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Nato-Ausgaben: Was Donald Trump und Boris Pistorius eint


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Trump droht Nato-Staaten
Zwischen Verteidigung und Erpressung


28.08.2024Lesedauer: 6 Min.
"Drei Prozent" von den Nato-Partern: Donald Trump auf dem Friedhof von Arlington.Vergrößern des Bildes
"Drei Prozent" von den Nato-Partnern: Donald Trump auf dem Friedhof von Arlington. (Quelle: CARLOS BARRIA)
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Donald Trump spricht aus, wofür der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius schon lange wirbt: Deutschland soll noch mehr Geld für die Nato aufbringen. Doch es gibt dabei einen entscheidenden Unterschied.

Bastian Brauns berichtet aus Washington.

Schon vor anderthalb Jahren sagte Boris Pistorius im Februar in Brüssel beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister: "Sich alleine dem Zwei-Prozent-Ziel annähern zu wollen, wird nicht reichen." Die Militärausgaben der Mitgliedsländer, so Pistorius, müssten vielmehr weiter steigen. Und auch in diesem Jahr wiederholte er bei seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz: "Ich bin realistisch genug, um zu erkennen, dass dies in den kommenden Jahren möglicherweise nicht ausreichen wird."

Die einst beschlossenen zwei Prozent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) der jeweiligen Länder, seien nur eine Untergrenze gewesen, so Pistorius. Alle seien sich bewusst, dass dies nur der Ausgangspunkt sein könne, "weil wir mehr brauchen". Zwei Prozent könnten nur der Anfang sein. Vielleicht würden künftig "drei oder dreieinhalb Prozent" erreicht. Es komme darauf an, was in der Welt passiere, und auch auf die eigene Volkswirtschaft.

Pistorius wusste schon damals, dass er mit der Weltlage nicht nur den russischen Angriffskrieg meinte. Es ging ihm auch darum, sich auf das vorzubereiten, was bei den Verbündeten in den USA passieren könnte. Denn was sonst in der Welt passiert, war in dieser Woche unter anderem eine Rede von Donald Trump, in der dieser auf ebenjenes Nato-Thema einging.

Trump stellt den Schutz der Nato infrage

In Detroit stand der frühere US-Präsident und erneute Spitzenkandidat der Republikaner bei einer Konferenz des Lobbyverbandes der amerikanischen Nationalgarde auf der Bühne. Trump sagte: "Ich werde darauf bestehen, dass jeder Nato-Staat mindestens drei Prozent ausgeben muss." Was wie ein Echo von Pistorius klingt, hatte sich schon seit vielen Monaten angekündigt. Trump lässt schon lange keinen Zweifel mehr daran, dass er bei einer erneuten Präsidentschaft von den Europäern noch mehr als bisher verlangen wird.

Die Nato-Staaten hätten über lange Zeit weit weniger als zwei Prozent ihres BIP für ihr Militär ausgegeben, so Trump in Detroit. Damit würden die Europäer die US-Streitkräfte bis heute überfordern. "Wir waren diejenigen, welche die Differenz ausgeglichen und dafür bezahlt haben, um Bedrohungen abzuwehren", sagt er. Auch die zwei Prozent – ein BIP-Anteil, den Deutschland inzwischen erreicht – bezeichnete Trump in Detroit als "Diebstahl des Jahrhunderts", weil die USA noch immer draufzahlen würden.

Auf den ersten Blick scheint es so, als würden ausgerechnet Donald Trump und der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius denselben Wunsch teilen, nämlich: die Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten deutlich, auf mindestens drei Prozent anzuheben. Doch es gibt dabei einen entscheidenden Unterschied.

Trumps Drohungen gefährden das Bündnis

Während Pistorius daran gelegen ist, dieses Thema gemeinsam zu erörtern, setzte Donald Trump wiederholt auf Drohungen. Wie oft in den vergangenen Monaten wiederholte er bei seiner Rede in Detroit: Nato-Staaten, die nicht bezahlen würden, würde er im Zweifel nicht verteidigen. Er stellt dieses Vorgehen als legitim dar: "Wenn ich gesagt hätte, ich würde sie verteidigen, würden sie nicht zahlen", sagte Trump. Dass vor allem der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und Putins Drohungen gegen den Westen zu einem Umdenken und nicht zuletzt zur deutschen "Zeitenwende" geführt haben, lässt er unter den Tisch fallen. Es ist Wahlkampf. Also ist es sein Verdient.

Doch mit seiner Äußerung bricht Donald Trump einmal mehr mit dem wohl wichtigsten Gründungsprinzip der Nato. Das Militärbündnis, das 1949 gegründet wurde, basiert auf dem Prinzip der kollektiven Verteidigung. Verankert ist es im 5. Artikel des Nato-Vertrags. Der Artikel besagt, dass ein bewaffneter Angriff auf ein Mitglied als Angriff auf alle Mitglieder betrachtet wird und die anderen sich verpflichten, entsprechend zu reagieren. Den Schutz, insbesondere der mächtigsten Militärmacht USA, von finanziellen Beiträgen abhängig zu machen, untergräbt dieses Prinzip. Denn die gegenseitige Verteidigung und damit auch die Abschreckungsfunktion fußt eben nicht auf transaktionalen, finanziellen Vereinbarungen, sondern auf prinzipieller Bedingungslosigkeit.

Donald Trump erweckte in seiner Rede außerdem erneut den Eindruck, die Nato-Staaten würden Geld an die USA bezahlen oder wie Mitgliedsbeiträge an eine Art Sicherheitsclub entrichten. Was nach seiner Drohung an die Verbündeten passiert sei? "Hunderte Milliarden Dollar sind hereingeströmt", behauptete Trump und bezeichnete die anderen Staaten als "säumige Zahler", die bis heute die Rechnungen vergangener Jahre zu begleichen hätten. Trump bezeugt einmal mehr, dass er das politische Geschäft wie das eines Immobilienmagnaten aus New York zu führen gedenkt.

Gegner könnten ermutigt werden

Es ist nicht nur Trumps Rhetorik, die für die Bündnispartner problematisch werden könnte. Vieles spricht dafür, dass er künftig tatsächlich auch entsprechend handeln könnte. Berechtigterweise geht im Bündnis schon lange die Sorge um, dass Trump die Nato zwar nicht einfach formal verlassen könnte. Wohl aber könnte er schlicht durch Nichthandeln die eigene Mitgliedschaft de facto ruhen lassen. (Mehr dazu lesen Sie hier.)

Ein früherer Spitzenbeamter von Trump im Verteidigungsministerium, Elbridge Colby, sagte zuletzt in einem Interview mit CNN: Die Verbündeten "sollten große Angst" um ihre eigene Sicherheit haben. Er ist ein Mann, der schon lange dafür wirbt, dass die USA ihre militärischen Anstrengungen vorwiegend in Richtung Pazifik und gegen China richten müssten. Colby steht in Verbindung mit dem "Project 2025", einem viel kritisierten Vorhaben, das Trump als Präsidenten mehr Macht denn je geben soll. Insbesondere Deutschland sieht auch Colby in der Pflicht.

Doch Trumps Politik aus Drohungen und Angstmacherei könnte für die Einheit der Nato-Allianz zu einer der größten Herausforderungen seit ihrem Bestehen werden. Verteidigungsexperten warnen schon lange davor, dass die Stärke der Nato hauptsächlich auf der bekundeten Solidarität und dem gegenseitigen Vertrauen unter ihren Mitgliedern fußt. Den gegenseitigen Schutz von Zahlungen, so wie Trump es nun seit Monaten propagiert, abhängig zu machen, könnte unter den Mitgliedsländern zunehmend ein Gefühl schüren, ungleich oder ungerecht behandelt zu werden. Und dies wiederum könnte die Zusammenarbeit und die Effektivität des Bündnisses schwächen.

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Die größte Gefahr besteht darin, dass eine unsichere Bereitschaft der Nato, die eigenen Mitglieder zu verteidigen, ihre Gegner, insbesondere den russischen Präsidenten Wladimir Putin, ermutigen könnte, die Entschlossenheit der Allianz ernsthaft zu testen. Aber auch China und andere Akteure auf der Welt könnten angesichts eines unklaren Zustands der Nato auf die Idee kommen, einzelne Mitgliedsstaaten herauszufordern.

Ein Präzedenzfall, der die Welt erschüttern könnte

Trumps Rhetorik, vor allem, wenn er sie in die Tat umsetzen würde, könnte eine Welt schaffen, in der die Nato zu einem Präzedenzfall für transaktionale Sicherheitsvereinbarungen wird. In einem Interview mit Bloomberg machte Trump etwa keinen Hehl daraus, dass auch Taiwan für den Schutz durch die USA gegen China zu bezahlen hätte. Über die eigenen amerikanischen Interessen in Taiwan verlor Trump kein Wort.

Dieses Trumpsche Schutzverständnis könnte das Kräftegleichgewicht auf der Erde massiv zugunsten der militärischen Supermächte verschieben. Die sogenannte Nachkriegsordnung wurde aber eigentlich geschaffen, um auf der Grundlage internationaler Normen und Prinzipien für mehr Gleichberechtigung zwischen kleinen und großen Staaten zu sorgen. Das Deal-Prinzip von Donald Trump würde dieses Rad radikal zurückdrehen.

Die Vereinbarung der Nato-Staaten auf das bisherige Zwei-Prozent-Ziel ist nicht ohne Grund eine "Selbstverpflichtung". Zwar erfüllen selbst bis heute noch immer nur 23 von 32 Mitgliedstaaten das BIP-Kriterium. Doch trotz aller Anstrengungen gibt es neben Trägheit naturgemäß auch praktische und wirtschaftliche Herausforderungen für einige Länder. So haben etwa nicht alle Nato-Mitglieder die gleichen wirtschaftlichen Fähigkeiten – schon gar nicht immer zur gleichen Zeit. Während ein Land in der Krise steckt, können andere blendend dastehen.

So wie in der Europäischen Union gibt es auch unter den Nato-Ländern ein Wohlstandsgefälle. Kleinere oder weniger wohlhabende Länder könnten jedenfalls Schwierigkeiten damit haben, ihre Verteidigungsausgaben jetzt auch noch auf drei Prozent ihres BIP anzuheben. Auch das könnte zu diplomatischen Spannungen innerhalb des Bündnisses führen. Eine gemeinsame Selbstverpflichtung würde verkommen zu einer einseitig auferlegten Pflicht der wichtigsten Militärmacht. Niemand könnte sich sicher sein, ob Trump nicht demnächst vier oder fünf Prozent fordern würde. Die Partner würden abhängig vom Schutzgeld für den Schutzschild.

Deutschland hat Chancen vergeben

Deutschland, so viel ist klar, dürfte als starke Wirtschaftsnation zu jenen Ländern gehören, die Trump ohnehin fest im Blick hat und die am besten schon jetzt mehr machen sollten. Doch der deutsche Verteidigungsminister hatte es schon jetzt schwer, die ersten Ansätze seiner Vorstellungen zu finanzieren. Seine Forderungen wurden beim vergangenen Haushaltsstreit, insbesondere dank des FDP-Finanzministers Christian Lindner, radikal zusammengestrichen.

Vieles spricht dafür, dass der Drei-Prozent-Wunsch des deutschen Verteidigungsministers seine wahre Überzeugung ist. Klar ist aber, dass Boris Pistorius ihn auch formuliert hat in dem Wissen, dass in Washington demnächst wieder jener US-Präsident regieren könnte, der ein grundlegend anderes Verständnis von der Nato hat als Pistorius selbst. So gut die Demokratin Kamala Harris derzeit in den Umfragen auch dasteht und so sehr sie bei ihrer Parteitagsrede in Chicago ihr Nato-Bekenntnis beteuert hat: Der Sieger könnte im November auch wieder Donald Trump heißen.

Je höher und je langfristiger die Verteidigungsausgaben, insbesondere die deutschen, gewesen wären, desto weniger Möglichkeiten hätte Trump gehabt, die Nato mit seinen Worten und seinen Plänen weiterhin zu schwächen. Die Chancen stehen schlecht, dass sich das bis Ende des Jahres plötzlich ändert. Deutschland hat mit Mühe erstmals das Zwei-Prozent-Ziel erreicht. Und das auch nur, indem das sogenannte Sondervermögen für Verteidigung anteilig angerechnet wurde. Eine nachhaltigere, dauerhafte Finanzierung höherer Verteidigungsausgaben ist bislang nicht gesichert. Und in anderen Nato-Staaten sieht es noch schlechter aus. Auch Trump und seine Berater wissen das.

Verwendete Quellen
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