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Waffenlieferung für Ukraine: Deutschland überschreitet laut Russland "rote Linie"


Debatte um Waffenlieferungen
Scholz zurückhaltend – Russland sieht aber "rote Linie" überschritten

Von dpa
Aktualisiert am 12.09.2022Lesedauer: 5 Min.
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SPD-Kanzler Scholz vor einem Gepard-Panzer (Archiv): In der Koalition dringen vor allem Grüne und FDP auf die Lieferung schwerer Waffen. (Quelle: POOL)
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Die Ukraine verzeichnet wichtige Geländegewinne, womit der Druck für mehr Waffen aus Deutschland steigt. Russland allerdings spricht eine Drohung aus.

Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, hat schwere Vorwürfe gegen Deutschland wegen der Waffenlieferungen zur Verteidigung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg erhoben. "Allein die Lieferung tödlicher Waffen an das ukrainische Regime, die nicht nur gegen russische Soldaten, sondern auch gegen die Zivilbevölkerung im Donbass eingesetzt werden, ist eine "rote Linie", die die deutsche Regierung (...) nicht hätte überschreiten dürfen", sagte Netschajew in einem am Montag erschienenen Interview der russischen Tageszeitung "Iswestija". Er verwies dabei auf die "moralische und historische Verantwortung Deutschlands für die Verbrechen des Nazismus im Zweiten Weltkrieg".

Die deutsche Regierung habe im Zuge der Ukraine-Krise die guten bilateralen Beziehungen zu Russland zerstört und höhle den Versöhnungsprozess zwischen den Völkern aus. Laut Netschajew ist Deutschland eine der treibenden Kräfte bei der Sanktionspolitik des Westens gegen Russland. Der Botschafter sprach deswegen Berlin eine Vermittlerrolle in dem Konflikt ab.

FDP und Grüne machen Druck

Unterdessen lassen die Erfolge der Ukraine beim Zurückschlagen der russischen Invasionstruppen in Deutschland den Ruf nach mehr Waffen für das angegriffene Land wieder lauter werden. In der Koalition dringen vor allem Grüne und FDP auf die Lieferung schwerer Waffen.

"Alle in der Regierung wissen indes, dass noch mehr möglich wäre", sagte Grünen-Chef Omid Nouripour der "Augsburger Allgemeinen" (Montag). "Da sollte nicht nur im Ringtausch, sondern wo möglich auch direkt aus den Beständen von Bundeswehr und Industrie geliefert werden."

Beim Ringtausch rüstet Deutschland osteuropäische Nato-Partner mit Leopard-Kampfpanzern und Schützenpanzern Marder aus, die dafür ältere Panzer sowjetischer Bauart an die Ukraine abgeben. Der FDP-Verteidigungsexperte Marcus Faber forderte die direkte Lieferung von Marder-Schützenpanzern.

Strack-Zimmermann: "Sollte sofort passieren"

"Mit unseren Panzern würde die Befreiung schneller vorankommen, und weniger Ukrainer müssten sterben", sagte er der "Bild"-Zeitung (Montag). Der Finanzminister, FDP-Chef Christian Lindner, sagte "Bild" angesichts des Etappensiegs der Ukraine: "Wir müssen jeden Tag prüfen, ob wir noch mehr tun können, um ihr in diesem Krieg beizustehen."

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Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hat die Lieferung von deutschen Kampfpanzern gefordert. Deutschland müsse die Erfolge der Ukraine bei ihrer Gegenoffensive mit dem Schützenpanzer Marder und auch mit dem Kampfpanzer Leopard II unterstützen, sagte die FDP-Politikerin am Montag im ARD-"Morgenmagazin". "Das ist unglaublich wichtig und sollte sofort passieren."

Angesichts der ablehnenden Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gegenüber der Lieferung von Kampfpanzern sagte Strack-Zimmermann, "ich wünschte mir, dass der Bundeskanzler seine Linie ändert, ich wünschte mir, dass die Verteidigungsministerin ihre Linie ändert". Jetzt sei das "Momentum", entsprechende Waffen zur Unterstützung der Ukraine zu liefern, "und da sollten wir in der Tat nicht zögern".

Das Argument, Deutschland würde damit zur Kriegspartei, wies Strack-Zimmermann zurück. "Wir haben es hier mit einem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine zu tun, die Ukraine verteidigt völkerrechtskonform ihr eigenes Land, und es ist auch konform, dass die Partner Waffen liefern können", sagte sie.

Entscheidend sei dabei, dass der Leopard-Panzer nicht von deutschen, sondern von ukrainischen Soldaten geführt werde. "Auf dem Staatsgebiet der Ukraine befindet sich kein Nato-Mitglied", und das werde auch weiterhin nicht geschehen, betonte die Verteidigungsausschuss-Vorsitzende. "Es geht um eine Hardware und nicht um die Menschen, die da drin sitzen."

Bundesregierung lobt "Mut und Entschlossenheit" der Ukraine

Bisher hält sich vor allem Kanzler Scholz bei direkten Lieferungen zurück – mit dem Hinweis darauf, dass auch die großen Nato-Partner keine Panzer direkt liefern und Deutschland keine Alleingänge unternehmen will. Am Montag bekräftigte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann diesen Kurs: "Der Bundeskanzler (Olaf Scholz/SPD) hat ja mehrfach gesagt, es wird keine Alleingänge, keine deutschen Alleingänge in dieser Sache geben."

Hoffmann sagte, es stehe zudem "außer Frage, dass Deutschland die Ukraine weiterhin militärisch auf sehr effektive und wirksame Weise unterstützen wird, in enger Absprache mit den Verbündeten". Details könne sie nicht nennen.

Die Bundesregierung beobachte die militärische Lage in der Ukraine sehr genau, so die Sprecherin. "Und wir sehen, dass der Mut und die Entschlossenheit der Ukrainer bei der Befreiung ihres Landes offenbar dazu geführt haben, dass hier Fortschritte gemacht worden sind." Man sehe auch, "dass offenbar die Unterstützung, die das ukrainische Militär von den Freunden und Verbündeten, unter anderem auch von Deutschland, erhält, offenbar seine Wirkung zeigt". Die Bundesregierung sei entschlossen, diese Unterstützung fortzusetzen, die man bisher auch mit schweren Waffen, Artillerie und Flugabwehr leiste.

US-Botschafterin: "Meine Erwartungen sind noch höher"

Auch die US-Botschafterin in Deutschland spricht sich klar für mehr deutsche Unterstützung für Kiew aus. Sie begrüße und bewundere, was die Deutschen für die Ukraine täten, sagte Amy Gutmann am Sonntagabend im ZDF. "Dennoch: Meine Erwartungen sind noch höher an Deutschland." Deutschland wolle hier eine größere Führungsrolle einnehmen.

"Wir hoffen und erwarten, dass Deutschland das auch erfüllen wird." Und: "Wir müssen alles machen, wozu wir in der Lage sind", sagte sie, vermied aber auf mehrere Nachfragen eine konkrete Festlegung, ob Deutschland mehr schwere Waffen liefern soll.

SPD-Chef Lars Klingbeil verschloss sich dem zumindest nicht und betonte die Notwendigkeit internationaler Abstimmung. "Natürlich müssen wir im westlichen Bündnis auch bewerten: Muss es jetzt weitere Waffenlieferungen geben? Und das muss schnell passieren", sagte er am Sonntag in der ARD. "Das muss jetzt unter den Staats- und Regierungschefs besprochen werden angesichts der Forderungen aus der Ukraine, angesichts auch der Erfolge, die die Ukraine gerade hat."

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dämpfte Erwartungen an deutsche Panzer-Lieferungen an die Ukraine. "Sehr wohl unterstützen wir aber mit den osteuropäischen Partnern den Ringtausch", sagte Kühnert auf RTL/ntv mit Blick auf das laufende Verfahren und verweist darauf, dass bisher kein Staat westliche Panzer geliefert habe. Zudem gelte weiter die Aussage, "dass wir nicht schleichend hineingezogen werden wollen in den Krieg, dass wir Russland nicht dazu animieren wollen, völlig irrational am Ende zu handeln und noch ganz andere Staaten anzugreifen." Das sei ein wichtiger Aspekt in der Auseinandersetzung. Und dieser Aspekt müsse – "bei allem heißen Herzen" – immer auch bedacht werden.

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Lambrecht: "Ich habe viel Gerät auf dem Papier"

Bei Lieferungen aus Beständen der Bundeswehr sträubt sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Im Onlinemagazin Politico wies sie auf die Nato-Übereinkunft zur Verstärkung der Ostflanke hin, die Deutschland sehr ernst nehme. Aber: "Ich muss in der Lage sein, Material nach Litauen zu verlegen.

Und ich sag es noch mal: Ich habe viel Gerät auf dem Papier – aber wenn ich mir die Einsatzbereitschaft anschaue, dann sieht die ganz anders aus." Dies liege an der früheren Unterfinanzierung der Bundeswehr. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte es jüngst jedoch als wichtiger eingestuft, die Ukraine zu unterstützen, als nach Plan gefüllte Waffenlager in Nato-Staaten zu haben.

Auch die Union macht wieder mehr Druck. "Die aktuelle Entwicklung in der Ukraine zeigt, mit den nötigen Mitteln kann Putins Invasionsdrang erfolgreich zurückgeschlagen werden", sagte der verteidigungspolitische Fraktionssprecher Florian Hahn (CSU) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Berlin muss endlich seine Zurückhaltung aufgeben und mehr Waffen liefern."

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte "Bild": "Dazu zählen insbesondere auch Panzer aus den Beständen der Bundeswehr. Nirgendwo sonst werden sie gegenwärtig zur Wiederherstellung des Friedens gebraucht."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa, AFP und Reuters
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