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J. D. Vance: Was Trump zu seiner Wahl bewogen hat


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Vizekandidat J. D. Vance
Ist er Trumps erster strategischer Fehler?


Aktualisiert am 16.07.2024Lesedauer: 6 Min.
Kluger Schachzug oder Fehlgriff: Trumps neuer Vize-Kandidat, Senator James David Vance.Vergrößern des Bildes
Kluger Schachzug oder Fehlgriff? Trumps neuer Vizekandidat, Senator James David Vance. (Quelle: Gaelen Morse)
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Mit seinem Vizekandidaten müsste Donald Trump eigentlich neue Wähler erreichen. Aber gelingt das mit dem radikalen Senator J.D. Vance? Trump geht es wohl auch um etwas anderes.

Bastian Brauns berichtet aus Milwaukee

"Ich bin nicht überzeugt", sagt ein Mann, der in der ersten Reihe auf den Rängen oben im Fiserv Forum in Milwaukee sitzt. Er ist Anfang 30, trägt eine rote Baseballmütze, auf der "Make America Great Again" (MAGA) zu lesen ist. Unterhalb von ihm jubeln Hunderte Delegierte Trumps neuem Stellvertreter J. D. Vance zu.

Der erst 39-jährige Senator aus dem Bundesstaat Ohio wurde soeben offiziell zum Vize-Präsidentschaftskandidaten nominiert. Der Mann mit der MAGA-Mütze in Reihe eins klatscht nicht, sondern verschränkt die Arme. "Ich weiß nicht, ob er einen eigenen Wählerblock mitbringen kann, den Trump nicht ohnehin längst hat", sagt er.

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Dabei wirkt J. D. Vance, der mit vollem Namen James David Vance heißt, auf den ersten Blick wie eine kluge Wahl. Er stammt aus ärmlichen Verhältnissen, aus der vermeintlich von der Politik vergessenen, weißen Arbeiterschaft und scheint damit wie geschaffen für den Plan, bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst diese wichtige Wählergruppe zurück ins Trump-Lager zu holen. Manche sehen in ihm also einen verjüngten Frontalangriff gegen den 81-jährigen Joe Biden, der bei den Gewerkschaften sehr beliebt ist. Vance, der erst vor zwei Jahren erstmals in den Senat gewählt wurde, könnte womöglich auch bei der jungen Generation und bei den Erstwählern Stimmen abgreifen.

Video | Trump ernennt Vance zum Vize – und kehrt auf Bühne zurück
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Quelle: reuters

Die Kandidatur von J. D. Vance hat viele Nachteile

Auf den zweiten Blick aber offenbart J. D. Vance viele Schwächen: Insbesondere bei Schwarzen, Latinos und Frauen oder bei Homosexuellen sind Trumps Zahlen noch immer deutlich schlechter, als es für die Republikaner eigentlich wünschenswert wäre, um bei unentschiedenen Wählern zu punkten. Die zarten Zuwächse, die Trump bei diesen Gruppen in den vergangenen Jahren verzeichnet hat, dürfte Vance eher wieder einbüßen, wohl aber kaum weiter ausbauen. Denn gegen seine Aussagen wirken die von Trump beinahe harmlos. Bei Migranten, die schon länger in den USA leben, könnten seine Forderungen nach einer harten Einwanderungs- und Abschiebepolitik dagegen womöglich verfangen.

"Another male from Yale" (Ein weiterer Mann von der Yale-Universität), brummt ein Zuschauer im Kongresszentrum von Milwaukee. Er will seinen Spruch ironisch verstanden wissen. Vielleicht wird J. D. Vance, der das berühmte Trump-Erklär-Buch "Hillbilly Elegy" geschrieben hat, von Einwanderern tatsächlich gar nicht als der Aufsteiger aus armen Verhältnissen wahrgenommen.

Vielleicht ist J. D. Vance für diese potenziellen Wählerinnern und Wähler nur männlich, weiß und elitär. Zwar gibt es Spekulationen, dass seine von indischen Einwanderern abstammende Ehefrau Usha Chilukuri Vance Sympathien bei anderen Amerikanern mit Migrationshintergrund erzeugen könnte. Eine Garantie dafür gibt es aber nicht.

Mit seiner radikalen Haltung gegen Abtreibungsrechte bietet J. D. Vance den Demokraten im Wahlkampf außerdem eine offene Flanke, weit hinein in Wählerschichten, die normalerweise republikanisch wählen. Sein Hinweis, den er 2022 Eltern gab, sie sollten "zum Wohle ihrer Kinder" zusammenbleiben, auch wenn sie eine Ehe voller Gewalt führen, könnte ebenfalls weite Teile Amerikas irritieren. Im Wahlkampf jedenfalls bekommt es Vance unter anderem bei einem geplanten TV-Duell mit Joe Bidens Vizepräsidentin Kamala Harris zu tun. Als Frau und ehemalige Generalstaatsanwältin hat sie bei diesen Themen einen klaren Vorteil.

Was ist Donald Trumps eigentlicher Plan?

Warum aber hat sich Donald Trump sich dann für ihn entschieden? Insgesamt wirkt J. D. Vance, der gerade mal halb so alt ist wie Trump, mit seinen politischen Positionen wie dessen jüngerer Kronprinz. Sollte der einmal nicht mehr in der Lage sein, Politik zu machen, wäre J. D. Vance so etwas wie sein Erbe auf dem MAGA-Thron. Die Zukunft der republikanischen Partei bekommt mit ihm dann endgültig ein radikales Gesicht und ist eine Überlebensversicherung für Trumps geschaffene, politische Bewegung.

Und so könnte hinter seinem Entschluss eine Strategie stecken, die erst auf den dritten Blick erkennbar ist: Denn, was Donald Trump im Wahlkampf unter allen Umständen vermeiden will, sind jegliche Anzeichen von Schwäche. Hätte er eine Frau als Vizekandidatin gewählt oder jemanden, der mangelhafte Eigenschaften von ihm ausgleichen soll, würde er wohl implizit zugeben, dass ihm selbst bestimmte Qualitäten fehlen. Als er vor seinem ersten Wahlkampf 2016 einst Mike Pence als seinen Stellvertreter wählte, benötigte Trump noch die Zustimmung argwöhnischer Wähler aus dem mittleren Westen, insbesondere von Evangelikalen.

In diesem Wahlkampf 2024 fühlt sich Donald Trump, beflügelt von seinen guten Umfragewerten, offenbar deutlich stärker als noch vor acht oder vier Jahren. So hat er etwa die Evangelikalen längst auf seiner Seite. Mit einem Obersten Gerichtshof, der wohl auf Jahrzehnte hinaus mit einer erzkonservativen Mehrheit besetzt ist, hat er ihnen das wohl größte Geschenk überhaupt gemacht. Für diese Gruppe braucht Donald Trump also keinen neuen Mike Pence, keinen, der netter und glaubwürdiger wirkt als er selbst.

Trump will dieses Mal einen Lautsprecher

Im Gegenteil, Donald Trump scheint mit J. D. Vance einen Mann ausgewählt zu haben, der wie ein Katalysator wirken könnte – ein deutlich jüngerer Kandidat, der ihn nicht ergänzen muss, sondern ihn noch heller erstrahlen lassen kann. Auf den ersten Blick wirkt die Wahl von Vance vielleicht uninspiriert und wenig überraschend. Im Kern aber ist sie so etwas wie Trumps MAGA-Booster, ein Verstärker der radikalsten MAGA-Ideen.

Das wird auch deutlich bei Vances außenpolitischen Positionen, wie seiner radikalen Haltung zur Ukraine. In einem Interview mit Trumps Berater Steve Bannon sagte er einst: "Ich muss ehrlich zu Ihnen sein, es ist mir eigentlich egal, was mit der Ukraine passiert." Diese Haltung ist in weiten Teilen der Republikanischen Partei anschlussfähig, zumindest an der Basis.

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Wie problematisch ein solcher US-Vizepräsident hingegen für die deutsche Bundesregierung werden kann, davon konnte man sich in diesem Jahr schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz überzeugen, zu der J. D. Vance extra angereist war. Er sehe Putin nicht als "existenzielle Bedrohung" für Europa an, sagte er. Wenn dem so sei, dann müssten die Europäer eben stärker aufrüsten.

Die wichtigste Stärke, die J. D. Vance nicht selbst mitbringt

Eine wichtige Rolle bei Trumps Entscheidung für J. D. Vance dürfte außerdem eine Überlegung gewesen sein, die mit sehr viel Geld zu tun hat. Der rechtskonservative Tech-Milliardär Peter Thiel ist ein großer Förderer von ihm. Thiel hatte J. D. Vance einst bei seiner Firma "Mithril Capital" angestellt und später massiv in Vances eigenen Fonds "Narya Capital" investiert. Thiel brachte Trump und den einstigen Trump-Kritiker Vance erstmals im Jahr 2021 zusammen. Schließlich spendete Thiel mehr als 15 Millionen Dollar für Vances Wahlkampf und trug damit erheblich zu dessen erfolgreicher Wahl zum Senator bei den Midterms 2022 bei.

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Auch der weltweit vermögendste Mann gratulierte Donald Trump zu seiner "exzellenten Entscheidung": Elon Musk. Er hatte sich im Hinblick auf die US-Wahl zwar längst für Trump ausgesprochen. Der Multimilliardär machte aber kein Geheimnis daraus, dass er den ehemaligen US-Präsidenten eigentlich für zu alt hält. Musk hatte sich darum zunächst für Floridas Gouverneur Ron DeSantis starkgemacht.

Nachdem dessen Kandidatur kläglich gescheitert war, wirkt J. D. Vance als Vizekandidat wie ein versöhnlicher Kompromiss angesichts Musks offensiver Unterstützung für Trump. Kurz nach der Bekanntgabe des Vizekandidaten wurde bekannt, dass Musk offenbar plant, fortan pro Monat 45 Millionen Dollar für den gemeinsamen Wahlkampf zu spenden.

Das Geld dieser beiden einflussreichen Milliardäre ist damit so etwas wie die Mitgift, die J. D. Vance in diese politische Ehe mitbringt. Vance ist zudem ein glaubhafter Vertreter jener libertär-autoritären Ideen, denen Männer wie Trump, Musk und Thiel unter dem Deckmantel des Freiheitsbegriffs nachhängen. Thiel etwa schrieb schon 2009: "Ich glaube nicht mehr, dass Freiheit und Demokratie vereinbar sind".

J. D. Vance ist zahm geworden

Nicht zuletzt dürfte für Trump auch eine wichtige Rolle gespielt haben, dass er J. D. Vance inzwischen für komplett kontrollierbar hält. Vor einigen Jahren hatte der ihn noch als "Amerikas Hitler" bezeichnet und davor gewarnt, Trump zu wählen. Doch später entschuldigte sich der junge Mann aus Ohio vielfach öffentlich und bekundete seine Unterstützung für ihn. Nach dem Attentat auf Donald Trump war J. D. Vance wohl darum auch einer der ersten, die in den sozialen Medien schrieben, dass Präsident Joe Biden letztlich für den versuchten Mord an Trump verantwortlich sei.

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Wie glaubhaft diese Unterwerfungs- und Loyalitäts-Gesten für Trump sind, zeigt sich auch daran, dass sich sein Sohn Donald Trump Junior schon lange öffentlich für den jetzigen Vizekandidaten einsetzt, der etwa im gleichen Alter wie er ist. J. D. Vance ist quasi "approved by the Trump-Family", also offiziell genehmigt vom verschworenen Clan aus Mar-a-Lago.

J. D. Vance als Vizekandidat spiegelt insgesamt das gewachsene Selbstbewusstsein Donald Trumps. Die Personalie ist eine Wahl mit Risiken, die andeutet, dass Trump sich politisch derzeit für unverwundbar hält. Das liegt auch an der großen Krise der Demokraten. Sollten Joe Biden, Kamala Harris und die Demokraten in den Umfragen weiterhin so schlecht abschneiden, könnte es am 5. November darum sogar egal sein, ob Trumps Entscheidung für J. D. Vance eigentlich ein Fehler war oder nicht. Das spielt dann schlicht keine Rolle. Bei den Demokraten keimt aber bereits eine Hoffnung: Sie sprechen von Trump und Vance als einem Extremisten-Duo, das sie plötzlich glauben, schlagen zu können.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen vor Ort
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