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Hurrikan "Milton" in Florida: Betroffene Deutsche in den USA im Interview


Interview
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Drohende Hurrikan-Katastrophe "Milton"
"Dann ist es vorbei"

  • Bastian Brauns
InterviewVon Bastian Brauns

Aktualisiert am 10.10.2024Lesedauer: 6 Min.
Umgeknickte Stromleitungen: Die ersten Ausläufer von Hurrikan Milton haben Fort Myers in Florida erreicht.Vergrößern des Bildes
Umgeknickte Stromleitungen: Tornados als Vorboten für den Hurrikan "Milton" haben Fort Myers in Florida bereits erreicht. (Quelle: Ricardo Arduengo)
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Mit Hurrikan "Milton" trifft ein Jahrhundertsturm auf die Küste des US-Bundesstaates Florida. Eine betroffene Deutsche erzählt von der Notsituation und beklagt die Politisierung der nahenden Katastrophe.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

t-online: Frau Buhr, Sie leben nahe Fort Myers, in Florida, mitten im Hurrikan-Gebiet. Müssten Sie nicht längst evakuiert sein?

Monika Buhr: Wir haben das Glück, leicht südlich von der Bucht von Tampa zu leben. Außerdem steht unser Haus rund 30 Kilometer entfernt von der Küste. Zwangsevakuiert werden müssen wir deshalb nicht, aber auch wir müssen Vorkehrungen treffen.

Welche Menschen werden gerade evakuiert?

Das sind Leute, die im Überschwemmungsgebiet leben. Die aktuellen Evakuierungen haben genaugenommen nichts mit dem Sturm zu tun, sondern mit der drohenden Sturmflut. Gegen Wasser können wir uns einfach nicht schützen. Wenn es kommt, reißt es alles mit – egal, ob das ein Holzhaus oder ein Steinhaus ist. Wenn die Flut das Erdgeschoss und das Fundament erreicht, ist es vorbei.

Die wahre Gefahr ist also trotz Windgeschwindigkeiten von bis zu 265 Kilometern pro Stunde gar nicht der Sturm selbst?

Gegen den Wind können wir uns im Zweifel schützen. Die neueren Häuser hier müssen seit dem Hurrikan "Charlie" im Jahr 2004 nach anderen Vorschriften gebaut werden. Aber wie in Deutschland werden hier alte Häuser nicht einfach abgerissen, nur weil sich die Baurichtlinien geändert haben. Für alte Häuser ist das also ein Problem. Die Warnungen vor der Sturmflut sind schon enorm. Hier sollen es zwei bis vier Meter sein, in Richtung Tampa sogar bis zu fünf Meter. Da wird eine gewaltige Menge Wasser kommen. Das bleibt eben nicht nur am Strand, sondern drückt über die Flüsse bis zu uns ins Landesinnere rein. Das ist im Prinzip wie in Deutschland, wenn ein Orkan über der Nordsee entsteht und die Sturmflut bis nach Hamburg kommt.

"Milton" ist bereits Ihr dritter Hurrikan. Wie müssen wir uns den Verlauf unter so einem Hurrikan vorstellen?

Das Schlimmste ist der Bereich um das sogenannte Auge herum. Das sind die stärksten Winde und der schlimmste Regen. Sobald das Auge über uns ist, scheint es so, als sei alles vorbei. Da ist nichts mehr. Komplette Windstille. Wenn man Glück hat, scheint da drinnen sogar die Sonne. Das ist aber trügerisch. Dann kommt nämlich die Rückseite des Auges und die ist noch mal stärker, mit ganz extremen Winden. Bei Hurrikan "Ian" im Jahr 2022 ist mir wirklich Angst und Bange geworden. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Da rutschte mir ein paar Mal das Herz in die Hose. Da hat es uns den Regen durch die Gummidichtungen an den Fenstern ins Haus gedrückt. Man kann sich nicht vorstellen, was für ein Sturm das war.

Wie bereiten Sie sich jetzt auf diesen als Jahrhundert-Hurrikan bezeichneten Sturm "Milton" vor?

Ich habe meine Fenster mit Sturmschutzplatten abgesichert, besonders auf der Terrassenseite. Wir haben Wasser, Essen und Tiefkühl-Lebensmittel vorrätig. Für uns sind darum die Stromausfälle das Hauptproblem. Wir haben hier keinen eigenen Diesel-Generator und müssen darauf hoffen, dass der Strom im Zweifel nach spätestens 48 Stunden wieder da ist. Das Gute ist: Wir hängen am gleichen Stromnetz wie der Flughafen von Fort Myers. Das heißt, normalerweise wird unser Strom schnell wiederhergestellt. Was nervt: Jedes Mal, wenn der Strom weg war, muss ich danach das Internet über den Router neu einrichten.

Und wenn der Strom nicht wiederkommt?

Wenn es so wie nach dem Hurrikan "Irma" im Jahr 2017 kommt, haben wir ein Problem. Damals ist unsere ganze Region abgesoffen. Unsere Stromkabel verlaufen hier unterirdisch. Wenn dort das Wasser reinläuft und auch das Umspannwerk unter Wasser steht, gibt es erst mal keinen Strom. Fürs Kochen müsste ich meinen Gasgrill anwerfen.

"Milton" wurde zwischenzeitlich als Sturm der Kategorie 5 eingestuft. Was muss man sich darunter vorstellen?

Inzwischen heißt es, der Sturm hat sich wieder leicht auf Kategorie 4 oder sogar auf 3 abgeschwächt. Ich sage mal, sowas wie dieser Orkan, den sie jetzt für Deutschland vorhersagen. Das ist verglichen mit "Milton" eher ein laues Lüftchen.

Die USA befinden sich in der Endphase des Präsidentschaftswahlkampfes, und schon der Hurrikan Helene von vor zwei Wochen wurde politisch ausgeschlachtet. Donald Trump und Elon Musk verbreiteten zahlreiche Lügen. Wie nehmen Sie das wahr?

Ich finde das ganz ehrlich zum Kotzen. Das geht einfach gar nicht. So wie Kamala Harris es zuletzt gesagt hat, ist es: In solchen Situationen hat die Politik hinter dem gemeinsam geführten Kampf gegen diese Katastrophe zurückzustehen. Wir Leute vor Ort müssen auch zusammenhalten. Das Gleiche gilt für die Politik ganz oben. Hier helfen sich die Nachbarn gegenseitig, die Sturmschutzplatten anzubringen. Da fragt auch keiner, wen man wählt. Das ist ein Zusammenhalt.

Ihr Gouverneur, der Republikaner Ron DeSantis, verweigerte offenbar Telefonanrufe von Kamala Harris und Joe Biden.

Dieses Verhalten und sich damit auch noch öffentlich zu brüsten, das ist, Pardon, ein Schlag in die Fresse jedes betroffenen Floridianers.

Sehen das auch Leute so, die eigentlich republikanisch wählen?

Ja, das ist hier schon Thema. Denn es ergibt ja jetzt auch überhaupt keinen Sinn. Das gehört hier einfach nicht hin. Es geht um eine lebensgefährliche Naturkatastrophe. Der Sturm macht ja auch keinen Unterschied und fragt, ob ich jetzt Republikaner oder Demokrat bin. Dem Gouverneur hier geht es nur darum, nicht wieder blöd dazustehen. Beim letzten Sturm wirkte er in seinen Gummistiefeln wie ein dummer Schuljunge. Damals gab es viele hämische Memes im Internet. Der Mann hat Minderwertigkeitskomplexe. Es geht aber nicht um ihn, sondern um uns. Das ist einfach eine Frechheit.

Haben Sie den Eindruck, dass die Hilfsmaßnahmen ausreichend anrollen, sowohl vom Bundesstaat Florida als auch von der Regierung in Washington?

Ja, der Notstand wurde ausgerufen und die Gelder wurden freigegeben. Die Nationalgarde steht bereit und in Florida auch die Florida Guard, also die Kräfte des Bundesstaates. Die koordinieren sich mit den Bürgermeistern der Städte. Die Schulen dienen als Notunterkünfte.

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Welche Kosten kommen eigentlich auf die Opfer zu?

Das ist ein Riesenproblem. Die Leute direkt an der Küste bezahlen inzwischen ja schon bis zu 17.000 Euro für ihre Versicherung gegen Sturmschäden. Nachdem der Hurrikan Helene vor zwei Wochen das Land überzogen hatte, haben viele Versicherungen einfach ihre Verträge gekündigt und gesagt, sie würden das nicht mehr absichern. Das interessiert die Politiker aber nicht. Der US-Kongress ist jetzt bis nach der Wahl im Urlaub.

Fühlen Sie sich im Stich gelassen?

In Washington haben die Republikaner zuletzt ja auch nur gerade so der Erhöhung der Hilfsgelder für die Katastrophenbehörde Fema und einem Übergangshaushalt zugestimmt. Trump wäre ein Shutdown, also eine Haushaltsblockade, eigentlich lieber gewesen. Die interessieren sich nicht für die Menschen. Wir sind denen scheißegal. Alles wird blockiert oder irgendwelche verrückten Anhörungen werden angesetzt, ob das Wetter womöglich von der Space Force gemacht wird oder irgendein anderer Unsinn. Wir haben es mit dem faulsten Kongress in der Geschichte der Vereinigten Staaten zu tun.

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Jetzt sind es nur noch wenige Stunden, bis der Hurrikan heute Nacht auf Land treffen soll. Was macht Ihnen am meisten Sorgen?

Aktuell sind die Tornados ein großes Problem. Die haben sich hier vor dem Hurrikan gerade schon gebildet. Die lassen einem keine Chance. Häuser werden abgedeckt und Stromleitungen knicken einfach um. Das ist erschreckend. Wenn der Hurrikan heute Nacht ankommt, ist das außerdem wirklich eine blöde Uhrzeit. Es ist immer angenehmer bei solchen Katastrophen, wenn es Tag ist. Dann siehst du, was auf dich zukommt. Wir hatten das bei Irma schon mal. Da war es auch dunkel und gar nicht schön. Man sitzt drinnen, hat keinen Strom mehr und du kannst dich nur auf deine Ohren verlassen. Alles, was du hörst, ist der Wind. Dann schnarrt und scheppert es und du fragst dich: Sind das jetzt die Ziegel vom Dach? Aber du siehst nichts mehr. Das ist richtig Scheiße.

Passen Sie auf sich auf. Vielen Dank für das Gespräch und Ihre Zeit.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Monika Buhr in Florida
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