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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bidsina Iwanischwili Dieser Milliardär will Georgien nach Putins Vorbild umbauen
In Georgien demonstrieren seit Wochen Zehntausende gegen ein Gesetzesvorhaben der Regierung. Dahinter steht vor allem ein Mann mit engen Beziehungen nach Russland.
Wasserwerfer und Tränengas: In Georgien kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei. Was die Menschen dabei seit Wochen in Aufruhr versetzt, ist ein Gesetzesvorhaben der Regierung, die damit angeblichen ausländischen Einfluss auf die Zivilgesellschaft unterbinden will.
Hinter dem Gesetz steht die Regierungspartei Georgischer Traum. Angeführt wird diese zwar durch den Parteivorsitzenden Irakli Gharibaschwili, doch der Parteigründer und Milliardär Bidsina Iwanischwili genießt weiterhin großes Ansehen und übt erheblichen Einfluss aus.
Er trommelt aktiv für das Gesetz, das als "russischer Exportschlager" gilt, und bringt mit seiner Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin die EU-Beitrittspläne Georgiens ins Wanken.
Weitere Länder folgen russischem Vorbild
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Nichtregierungsorganisationen ausländische Geldquellen offenlegen müssen. Die Regierung will nach eigenen Angaben auf diese Weise für mehr Transparenz sorgen und ausländische Einflussnahme stärker kontrollieren. Viele Projekte zur Demokratieförderung in Georgien werden vom Westen finanziert, darunter mit Geld aus der EU und den USA.
Die EU und viele ihrer Mitgliedsstaaten haben das geplante Gesetz über sogenannte Auslandsagenten scharf kritisiert. Kritiker befürchten, dass dieses Gesetz nach russischem Vorbild missbraucht werden soll, um Geldflüsse zu stoppen und pro-westliche Kräfte zu verfolgen.
Die Sorge wird davon unterfüttert, dass es bereits andere Länder gibt, die ein solches Gesetz implementiert haben. Mitte April verabschiedete etwa Kirgisistan ein ähnliches Gesetz zu "ausländischen Vertretern". Fast wortgleich folgt der Gesetzestext dem russischen Vorbild, dem sogenannten "Agentengesetz". Dieses Gesetz wurde auch zunächst gegen NGOs eingesetzt und später auf kremlkritische Medien und schließlich auf Einzelpersonen ausgeweitet – ein universelles Repressionsinstrument.
Dass die EU solchen Regelungen kritisch gegenübersteht, zeigt das Beispiel von Ungarn. Dort wurde erstmals 2017 ein Gesetz gegen aus dem Ausland mitfinanzierte NGOs erlassen und musste nach einer Warnung aus Brüssel zurückgezogen werden. Im Dezember 2023 verabschiedete die rechtspopulistische Regierung unter Regierungschef Viktor Orbán allerdings erneut ein Gesetz zur "Verteidigung der nationalen Souveränität".
Mit Rohstoffgeschäften reich geworden
Doch all das scheint Iwanischwili nicht zu stören. Mehr noch, er befeuert das Misstrauen gegenüber dem Westen. Bei einem Auftritt vor Pro-Regierungs-Demonstranten äußerte er den Vorwurf, dass die Finanzierung von NGOs in Realität nur ausländischen Geheimdiensten diene.
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Iwanischwili hat in den 1980er-Jahren in Moskau studiert. Gemeinsam mit einem Bekannten gründete er in der Folge ein Importunternehmen für Computer, Videorekorder und Telefone. Mit den Gewinnen aus dem Unternehmen gründete er 1990 die Rossiski Kreditbank und widmete sich später dem Rohstoffgeschäft. Er erzielte enorme Gewinne und erhielt die russische Staatsbürgerschaft.
Erst 2003 kehrte Iwanischwili nach Georgien zurück. Dort lebt er unter anderem in einer Villa in der Hauptstadt Tiflis, die auf einen Wert von 50 Millionen US-Dollar geschätzt wird. 2006 erwarb er das bekannte Gemälde von Pablo Picasso "Dora Maar au Chat" für 95 Millionen US-Dollar.
Opposition: "Politische Manipulationen"
Aus der Opposition gibt es harsche Kritik an ihm. Levan Khabeishwili, Vorsitzender der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung, wirft ihm "politische Manipulationen" vor. "Wir müssen uns daran erinnern, dass die heutige Regierung nicht den Menschen dient, sondern darauf aus ist, Bidzina Iwanischwili reicher zu machen und sich selbst zu bereichern", so Khabeishwili weiter.
Iwanschwili unterstützte nach der Rosenrevolution 2003 heimlich finanziell die Reformen des damaligen Präsidenten Micheil Saakaschwili. 2012 gründete er dann seine eigene Partei Georgischer Traum und wurde Premierminister, trat aber bereits im Folgejahr zurück. Der aktuelle Parteivorsitzende Gharibaschwili übernahm. In den vergangenen Jahren hatte er sich aus der tagesaktuellen Politik zurückgezogen, kehrte aber Anfang des Jahres auf die politische Bühne zurück.
Im Gepäck: anti-westliche Rhetorik und einen Fokus auf einen Wahlerfolg bei den anstehenden Parlamentswahlen im Herbst. Obwohl viele junge Georgier auf den EU-Beitritt hoffen und derzeit auf die Straße gehen, sieht es so aus, als würde der Georgische Traum – auch mangels Alternativen – nicht an Macht verlieren. Die Einschränkung von ausländischen NGOs könnte ihr Übriges dazu beisteuern.
- Eigene Recherche
- welt.de: "Wie Putins 'Agentengesetz' zum Exportschlager wurde"
- nzz.ch: "Ein neuer Ministerpräsident verstärkt die Widersprüche in Georgien"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa