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Olaf Scholz und Robert Habeck in Kanada: Warum der ganze Aufwand?


Habeck und Scholz in Kanada
Die Mission ist ganz klar

Von dpa, reuters, afp, lw

Aktualisiert am 22.08.2022Lesedauer: 4 Min.
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Gaskrise: Scholz und Habeck reisen mitten in der Energiekrise im Doppelpack nach Kanada. (Quelle: reuters)

Mit einer Schar an Spitzenmanagern sind Olaf Scholz und Robert Habeck nach Kanada geflogen. Warum der ganze Aufwand? Es gibt mehrere Gründe.

In etwa zwei Dutzend Ländern auf vier Kontinenten hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seit seiner Vereidigung im Dezember schon vorgestellt. Für kein einziges davon hat er bei seinen Antrittsbesuchen so viel Aufwand betrieben wie jetzt für Kanada.

Drei Tage nimmt er sich Zeit für das flächenmäßig zweitgrößte Land der Welt, das aber noch nicht einmal halb so viele Einwohner hat wie Deutschland. Zum Vergleich: Im deutlich mächtigeren und wirtschaftsstärkeren Nachbarland USA war er im Februar nur halb so lange zum Antrittsbesuch.

Erstmals größere Wirtschaftsdelegation mit dabei

Das ist aber noch nicht alles: Scholz hat sich für diese Reise Verstärkung geholt. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) flog am Sonntagabend mit ihm nach Montreal, der ersten von drei Reisestationen. Die beiden waren zuvor erst einmal zusammen unterwegs, im Mai bei einem Nordsee-Gipfel in Dänemark.

Außerdem wird Scholz erstmals von einer größeren Wirtschaftsdelegation begleitet, die von Industriepräsident Siegfried Rußwurm angeführt wird und der ein Dutzend Spitzenmanager angehören, darunter die Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen, Bayer, Siemens Energy und Uniper. Insgesamt flogen mehr als 80 Passagiere in der Regierungsmaschine mit.

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Aber wofür betreiben Scholz und Habeck den ganzen Aufwand? Es gibt wirtschaftliche und politische Gründe dafür:

Wirtschaftliche Gründe

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zwingt Deutschland, sich in seinen Wirtschaftsbeziehungen breiter aufzustellen. Das gilt ganz akut für den Energiebereich, in dem man sich von russischen Gaslieferungen unabhängig machen will. Kanada hat zwar Flüssiggas zu bieten, davon kann Deutschland aber erst mittelfristig profitieren: Das Problem in Deutschland sei das Fehlen der Infrastruktur, um Flüssiggas (LNG) als Alternative zu russischem Gas einzusetzen, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag im ZDF-Interview. Bei der Reise liegt der Fokus deswegen auf der Wasserstoffproduktion.

Außerdem hat die deutsche Wirtschaft an kanadischen Mineralien und Metallen Interesse, unter anderem an Kobalt, Nickel, Lithium und Grafit, die für die Batterieproduktion wichtig sind. "Das Land verfügt über ähnliche reiche Bodenschätze wie Russland – mit dem Unterschied, dass es eine verlässliche Demokratie ist", sagte Scholz am Sonntagabend nach der Ankunft in Montreal.

Politische Gründe

Dass Kanada im Prinzip wirtschaftlich das zu bieten hat, was Russland auch hat, ist der zweite Grund, warum Scholz diese Reise so viel bedeutet. Der Kanzler hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Zusammenarbeit der Demokratien zu stärken, um im Systemwettbewerb mit Autokratien wie China und Russland bestehen zu können. Deswegen hat er auch demonstrativ Japan vor dem wirtschaftlich für Deutschland bedeutenderen China besucht – anders als seine Vorgänger.

Kanada ist wichtiger Partner in der G7

Außerdem zeigt die Reise: Die transatlantischen Beziehungen sind mehr als nur ein guter Draht zu den USA. Auch Kanada ist ein wichtiger Partner in der G7 wirtschaftsstarker Demokratien und in der Nato. Mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau versteht Scholz sich jedenfalls schon mal blendend. Der 50-Jährige hat ihn bereits in Berlin besucht, die beiden haben sich auch beim G7-Gipfel in Elmau und beim Nato-Gipfel in Madrid getroffen.

Scholz sagte am Sonntagabend, dass Kanada ein ganz besonderer Partner für Deutschland sei. "Mit kaum einem anderen Land außerhalb der EU sind wir so eng und freundschaftlich verbunden wie mit Kanada", betonte er. Man teile gemeinsame Werte und einen ähnlichen Blick auf die Welt.

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Wasserstoff-Abkommen geplant

Bei dem Besuch wird Trudeau kaum von der Seite des Kanzlers weichen. In Montreal, wo er seinen Wahlkreis hat, führt der kanadische Ministerpräsident am Montag seine politischen Gespräche mit Scholz. Am Dienstag geht es weiter in die Wirtschaftsmetropole Toronto und schließlich in das entlegene Stephenville, einen kleinen Ort im nur dünn besiedelten Neufundland.

Von dort wollen Kanzler und Ministerpräsident dann auch etwas Zählbares mit nach Hause nehmen: Ein Abkommen zur Kooperation bei Herstellung und Transport von grünem Wasserstoff, der mithilfe erneuerbarer Energien erzeugt wird. Langfristig rechnet Kanada damit, 25 bis 30 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr exportieren zu können. Allerdings müssen auch hier noch Transportkapazitäten geschaffen werden.

Habeck sagte am Montag im ZDF-"Morgenmagazin", Kanada bereite sich darauf vor, in Neufundland "grünen Wasserstoff, also durch erneuerbare Energien hergestellten Wasserstoff zu produzieren". Dafür seien die Windbedingungen an der kanadischen Ostküste ideal. Deutschland habe in diesem Bereich technisches Know-how und "einen großen Bedarf". Der Schwerpunkt der Reise liege also darauf, mit Kanada eine "Energiepartnerschaft für die Zukunft" zu schließen.

Neben der Energiepolitik soll es laut der Bundesregierung bei dem Besuch auch um geopolitische Themen wie die Nato-Zusammenarbeit und das Verhältnis zu Russland und China gehen.

Kanada soll helfen, "Haushalte warmzuhalten"

Die deutsche Wirtschaft drängt zu schnellen Abkommen mit dem nordamerikanischen Land. Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) hoffe darauf, dass der Kanada-Besuch den Druck auf die Regierungskoalition in Deutschland noch einmal erhöhe, das deutsch-kanadische Handelsabkommen CETA im Bundestag endlich zu ratifizieren, sagte Verbandspräsident Dirk Jandura der Düsseldorfer "Rheinischen Post" vom Montag.

Vor allem müsse die Zusammenarbeit bei der Energieversorgung und bei der Versorgung der deutschen Wirtschaft mit seltenen Erden verstärkt werden, betonte Jandura. Kanada könne zudem durch eine Beschleunigung der Fertigstellung seiner LNG-Exportanlagen dazu beitragen, "die europäische Wirtschaft am Laufen und die Haushalte warmzuhalten", sagte der BGA-Präsident.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betonte, der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft sei nicht allein auf nationaler Ebene möglich. Deutschland und Europa seien daher auf den Import von Wasserstoff angewiesen. "Umso wichtiger ist es, frühzeitig verlässliche internationale Partnerschaften zu schließen", sagte Kerstin Andreae, die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, der "Rheinischen Post".

Verwendete Quellen
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