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China-Spionage | Geheimdienstexperte: "Die AfD ist ein Sicherheitsrisiko"


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Bedrohung aus China
"Dann helfen auch keine Ausreden mehr"

InterviewVon Patrick Diekmann

Aktualisiert am 24.04.2024Lesedauer: 5 Min.
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Spionage aus China (Symbolbild): Die AfD sieht sich mit neuen Vorwürfen konfrontiert. (Quelle: vchal/getty-images-bilder)
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Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah soll für China spioniert haben. Wie operieren chinesische Geheimdienste in Deutschland? Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom ordnet ein.

Es war fast schon eine Festnahme mit Ansage. Schon lange wurde über die möglichen Verbindungen von Jian G. nach China berichtet, nun gehen die Behörden gegen den Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl Maximilian Krah vor. Mehr dazu lesen Sie hier. Es ist kein Einzelfall: Immer wieder gab es in Deutschland in den vergangenen Monaten Festnahmen von mutmaßlichen Spionen aus China und Russland.

Doch was steckt dahinter? Tobt aktuell in der Bundesrepublik ein Spionagekrieg?

Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom erklärt im Interview, auf welche Informationen es China in Deutschland abgesehen hat und warum ausländische Dienste in AfD-nahen Kreisen rekrutieren.

t-online: Herr Schmidt-Eenboom, die Behörden gehen nun gegen Jian G. vor, den persönlichen Assistenten des AfD-Politikers Maximilian Krah. Hat Sie die Verhaftung überrascht?

Erich Schmidt-Eenboom: Sie hat mich nicht überrascht.

Warum?

China ist auf dem Weg, führende Weltmacht zu werden, und das wird natürlich durch nachrichtendienstliche Aktivitäten flankiert. Einerseits nutzt die Volksrepublik dafür den Auslandsnachrichtendienst des Ministeriums für Staatssicherheit, andererseits den Militärnachrichtendienst, der insbesondere einen Schwerpunkt auf die Industriespionage setzt. Damit haben die Chinesen auch schon vor 20 Jahren angefangen, erst später kamen dann die politische Spionage und die Rüstungsspionage im Zuge der Modernisierung der eigenen Streitkräfte hinzu.

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(Quelle: Eventpress Stauffenberg via www.imago-images.de/imago-images-bilder)

Zur Person

Erich Schmidt-Eenboom ist ein Friedensforscher mit dem Schwerpunkt Nachrichtendienste. Er ist Vorsitzender des Forschungsinstituts für Friedenspolitik und hat zahlreiche Bücher über Spionage, Geheimdienste und Sicherheitspolitik verfasst.

Im Fall Jian G. geht es nun wahrscheinlich um politische Spionage?

Es gab zwei Schwerpunkte: Durch politische Spionage sollten offenbar die Entscheidungsprozesse im außenwirtschaftlichen Bereich in Deutschland und der Europäischen Union ausgespäht werden. Darüber hinaus soll ein zweiter Auftrag gewesen sein, die chinesische Exilgemeinde in der Bundesrepublik auszuspionieren und unter Druck zu setzen.

Welche Exilgemeinde meinen Sie?

Dabei ging es den Chinesen zum Beispiel um den Weltkongress der Uiguren in München, wobei das chinesische Generalkonsulat in der bayerischen Landeshauptstadt als Spionagestützpunkt dient. Außerdem spähen sie Mitglieder der Falun-Gong-Sekte und Chinesen aus Tibet aus, die Anhänger des Dalai Lama.

Wie gehen chinesische Geheimdienste in Deutschland vor? Wie geht China vor?

Wir kennen die Vorgänge aus den USA, wo chinesische Dienste in den "Chinatowns" der großen Städte immer wieder Agenten rekrutieren. Das geht natürlich in dem Umfang in Deutschland nicht. Aber das bisherige Muster hat gezeigt, dass sie auch in der Bundesrepublik auf Exilchinesen setzen.

In den vergangenen Jahrzehnten sprachen wir hauptsächlich über chinesische Wirtschaftsspionage. Welche Ziele verfolgt China mit der Aufklärung im Rüstungsbereich?

Die chinesischen Streitkräfte befinden sich in einem Prozess der nachhaltigen Modernisierung. Die Militärausgaben werden immer weiter hochgefahren, insbesondere im Marinesektor. Im Zuge dessen versucht China, westliche Technologie an Land zu ziehen – etwa Schiffsmotoren oder Speziallaser, die dafür genutzt werden können, Schrauben oder entsprechende Bauteile von Schiffen zuzuschneiden.

Nun arbeitet Deutschland in wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Bereichen auch eng mit China zusammen. Sehen Sie darin ein Dilemma?

Ja, das ist offensichtlich ein Problem. Weil die chinesische Seite immer wieder versucht, akademische Kooperationen für nachrichtendienstliche Aktivitäten auszunutzen. Deutsche Universitäten müssen deshalb bei der Weitergabe von Forschungsergebnissen und bei jeder Kooperation auf jedem Technologiesektor sehr vorsichtig sein.

Vorsicht ist ein gutes Stichwort. In der englischen Presse gab es schon vor einem Jahr Berichte über mögliche Verbindungen zwischen China und Jian G.. Warum greifen die Behörden erst jetzt durch?

Der Verfassungsschutz musste natürlich erst einmal Beweise sammeln, bevor er den Generalbundesanwalt einschalten konnte. Ich gehe davon aus, dass man Jian G. schon sehr lange auf dem Schirm hatte. Doch bis genug Beweise zusammengetragen wurden, die man vor Gericht verwerten kann, dauert es immer eine Weile.

Besonders die AfD steht aktuell besonders im Fokus. Neben Krah sieht sich auch der außenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Petr Bystron, mit dem Vorwurf konfrontiert, von Russland Geld bekommen zu haben. Hat die Partei ein Spionageproblem?

Die AfD hat eindeutig ein großes Problem. Wenn russische Nachrichtendienste nach neuen Rekruten in Deutschland schauen, ist eine Nähe zur AfD oder eine AfD-Mitgliedschaft ein entscheidendes Kriterium: wegen der kremlfreundlichen Positionen der Partei. Insofern ist die gesamte AfD ein Sicherheitsrisiko – vor allem, was Russland betrifft.

Verbindungen der AfD nach China hatte man diesbezüglich als Beobachter gar nicht so auf dem Zettel.

Genau. Jetzt kommt auch noch die Affinität zu China hinzu. Man muss der AfD vorwerfen, dass sie sich in ihrer Außenpolitik vor allem auf potenzielle Feindstaaten der Bundesrepublik konzentriert. Damit ist sie ein Sicherheitsrisiko für Deutschland.

Die AfD-Parteiführung will damit allerdings wenig zu tun haben. Sie spricht von Einzelfällen und will abwarten, bis die Vorwürfe bewiesen sind. Was steckt dahinter?

Das ist die übliche Verzögerungstaktik der AfD. Aber ich gehe davon aus, dass die weiteren Ermittlungen der AfD zeigen werden, wie verwundbar sie im Bereich der Spionage ist. Dann helfen auch keine Ausreden mehr.

Könnte es problematisch werden, wenn AfD-Bundestagsabgeordnete etwa in Ausschüssen sensible Informationen erhalten?

Das ist ein deutsches Dilemma. Man muss sehr genau gucken, welche Kommunikation AfD-Abgeordnete haben, wenn sie etwa zur Wahlbeobachtung nach Russland reisen. Das ist ein äußerst kritischer Punkt, weil solche Reisen natürlich immer für nachrichtendienstliche Rekrutierungen genutzt werden kann.

Die Festnahme von Jian G. ist aktuell kein Einzelfall. Erst gestern wurden drei mutmaßliche chinesische Spione in Bayern festgesetzt. Zuvor gab es ähnliche Vorfälle in Polen. Ist das Zufall oder erleben wir aktuelle eine Art Spionagekrieg?

Es ist auf jeden Fall eine erste Welle von Erfolgen des Verfassungsschutzes. Wir erleben, dass Deutschland versucht, seine Kapazitäten in der Spionageabwehr auszubauen. Das Problem dabei: Allein beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln gibt es 800 unbesetzte Planstellen. Die Nachrichtendienste tun sich ungemein schwer, Personal zu rekrutieren. Hinzu kommt, dass im Bereich der Spionageabwehr eine sehr lange Ausbildungszeit erforderlich ist. Ich bin mir sicher: Die aktuellen Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt noch eine Vielzahl unerkannter nachrichtendienstlicher Aktivitäten in der Bundesrepublik – insbesondere von Russland und China.

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In unseren Gesprächen mit ausländischen Geheimdiensten wurde oft kritisiert, dass Deutschland von ausländischen Spionen durchsetzt sei. Haben die deutschen Sicherheitsdienste ihre Maßnahmen nun verschärft?

Das ist ein ausgesprochen unbeliebtes Thema für den Bundesnachrichtendienst (BND). Der BND ist im Jahr 2017 wieder in den Bereich der Gegenspionage eingestiegen.

Das bedeutet?

Gegenspionage ist der Versuch, in gegnerischen Nachrichtendiensten Agenten zu rekrutieren. Aber die USA gehen davon aus, dass die Hälfte der mutmaßlichen Überläufer absichtlich von russischen Nachrichtendiensten geschickt wird, um Desinformation zu verbreiten. Wenn man bei der Gegenspionage einen russischen Geheimdienstler als Agenten hat, besteht also immer die Gefahr, dass es sich um einen Doppelagenten handelt.

Wo sehen Sie Bereiche, in den Deutschland durch Spionageattacken besonders angreifbar ist?

Besonders angreifbar ist natürlich die deutsche Industrie. Die versucht sich zwar etwa vor Cyberattacken oder vor elektronischer Aufklärung zu schützen, aber das ist ein Schwerpunkt der russischen und chinesischen Spionage. Deswegen wird es wahrscheinlich immer wieder möglich sein, entweder durch elektronische Mittel oder durch Agenteneinsatz, deutsche Technologie abzugreifen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schmidt-Eenboom.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Erich Schmidt-Eenboom
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