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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hofreiter zur US-Wahl "Eine Katastrophe"
Donald Trump wird wieder US-Präsident. Und jetzt? Deutschland und Europa müssen erwachsen werden, sagt Grünen-Politiker Anton Hofreiter.
Vier weitere Jahre Donald Trump. Das könne fatal werden für die USA, befürchtet der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter von den Grünen. Und für den Rest der Welt? Ziemlich unberechenbar. Und genau deshalb müssten Deutschland und Europa sich auf alles vorbereiten, sagt Hofreiter im Gespräch mit t-online. Unter anderem mit einem milliardenschweren EU-Verteidigungsfonds.
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t-online: Herr Hofreiter, was bedeutet eine zweite Amtszeit von Donald Trump für die USA?
Anton Hofreiter: Die Auseinandersetzung im Land wird noch mal schärfer, als sie ohnehin schon ist. Demokratie, Frauenrechte, Minderheitenrechte werden jetzt ernsthaft unter Druck kommen. Das kann wirklich fatal werden.
Was bedeutet die Wahl für den Rest der Welt?
Erst einmal ist es im Kampf gegen die Klimakrise eine Katastrophe. Und damit für alle Menschen, die auf dieser Erde leben wollen. Europa und Deutschland müssen erwachsen werden: in der Handelspolitik, in der Sicherheitspolitik, in der Wirtschaftspolitik. Deutschland muss jetzt endgültig eine Führungsrolle in Europa einnehmen. Das wird schon lange von uns erwartet. Und es braucht neue und stärkere Bündnisse mit Ländern wie Brasilien, Indien, Nigeria, Südafrika, Indonesien, Japan und Südkorea.
Haben Sie eine erste Erklärung, warum Trump es wieder geschafft hat und nicht Kamala Harris?
Es ist eine Mischung aus vielen Dingen. Die hohe Inflation hat eine große Rolle gespielt. Der Bruch mit der neoliberalen Globalisierung, der sich ab 2016 gezeigt hat, wurde nie aufgearbeitet. Also die Frage, wer eigentlich den Arbeitern im Rust Belt eine Perspektive bieten kann. Der eskalierende Kulturkampf war ebenso ein Faktor, der Hass und die Hetze in den sozialen Netzwerken. Das hat das Gefühl für Wahrhaftigkeit massiv erodieren lassen. Es gibt aber auch nach wie vor schlicht eine weitverbreitete Frauenfeindlichkeit. Es gibt schwarze Männer, die lieber einen Rassisten wählen, der sie verachtet, als eine Frau. Das ist wirklich bitter.
Trump hat mal gesagt, wer nicht genug für Verteidigung zahle in der Nato, mit dem solle Russland machen, was es wolle. Wie ernst müssen wir so etwas nehmen?
Ich glaube, außenpolitisch ist das sehr schwer einzuschätzen. Trump ist völlig unberechenbar. Es kann sein, dass er sich wieder mal von Putin um den Finger wickeln lässt. Genau wie von Chinas Xi Jinping oder Nordkoreas Kim Jong-un. Es kann aber auch sein, dass er sich mit Putin zerstreitet und die Ukraine am Ende stärker unterstützt. Ich glaube, das ist alles vollkommen offen. Aber das bedeutet eben, dass wir selbst jetzt deutlich mehr tun müssen, um auf alles vorbereitet zu sein.
Reicht das Nato-Ziel überhaupt noch, zwei Prozent unserer Wirtschaftskraft für die Verteidigung auszugeben?
Es geht für uns erst mal darum, Deutschland wieder als Logistikdrehscheibe fit zu machen. Von den militärisch relevanten Brücken können bei uns 4.000 nicht mehr mit über 100 Tonnen belastet werden. Wir müssen massiv in Infrastruktur investieren. Und wir müssen europäisch zusammenarbeiten, um aus den ja durchaus vorhandenen erheblichen Mitteln deutlich mehr Effizienz rauszuholen.
Aber reicht das?
Nein. Wir müssen mehr investieren. Es braucht einen 500 Milliarden Euro schweren EU-Verteidigungsfonds. Davon sollten 100 Milliarden direkt zur Unterstützung der Ukraine verwendet werden. 300 Milliarden braucht es für eine engere Rüstungszusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern. Und 100 Milliarden sollten für eine breit verstandene, erweiterte Sicherheitspolitik der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen.
Funktioniert das mit einer Finanzpolitik, wie sie in Deutschland gerade betrieben wird?
Nein, das funktioniert nicht. Wir leben nicht mehr in normalen Zeiten, wo eine Schuldenbremse ja durchaus ihre Berechtigung hat. Wir leben zu Zeiten von Krieg in Europa. Und ein autokratisch gesinnter Mensch, der hochgradig unberechenbar ist, wird jetzt wieder Präsident der USA. Das muss jetzt jedem klar sein. Wir müssen für einige Jahre einfach deutlich mehr tun, um unsere Sicherheit zu gewährleisten.
Ist die EU dafür aufgestellt, als so etwas wie die Stimme der Vernunft einzuspringen?
Die neue EU-Spitze macht Hoffnung. Ursula von der Leyen bleibt als Kommissionspräsidentin, hinzu kommen Kaja Kallas als Außenbeauftragte und António Costa als Ratspräsident. Das könnte das beste Führungstrio werden, das die EU je hatte. Es mangelt trotzdem schlichtweg am Geld, an der finanziellen Kapazität der EU.
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Der Klimaschutz stand in den vergangenen Monaten und Jahren ohnehin unter Druck. Verabschieden sich die USA jetzt komplett?
Auf bundesstaatlicher Ebene werden die USA sicher ausfallen. Donald Trump steckt im Mittelalter fest. Er kennt und versteht die Naturgesetze nicht. Nur leider gelten die auch, wenn man nicht an sie glaubt. Deshalb müssen wir verstärkt mit den Bundesstaaten zusammenarbeiten. Da gibt es sehr progressive wie Kalifornien. Aber auch hier gilt: Wir müssen in Europa verstehen, dass die Klimakrise neben den autokratischen Ländern wie Russland und China eines der größten Sicherheitsrisiken der Welt ist. Man stelle sich vor, so etwas wie die Flutkatastrophe in Spanien würde in einem instabileren Staat passieren. Das könnte in Bürgerkriegen enden.
Beim Klimaschutz mit den Bundesstaaten zusammenzuarbeiten, ist das eine. Doch welchen Wert haben Klimakonferenzen wie die COP mit einem US-Präsidenten Trump noch?
Ich glaube, dass die COP sogar noch wichtiger wird. Deutschland wäre sehr gut beraten, wieder handlungsfähiger zu werden und mehr Geld für internationalen Klimaschutz aufzubringen. So könnte man nach dem Ausfall der USA auf der COP gleich internationale Allianzen schmieden. Wir sind als Exportnation ohnehin auf eine gute Zusammenarbeit mit möglichst vielen Ländern angewiesen.
Hat sich die Bundesregierung ausreichend auf eine Trump-Regierung vorbereitet?
Teile der Bundesregierung ja. Insgesamt ist die Bundesregierung zu schlecht auf Trump vorbereitet. Das sieht man allein daran, dass wir nach wie vor zu wenig in Sicherheit und Infrastruktur investieren.
Ist der Bruch der Ampel jetzt unwahrscheinlicher geworden?
Das ist schwer einzuschätzen. Ich hoffe es. Fest steht: Der heutige Tag ist endgültig ein Einschnitt. Ich erwarte von allen demokratischen Parteien, dass sie jetzt anders Politik machen. Alle müssen sich bewusst sein, welch gigantische Herausforderungen vor uns stehen und welch grundlegende Veränderung sich manifestiert – für Europa und für die Demokratien weltweit. Es darf endgültig nicht mehr um den kurzfristigen taktischen Vorteil gehen, sondern darum, was notwendig ist für unser Land.
Herr Hofreiter, vielen Dank für das Gespräch.
- Gespräch mit Anton Hofreiter (Grüne) am Mittwochmorgen in Berlin