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Drohender Shutdown in den USA: Steht Joe Biden das durch?


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Drohende Zahlungsunfähigkeit in USA
Die kalkulierte Katastrophe

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

29.09.2021Lesedauer: 5 Min.
Präsidentschaft in Gefahr: Joe Biden muss den Shutdown abwenden.Vergrößern des Bildes
Präsidentschaft in Gefahr: Joe Biden muss den Shutdown abwenden. (Quelle: imago-images-bilder)
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Die USA könnten schon in wenigen Tagen zahlungsunfähig werden – mit dramatischen Folgen für die ganze Welt.

In Washington vergeht für Joe Biden derzeit kaum eine Woche, ohne dass sich die nächste Katastrophe anbahnt. Die neueste heißt Shutdown. Das bedeutet: Die USA könnten bereits im Oktober zahlungsunfähig werden – mit dramatischen Auswirkungen weit über die Vereinigten Staaten hinaus.

Republikaner und Demokraten liefern sich im Kongress ein riskantes Spiel. Dabei geht es um die Bewilligung einer höheren Schuldenobergrenze und eine daran geknüpfte reguläre Verabschiedung des Staatshaushalts. Können sich beide Parteien bis Ende der Woche nicht einigen, droht nicht zum ersten Mal in der Geschichte der USA eine Haushaltssperre, in deren Folge die Bundesverwaltung teilweise oder weitgehend stillgelegt werden muss, weil viele staatliche Ausgaben schlicht nicht mehr finanziert werden können.

Bidens Finanzministerin Janet Yellen schlug am Dienstag deshalb heftig Alarm: Ein Shutdown "wäre verheerend für die amerikanische Wirtschaft, für die globalen Finanzmärkte und für Millionen von Familien und Arbeitern." Betroffen wären etwa Sozialversicherungsleistungen oder Gehälter von Soldaten.

Das politisch riskante Spiel könnte außerdem die Finanzmärkte erschüttern. Mit Ansteckungsgefahren für die ganze Welt. "Es wäre eine selbst zugefügte Wunde von enormen Ausmaßen", so Yellen. In einem Brief beschwor sie den Kongress, "so schnell wie möglich zu handeln".

Aber worum geht es konkret? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was hat es mit den Shutdowns auf sich?

Immer dann, wenn die Mittel für den Haushalt auslaufen, müssen sich der Senat, das Repräsentantenhaus und der Präsident auf die Bewilligung weiterer Gelder einigen. Dafür müssen sie ein entsprechendes Gesetz beschließen, und zwar vor dem Beginn des neuen Haushaltsjahres am 1. Oktober. Also dieses Jahr am Freitag. Einigen sich Demokraten und Republikaner nicht bis Donnerstag, geht dem Staat um Mitternacht buchstäblich das Geld aus.

Bis auf wenige essenzielle Bereiche, wie etwa Polizei, Grenzschutz, Flugsicherung oder Justiz werden Staatsangestellte des Bundes dann in den unbezahlten Zwangsurlaub geschickt. Bedienstete, die für die Arbeit des Präsidenten notwendig sind, müssen weiterarbeiten, allerdings ohne Gehalt. Ob Nasa, Nationalparks oder Museen – es kann ansonsten alle bundesstaatlichen Bereiche treffen, die nicht für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung benötigt werden.

Worum geht es dieses Mal?

Die Demokraten haben die turnusmäßige Verlängerung der Finanzierung des Bundes an ein weiteres Gesetzesvorhaben gekoppelt. Sie wollen das sogenannte "debt ceiling", also die generelle Schuldenobergrenze erhöhen. Letztlich, um die schweren Investitionsvorhaben des US-Präsidenten finanzieren zu können. Für Joe Biden hängt daran maßgeblich der Erfolg seiner "Build back better"-Agenda und damit seiner gesamten Präsidentschaft. Die Republikaner sind dagegen, Schulden in einem so hohen Umfang aufzunehmen.

Um Druck auf die Republikaner aufzubauen, knüpfen die Demokraten an die höhere Schuldenaufnahme auch die milliardenschweren Katastrophenhilfen für jene Bundesstaaten, die von Hurrikan Ida betroffen waren. Lehnen die Republikaner also das Gesetz ab, so das Kalkül, sind sie politisch verantwortlich dafür, dass die Hurrikanopfer keine Hilfen erhalten. Den Köder haben die Republikaner aber nicht geschluckt und das Gesetz am Montag im Kongress durchfallen lassen. Somit steht nun auch die Standard-Finanzierung der grundlegenden Staatsausgaben auf der Kippe.

Warum blockieren die Republikaner?

Im Grunde geht es um zwei entgegengesetzte und daher kaum zu vereinbarende Philosophien: Die Demokraten glauben daran, mit schuldenfinanzierten Investitionen den Klimawandel und die Armut zu bekämpfen, das Sozial- und Gesundheitssystem zu stärken, sowie die Infrastruktur in Schuss zu bringen. Am Ende, so die Hoffnung, stärkt das die Wirtschaft langfristig und schafft Arbeitsplätze. Dadurch steigen wiederum die Steuereinnahmen, was die Schulden auf lange Sicht wieder sinken lässt. Die Republikaner hingegen wollen so wenig staatliche Einmischungen wie möglich und stehen Sozialausgaben grundsätzlich kritisch gegenüber.

Das mögliche Kalkül der Republikaner ist es, eine ihrer wichtigsten Erzählungen weiterzuverfolgen: Demokraten können nicht mit Geld umgehen und verhalten sich beim Schuldenmachen vollkommen unverantwortlich. Denn es ist davon auszugehen, dass die Demokraten einen Shutdown wegen der dramatischen Folgen nicht zulassen werden. Sie könnten deshalb ein derart modifiziertes Gesetz einbringen, das die Stimmen der Republikaner im Senat nicht benötigt. Sie könnten dann mit der einen, entscheidenden Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris die Schuldenobergrenze dennoch erhöhen. Dann aber wären sie politisch alleine dafür verantwortlich, so wie die Republikaner es sich wünschen.

Tatsächlich müsste der Kongress die Schuldenobergrenze auch ohne Bidens Infrastrukturprogramme erhöhen, weil ohnehin zu wenig Steuereinnahmen vorhanden sind – unter anderem, weil die einst von Donald Trump und den Republikanern veranlassten Steuersenkungen aus der vergangenen Legislatur negativ zu Buche schlagen.

Warum umgehen die Demokraten den Shutdown nicht sofort?

Auch bei den Demokraten gibt es unterschiedliche Vorstellungen davon, wie hoch die Schulden sein sollen, um die geplanten Investitionen zu finanzieren. Unter anderem gibt es mit Joe Manchin einen Senator aus West Virginia, der hohen Staatsausgaben ähnlich kritisch gegenübersteht wie die Republikaner. Weil die Demokraten wegen der hauchdünnen Mehrheit aber auf jede Stimme im Senat angewiesen sind, müssten sie erst diesen internen Streit beilegen.

Je länger der Shutdown dauern würde, desto größer würde der Druck auf die Demokraten. Denn wenn die Republikaner einfach stur bleiben und sie selbst sich ebenfalls nicht einigen können, stünden die Demokraten am Ende womöglich als die Hauptverantwortlichen für die staatliche Finanzierungskrise am Pranger. Und damit auch der US-Präsident.

Welche Folgen hätte ein Shutdown?

Die Warnung von Finanzministerin Yellen vor den ökonomischen Auswirkungen eines Shutdowns ist nicht falsch. Bis zu 1,3 Millionen Arbeitnehmern drohen lange Zahlungsverzögerungen – in einem Land, in dem es durchaus üblich ist, dass Gehälter wöchentlich ausgezahlt werden. Zahlreiche Menschen würden erhebliche Probleme mit ihren Finanzen bekommen. Rund 800.000 Staatsbedienstete dürften schlicht nicht arbeiten. Die übergroße Mehrheit der Amerikaner aber würde persönlich nichts von den Auswirkungen spüren. Es sei denn, sie wollten gerade einen Nationalpark oder ein Museum besuchen.

Es steht dennoch mehr auf dem Spiel. Denn unter den Folgen würde das Vertrauen der Bevölkerung und der Finanzmärkte leiden. Die Glaub- und Kreditwürdigkeit der USA würde empfindlich unter Druck geraten. Das Wirtschaftswachstum kann sich zudem verlangsamen – und das in einer Zeit der Pandemie, in der jegliches Wachstum umso dringender gebraucht wird. Unterm Strich entstehen durch einen Shutdown noch höhere Staatsausgaben als ohne ihn.

Warum werden Shutdowns als politisches Druckmittel eingesetzt?

Tatsächlich sind Shutdowns spätestens seit der Ära von Bill Clinton zu einer Art politischen Knochensäge in Washington avanciert. In den Neunzigerjahren blockierte ein von den Republikanern geführter Kongress unter deren Sprecher Newt Gingrich den Präsidenten. Ziel war es, Clinton dazu zu zwingen, Sozialleistungen zu kürzen. Das Vorhaben scheiterte zwar, aber nach einem 21-tägigen Kampf machte das Projekt bei den Republikanern Schule und wurde zur deren Allzweckwaffe.

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So wurde auf diese Weise Barack Obama dazu gezwungen, empfindliche Kürzungen an seinen Vorhaben vorzunehmen. Donald Trump drehte den Spieß während seiner Präsidentschaft sogar um. Stolz erpresste er den Kongress damit, das Land höchstpersönlich in den Shutdown zu schicken, wenn seinem Vorhaben, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu bauen, nicht zugestimmt würde. Das Resultat war ein neuer Negativrekord für die Betroffenen: Ausgerechnet über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel 2018/2019 zahlten Bundesbehörden 35 Tage lang keine Gehälter mehr aus.

Wie schlimm sind die Shutdowns am Ende wirklich?

Das Instrumentarium mag brutal sein, doch wurde bislang schließlich immer noch auf den letzten Metern ein Kompromiss gefunden. Selbst Donald Trump ließ seinen herbeigeführten Shutdown schließlich ruhen, nachdem der Kongress sich doch noch zu einer Lösung durchgerungen hatte.

Im Magazin "Atlantic" wurden die Haushaltssperren deshalb einst etwas lyrisch beschrieben: Shutdowns würden in Washington letztlich kommen und gehen "wie Kirschblüten" beim National Cherry Blossom Festival oder wie die immer wiederkehrenden "Brände in der Metro".

Um in diesem Bild zu bleiben: Es steht dieses Mal mehr auf dem Spiel. Denn ob Joe Biden einen Feuerlöscher findet, ist noch unklar. Misslingt es ihm, die eigene Partei für seinen Plan zu einen, steht nicht die Washingtoner Metro in Flammen, sondern das Weiße Haus und seine Präsidentschaft.

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