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Parteitag der US-Demokraten: Gerührter Joe Biden, strahlende Kamala Harris


Biden-Auftritt bei Parteitag
"So verdammt alt"


20.08.2024Lesedauer: 5 Min.
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USA-ELECTION/DEMOCRATSVergrößern des Bildes
Präsident Joe Biden spricht auf dem Parteitag der Demokraten: Es scheint eine Last von ihm abgefallen zu sein. (Quelle: Kevin Lamarque/reuters)

Ein gerührter Joe Biden, umringt von seiner Familie und einer strahlenden Kamala Harris: Die Inszenierung der Demokraten auf dem Parteitag hat vor allem ein Ziel.

"Danke, Joe"-Rufe hallen minutenlang durch das Kongresszentrum im US-amerikanischen Chicago, viele der Anwesenden recken Schilder in die Höhe. Darauf steht in weißer Schrift auf schwarzem Grund: "Wir lieben Joe" und zwischen den Wörtern prangt ein rotes Herz. US-Präsident Joe Biden ist sichtlich berührt von diesem Anblick.

Er wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel, nachdem seine Tochter Ashley seine Rede auf dem Nominierungsparteitag der Demokratischen Partei angekündigt und seine Vaterqualitäten auf großer Bühne gelobt hat. Es ist ein berührender, aber auch kalkulierter Auftritt, denn Biden präsentiert sich in Chicago vor allem als Gegenmodell zu Ex-Präsident Donald Trump.

Biden: "Weil ich so verdammt alt bin"

Das mag zunächst ungewöhnlich wirken, immerhin tritt Biden nicht erneut an und steht somit nicht mehr in direkter Konkurrenz zu Trump. Aber zum einen dürfte es Biden persönlich ein Anliegen sein, sich von Trump abzugrenzen, zum anderen passt es perfekt in die Strategie des neuen Kandidatenduos der Demokraten. Und zumindest auf dem Parteitag kommt dieses Vorgehen gut an, jede spitze Bemerkung zu Trump bringt Biden Szenenapplaus ein.

Biden war im Juli aus dem Rennen um eine zweite Amtszeit ausgestiegen. Der Demokrat war wegen seines Alters und Zweifeln an seiner mentalen Fitness auch in der eigenen Partei massiv unter Druck geraten. Vizepräsidentin Kamala Harris rückte nach und konnte in kurzer Zeit die Partei hinter sich versammeln. Als ihren Running Mate hat sie Gouverneur Tim Walz ausgewählt, der die Bezeichnung "weird" (zu Deutsch "merkwürdig") für Konkurrent Trump geprägt hat. Mehr zu Walz lesen Sie hier.

Biden wirkt am Montagabend (Dienstagfrüh nach deutscher Zeit) nicht nur ehrlich gerührt, sondern auch gelöst. Die Last einer erneuten Kandidatur scheint von ihm abgefallen zu sein und er ist zu Scherzen aufgelegt. Das bestimmende Thema in vielen Presseartikeln und vor allem der gegnerischen Angriffe in den vergangenen Monaten war Bidens Alter. Mit 81 Jahren, so die Erzählung, sei er zu alt für eine weitere Amtszeit. In Chicago ist das für Biden nur noch eine Pointe wert, wenn er erzählt, dass er mehr Staatslenker mit Vornamen kenne als jeder andere Präsident, was vornehmlich daran liege, dass er "so verdammt alt" sei.

Wirtschaftserfolg im Fokus

Inhaltlich konzentriert er sich in seiner knapp einstündigen Rede vor allem auf innenpolitische Themen und viel Eigenlob für die Errungenschaften der vergangenen vier Jahre. Er beginnt dabei ganz am Anfang und dem ersten direkten Angriff auf Trump und einige seiner Anhänger. "Du kannst nicht nur dann sagen, dass du dein Land liebst, wenn du gewinnst", ruft Biden und erinnert an den "gewalttätigen Mob", der nach seinem letzten Wahlsieg das Kapitol stürmte. Damals habe die Demokratie gesiegt, die jetzige Wahl müsse dafür Sorge tragen, die Demokratie zu erhalten.

Seit dem Beginn seiner Amtszeit habe er – immer mit Unterstützung von Harris, wie er nicht müde wird zu betonen – daran gearbeitet, dass die USA sich wirtschaftlich erhole. Als Erfolgsindikatoren führt Biden an, dass Corona heute nicht mehr das Leben bestimme, die Inflation deutlich gesunken sei und mehrere Millionen neue Jobs geschaffen wurden. Aus der Krise heraus hätten sich die USA wieder zu einer starken Wirtschaftsnation entwickelt.

Dazu zähle für ihn auch, die täglichen Kosten für Bürger zu senken, etwa durch eine Preisobergrenze für Medikamente wie Insulin. Als Teil des Inflation Reduction Acts hatte Biden die Kosten für Insulin für Rentner auf monatlich 35 Dollar, statt wie zuvor teilweise mehrere Hundert Dollar, begrenzt.

Biden schämt sich für die Waffengewalt

Auch die innere Sicherheit sei ihm ein Anliegen gewesen. Anders, als Trump behaupte, sei die Mordrate in den vergangenen Jahren gesunken. Doch es wundere ihn nicht, so Biden, denn Trump lüge über fast alles. Im Saal gibt es dafür Applaus.

Umso mehr müsse bei der Waffenresetzgebung getan werden, fährt Biden fort. "Ich schäme mich", sagt er, dass mehr Kinder in den USA durch eine Kugel sterben würden als durch irgendetwas anderes. Tatsächlich lag die Todesrate durch Waffengewalt unter Minderjährigen im Jahr 2021 bei 3,7 pro 100.000 Kinder. Es brauche daher bessere Kontrollen und Hintergrundchecks für Waffenkäufer.

Außenpolitische Themen streift Biden an diesem ersten Tag der Versammlung hingegen nur oberflächlich. Kiew sei auch zweieinhalb Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs noch nicht eingenommen, an einer Lösung des Gaza-Kriegs werde gearbeitet. Vor allem die Haltung der Demokraten im Israel-Gaza-Konflikt ist immer wieder Streitthema in den vergangenen Wochen gewesen. Auch der Parteitag wird von propalästinensischen Demonstrationen begleitet.

China nennt Biden nur im Wirtschaftskontext. Das Land sei der Hauptkonkurrent, den man deutlich auf Abstand gehalten habe. Auch wenn Biden selbst die Einfuhrzölle für chinesische E-Autos auf 100 Prozent erhöht hat – ein Fakt, den er in seiner Rede auslässt – kritisiert er Trump deutlich für seine Pläne, weitere hohe Zölle auch auf andere Güter einzuführen. Das sei keine Politik für die Mittelschicht, so Biden. Tatsächlich gehen Expertenschätzungen davon aus, dass durch Trumps Pläne jeder US-Haushalt im Schnitt 1.800 Dollar weniger zur Verfügung hätte.

Die beste Entscheidung seiner Karriere

Neben der klaren Abgrenzung zu Trump und einer gewissen Menge Eigenlob, ist Bidens Ziel an diesem Abend unverkennbar, auch seine Vizepräsidentin zu loben und ihr für die kommenden Tage die Bühne zu bereiten. Überraschend war Harris selbst schon am Montag aufgetreten. Mehr dazu lesen Sie hier. Ihr großer Auftritt steht am Donnerstag auf dem Programm. Nun saß sie während Bidens Rede gemeinsam mit ihrem Running Mate Walz in den Rängen. Wann immer sie eingeblendet wurde, strahlte sie über das ganze Gesicht.

Dazu hatte sie auch allen Grund. Biden lobte sie als einen Menschen mit Charakter und enormer Integrität. "Die Wahl von Kamala war die allererste Entscheidung, die ich getroffen habe (...), als ich Kandidat wurde. Es war die beste Entscheidung, die ich in meiner gesamten Karriere getroffen habe." Die beiden seien enge Freunde geworden. "Sie ist zäh, sie ist erfahren und sie hat eine enorme Integrität." Und sie bringe etwas mit, was die besten bisherigen Präsidenten auch gehabt hätten, sagt er augenzwinkernd: Erfahrung als Vizepräsidentin. Biden selbst war vor seiner Präsidentschaft Vize von Barack Obama.

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Mit dem Ende seiner eigenen politischen Karriere scheint Biden unterdessen innerhalb der wenigen Wochen seit der Entscheidung seinen Frieden gemacht zu haben – oder zumindest soll es wohl so wirken, wenn er zum Ende seiner Rede aus dem Lied "American Anthem" zitiert: "Let me know in my heart when my days are through, America, I gave my best to you." Was auf Deutsch so viel heißt wie: "Lass' mich wissen, wenn meine Tage vorbei sind, Amerika, ich habe dir mein Bestes gegeben."

Es ist ein eleganter, aber deutlicher Kommentar zu aktuellen Situation, aber auch ein Rückgriff auf die Anfänge seiner Präsidentschaft. Denn das Lied wurde bei seiner Amtseinführung aufgeführt. Von Beobachtern wurde das damals als Zeichen von Bidens Einigungswillens für die USA interpretiert, da zuvor der republikanische Präsident George W. Bush dieses Lied für seine Einführung gewählt hatte.

Auf die große Klammer zur Präsidentschaft folgt dann die kleinere Klammer zur Rede selbst: Passend zur emotionalen Einführung der Tochter kommen zum Schluss Bidens Ehefrau Jill Biden, die Kinder und Enkelkinder sowie Harris und ihr Ehemann Douglas Emhoff auf die Bühne. Mehr zum Auftritt der Familie lesen Sie hier. Biden herzt sie alle, dazu läuft "Higher Love" von Whitney Houston. Ein letztes Mal für diesen Abend sollen so Bilder gegen Trump entstehen: Biden als liebendes Familienoberhaupt, als gefeierter Präsident und als einer, der bereit ist zu gehen, wenn seine Zeit gekommen ist.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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