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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ron DeSantis gegen Donald Trump Eiskalter Absturz
Ron DeSantis galt als Hoffnungsträger und Alternative zu Donald Trump. Doch in Iowa zeigt sich, warum das Weiße Haus für den Mann aus Florida vielleicht eine Nummer zu groß sein könnte.
Bastian Brauns berichtet aus Des Moines, Iowa
Ein kleiner Junge in der ersten Reihe traut sich. Er stellt dem Gouverneur von Florida eine unpolitische Frage: "Was ist denn Ihre Lieblings-Baseball-Erinnerung?"
Für einen Profi wie Ron DeSantis ist solch eine Frage eigentlich ein Glücksfall, fast ein Geschenk. Bei der Wahlkampfveranstaltung in einem kleinen Vorort von Des Moines im Bundesstaat Iowa könnte er jetzt auftrumpfen, zeigen, dass er nicht nur ein erfolgreicher Politiker, sondern auch ein Mensch mit Leidenschaften ist. Immerhin war DeSantis selbst zu Schulzeiten ein hochtalentierter Baseballspieler.
Doch der Junge überrascht ihn offenbar. "Wow, meine Lieblings-Baseball-Erinnerung? Ja. Also. Weißt du. Also geht es darum, dass ich selbst Baseball gespielt habe, oder dass ich mir ein Baseballspiel angesehen habe?" Der kleine Junge gibt DeSantis noch eine Chance. "Beides!", sagt er.
Steilvorlagen für DeSantis
Doch dieser mächtige Politiker vor ihm, der 2024 US-Präsident werden will, stammelt weiter: "Okay, also das war vielleicht, als ich noch im College war. Weißt du, der Vater von einem Freund war der Manager der Boston Red Sox. Darum musste ich zu vielen Spielen gehen. Darum war ich bei einem Spiel im Yankee-Stadion. Das muss 1999 gewesen sein. Oder 2000." Der junge Fragesteller in der ersten Reihe war da noch nicht mal geboren.
Über Minuten hinweg ergeht sich DeSantis in sportlichen Allgemeinplätzen. Dabei wirkt es, als wollte der Junge einfach nur wissen, wofür dieser wichtige Mann wirklich brennt. Als wollte er eine Geschichte hören, mit der er sich identifizieren kann. Aber selbst als DeSantis über seine eigene Baseballspieler-Zeit spricht, schafft er es nicht, zu begeistern. "Weißt du, ich habe auf dem College selbst Baseball gespielt. Und ich habe wirklich ein paar gute, gute Erinnerungen. Aber auch ein paar, ein paar, ähm, Niederlagen." Aber das Baseballstadion, in dem er einen großen Homerun hatte, sei für ihn das "Taj Mahal".
In dem kleinen Veranstaltungsraum ist es so still, dass der pfeifende Eiswind des aufkommenden Blizzards in den Fensterritzen zu hören ist. Dann klatschen ein paar Menschen. Es wirkt so, als würden sie es machen, um das, was sie gerade gesehen haben, ganz schnell wieder zu vergessen. Ein bescheidener Applaus, nur um die peinliche Stille zu durchbrechen.
Das Ende großer Ambitionen
So unpolitisch die Baseball-Frage des kleinen Jungen aus Iowa auch scheint, so politisch entscheidend ist die Reaktion von Ron DeSantis. Denn sie bestätigt die Vorurteile gegen jenen Mann, der es wagt, ausgerechnet den begnadeten Entertainer Donald Trump herauszufordern. Es ist das, was die amerikanischen Medien als "fehlendes Charisma" bezeichnen.
Der Mann wirkt inzwischen fast übertrainiert, spontan sein kann er kaum mehr. In einem geleakten Coaching-Video wurde vor einiger Zeit sogar öffentlich, dass DeSantis angewiesen wurde, sich das Wort "likeable", also liebenswert auf seine Sprechzettel notieren soll. Nur, damit er nicht vergisst, dass er sympathisch rüberkommen soll.
Gerade für einen wie Ron DeSantis hätte, um im Bild zu bleiben, die Baseball-Frage ein politischer Homerun sein können. Doch was ihm passierte, bezeichnen die Baseball-Regeln als "Error", ein Fangfehler, der spielentscheidend sein kann. Oder, übertragen auf eine Sportart, die den Deutschen mehr liegt: Elfmeter verschossen. Dabei lautet sein Motto, das in Iowa zählen soll: "Keine Entschuldigungen. Nur Ergebnisse."
Wenn am Montagabend (Ortszeit) in den USA die Ergebnisse der Iowa Caucuses, der ersten Vorwahlen eintreffen, kann es das für Ron DeSantis bereits gewesen sein. Vom direkten Verfolger Donald Trumps ist er in der letzten offiziellen, veröffentlichten Umfrage mit 16 Prozent sogar auf den dritten Platz abgerutscht. Das Momentum, das zumindest eine Chance gegen Trump offen hält, könnte an Nikki Haley gehen, die inzwischen mit 20 Prozent an ihm vorbeigezogen ist.
Ein schlechtes Ergebnis in Iowa kann eine negative Lawine in Gang setzen, die DeSantis zum Aufgeben buchstäblich zwingen wird. Spender könnten sich zurückziehen, Tausende freiwilliger Wahlhelfer könnten sich entscheiden, ihre Zeit lieber einem anderen Kandidaten zu widmen. Denn besser wird es für DeSantis erst einmal nicht mehr. Im nächsten Bundesstaat, der bei den Vorwahlen dran ist, New Hampshire, liegt er zumindest in den Umfragen sogar abgeschlagen auf Platz fünf. Es bleiben am Ende Umfragen. Entschieden wird am Wahltag. Und charmantes Auftreten macht einen wichtigen Teil aus, bedeutet aber auch nicht alles.
Die Chance der Trump-Skeptiker
Randy Weisheit etwa will trotzdem für Ron DeSantis abstimmen. Gemeinsam mit seiner Frau Sheryl ist er zu dem Wahlkampf-Event gekommen. Geboren und aufgewachsen ist er in Florida und fühlt sich dem Bundesstaat nach wie vor verbunden. "Als Gouverneur ist seine Politik extrem effektiv und er entwickelt sich", sagt Weisheit. Von Politikern erwarte er keine Perfektion, aber den Willen, dazuzulernen. "Ich schätze an DeSantis, dass es bei ihm nicht die ganze Zeit um seine gemeinen Twitter-Beiträge geht. Das unterscheidet ihn von Trump."
2016 und 2020 hat Randy Weisheit noch für Donald Trump gestimmt. Mit seiner Frau flog er damals sogar nach Washington, um bei Trumps Inauguration, der Amtseinführung, dabei zu sein. Aber das hat sich verändert. "Trump ist nicht mehr effizient. Er bietet den Demokraten viel zu viel Angriffsfläche. Sie werden ihn immer weiter und so hart bekämpfen, dass Trump gar keine richtige Politik mehr machen kann." Was Rand Weisheit sagt, passt zum Slogan von DeSantis. Auf jeder Bühne sagt er: "Donald Trump kümmert sich um seine eigenen Probleme. Nikki Haley kümmert sich um ihre Spender. Ich aber kümmere mich um eure Probleme."
Plötzlich unterbricht Weisheit das Gespräch. Ron DeSantis schiebt sich vorbei und gibt Randy die Hand. "Herr Gouverneur, Herr Gouverneur, alles gut?" DeSantis sagt: "Yeah, yeah" und ist bereits weitergelaufen. Randy ruft noch hinterher: "Ich weiß, dass Sie unser Baseballspielfeld unten in Florida sehr gemocht haben, oder?" Aus der Entfernung ist DeSantis noch zu hören, wie er sagt: "Ich weiß. Ich weiß." Dann ist er verschwunden. Randy sagt, dass DeSantis ihm mal erzählt habe, wie sehr er das Spielfeld von Randys alter Highschool mochte. Denn das sei kleiner gewesen als andere. Da wären die Homeruns deshalb viel leichter gewesen.
Randys Frau Sheryl ist sich noch unsicher, für wen sie stimmen will. Sie sagt aber, dass für sie Nikki Haley am ehesten infrage kommen würde. "Es ist gut, dass Nikki Haley versucht, das Abtreibungs-Thema abzuräumen", sagt sie. Haley hatte zuletzt immer wieder betont, dass diese schwierige Thema nicht politisiert werden dürfe und die Entscheidung letztlich nicht von einer Regierung in Washington getroffen werden dürfte.
Die Demokraten würden das in den kommenden Präsidentschaftswahlen zu einem Hauptangriffspunkt gegen die Republikaner machen, meint Sheryl Weisheit. Ron DeSantis habe das noch nicht ausreichend erkannt. "DeSantis würde ich wählen wegen seiner Pläne zur Sicherung der Grenze", sagt Sheryl. Die Abschiebung illegaler Einwanderer ist ihr wichtig und darum stellte sie DeSantis diese Frage auch. Der Gouverneur verspricht ihr, nicht nur die Grenze nach Mexiko zu schließen, sondern auch in großem Stil abzuschieben.
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So wichtig ihr die Grenzpolitik sei, sagt Sheryl später: "Nikki Haley wäre trotzdem meine Herzensentscheidung."
Zurück ins Warme
Das Ehepaar will zwar keinesfalls für Donald Trump stimmen. Das gilt aber nur für die Vorwahlen. "Wir sind Republikaner", sagt Randy. "Wenn es am Ende Trump wird, werden wir wieder ihn wählen", sagt Sheryl. Etwas anderes kommt für beide nicht infrage. Denn am Ende zählt für sie, dass für Amerika konservative Politik gemacht wird.
Für Ron DeSantis sind Wähler wie die Weisheits aus Iowa eigentlich ein Heimspiel. So wie die Frage des kleinen Jungen aus der ersten Reihe müsste er die angebotene Chance einfach nutzen. Ein früherer Freund aus ihrer gemeinsamen Baseballzeit am College sagte einmal über ihn: "Sein Ziel war es schon damals, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden." Und: "Viele Dinge, über die wir damals gesprochen haben, waren abwegig. Und vieles davon ist eingetreten."
Im Schnee vereisten Iowa, so scheint es derzeit, geht Ron DeSantis College-Traum zumindest langsam Ende. "Normalerweise würde ich Florida im Januar nicht verlassen, um nach Iowa zu reisen", versucht er noch zu witzeln. Vielleicht ist das bereits ein erstes Zeichen. Vielleicht braucht DeSantis einfach höhere Temperaturen und kleinere Spielfelder, um einen Homerun zu landen.
- Eigene Recherchen vor Ort