grundlegendster Menschlichkeit", so Lenarčič. Das wirkte nicht einsichtig, sondern störrisch. Beunruhigend daran: Janez Lenarčič scheint überhaupt nicht verstanden zu haben, was das Problem an seinem Beitrag war.

Es lässt sich darüber streiten, ob man einem Mann wie Raisi wirklich zur Hilfe kommen soll. Man kann dabei zu der Ansicht kommen, dass es richtig ist, auch hier pragmatische Hilfe zu leisten. Dass der Kommissar im Namen der Europäischen Union aber von "EU-Solidarität" schreibt, ist ein indiskutabler Fehltritt. Im besten Fall war es ein gedankenlos hingeschriebenes, leeres Schlagwort, im schlimmsten Fall eine fragwürdige Haltung.

In jedem Fall aber ist das ist ein Schlag ins Gesicht der mutigen Menschen im Iran, die ihr Leben riskieren, um gegen Männer wie Ebrahim Raisi aufzustehen. Es ist eine Verhöhnung der Opfer des iranischen Regimes in der Ukraine und im Nahen Osten. Es ist zudem die dreiste Anmaßung eines höchsten politischen Beamten, auf diese Weise für knapp 450 Millionen EU-Bürger zu sprechen.

Beileid von höchster Stelle in der EU

Doch damit nicht genug: Der Hohe Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der Spanier Josep Borrell, schrieb nach der Bekanntgabe von Raisis Tod: "Die Europäische Union spricht dem Präsidenten der Islamischen Republik Iran, Ebrahim Raisi, Außenminister Hussein Amir Abdollahian und weiteren iranischen Amtsträgern, die in den tragischen Hubschrauberabsturz am Sonntag verwickelt waren, ihr Beileid aus."

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Dann bekundete auch noch der EU-Ratschef Charles Michel sein Beileid im Namen der EU. "Die EU drückt ihr aufrichtiges Beileid zum Tod von Präsident Raisi und Außenminister Abdollahian sowie anderer Mitglieder ihrer Delegation und der Besatzung bei einem Hubschrauberunfall aus", schrieb Michel auf X.

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Beileidsbekunden für ein unmenschliches Regime von einem der höchsten Vertreter der Europäischen Union? Man könnte argumentieren, dass der Anstand so etwas gebietet. Das Statement von Borrell klingt nach tiefer Trauer. Man kann als Diplomat den Tod eines Diktators nicht bejubeln, wie es etwa viele mutige Menschen im Iran mit Feuerwerkskörpern getan haben. Aber es gibt deutlich elegantere Möglichkeiten, solche Todesfälle angemessen zu kommentieren, als Josep Borrell, Charles Michel und Janez Lenarčič es getan haben. Wie das geht, zeigen zum Beispiel die USA.

Dünne Presseerklärungen der Amerikaner

Zwar übersandten auch die Amerikaner ihr Beileid angesichts des Todes von Raisi. Der Überbringer war aber nicht etwa, wie in der EU, der US-Außenminister persönlich, sondern lediglich der Sprecher des State Departments. In der Außenwirkung macht das einen entscheidenden Unterschied. Die Erklärung der Amerikaner liest sich dann auch eher wie eine diplomatische Pflichtübung, verbunden mit einer Erwartungshaltung.

"Die Vereinigten Staaten drücken ihr offizielles Beileid zum Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, des Außenministers Amirabdollahian und anderer Mitglieder ihrer Delegation bei einem Hubschrauberabsturz im Nordwesten Irans aus", ist darin zu lesen. Und sie wird mit dem wichtigen Satz ergänzt: "Während Iran einen neuen Präsidenten wählt, bekräftigen wir unsere Unterstützung für das iranische Volk und seinen Kampf für Menschenrechte und Grundfreiheiten."

Auch bei der Suchaktion nach Raisi hatten sich die Amerikaner zuvor geschickter angestellt. Die USA hätten nämlich wie die EU eine Anfrage zur Unterstützung aus dem Iran erhalten, teilte der Außenministeriumssprecher bei einem Briefing in Washington mit: "Wir haben gesagt, dass wir bereit wären zu helfen – etwas, das wir gegenüber jeder Regierung in dieser Situation tun würden." Letztendlich habe man diese Hilfe dann aber "vor allem aus logistischen Gründen nicht leisten" können, so der Sprecher.

Das Nato-Militärbündnis reagierte ähnlich wie die USA. Lediglich eine Sprecherin verkündete ein "Beileid an die Bevölkerung von Iran zum Tod von Präsident Raisi, Außenminister Amirabdollahian und den anderen Personen, die bei dem Hubschrauberabsturz ums Leben kamen." Das ist zwar keine Randnotiz, aber es ist auch nicht der Generalsekretär Jens Stoltenberg, der hier kondoliert.

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Außenpolitisch nicht reif für das 21. Jahrhundert

Im westlichen Bündnis ist es nur die Europäische Union, die Politiker der ersten Reihe ihr Beileid bekunden lässt für Männer, die für die schlimmsten Verbrechen dieser Zeit verantwortlich sind. Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen blieb angesichts der Ausfälle ihres Stellvertreters Josep Borrell und ihres Katastrophen-Kommissars stumm. Kurz vor den Europawahlen im Juni ist das ein diplomatisches Armutszeugnis für die EU.

Angesichts solcher Äußerungen müssen sich die Europäer nicht wundern, wenn sie außenpolitisch nicht ernst genommen werden. Legendär ist der Ausspruch der ehemaligen US-Staatssekretärin Victoria Nuland, die auf dem Höhepunkt der Krimkrise 2014 bei einem heimlich aufgezeichneten Telefonat die Rolle der Europäer mit den Worten kommentierte: "Fuck the EU". Dieser Skandal empörte damals viele. Dabei hatten Nulands drastische Worte einen nachvollziehbaren Hintergrund. Europa war und ist nicht bereit, in der Außenpolitik strategisch nachhaltig aufzutreten. Wer 2024 noch immer nicht verstanden hat, wie man mit Teheran umgehen muss, wird es auch 2025 noch nicht verstehen.

Ob die Europäische Union es zeitnah schaffen wird, eine klare, gemeinsame außenpolitische Haltung zu finden, kann man also berechtigterweise anzweifeln. Aber wenn das schon nicht gelingt, sollte die EU wenigstens in der Lage sein, Regeln für den Umgang mit dem Tod von Menschenschlächtern zu finden. Dann blieben uns Peinlichkeiten wie von Borrell, Michel und Lenarčič vielleicht beim nächsten Mal erspart.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche und Beobachtungen
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