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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trump-Gegnerin Cheney Sie sagt die Wahrheit – das ist ihr Verhängnis
Die mächtige Republikanerin Liz Cheney sagt Donald Trumps Lügen über die Präsidentschaftswahl den Kampf an. Das kostet sie nun ihr Amt – und womöglich ihre politische Karriere.
Auf ihren letzten Metern nahm sie kein Blatt vor den Mund. Donald Trumps Lügen über die vergangene Wahl stellten für die US-Demokratie eine "Bedrohung" dar, "wie es sie noch nie gab". Er habe "die Wahl stehlen" wollen. Und wer seine Lügen decke, "ermutigt den Lügner" nur.
Es war keine Demokratin, die spät am Dienstagabend im US-Kongress so redete, sondern eine der mächtigsten Republikanerinnen – noch. Denn ihr Widerspruch zu Trump wird Liz Cheney nun mit hoher Wahrscheinlichkeit ihr Amt kosten und bis auf Weiteres ihre politische Karriere in der Partei.
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Die Tochter des berüchtigten einstigen Ex-Vizepräsidenten Dick Cheney und die aktuelle Nummer drei der Republikaner im US-Repräsentantenhaus soll abberufen werden. Schon am Mittwoch dürfte es so weit sein.
In Washington ist man sich sicher, dass eine Mehrheit gegen die 54-Jährige steht. Der Tag markiert damit nicht nur den jähen Stopp einer republikanischen Karriere, sondern er verdeutlicht auch, wie groß die Macht des abgewählten Trump und seiner Verschwörungstheorien über seine Partei weiterhin ist.
Die Republikaner kehren zu Trump zurück
Cheney, eine Hardlinerin in der Außen- und Sozialpolitik, gilt vielen Republikanern wegen ihrer klaren Worte gegen Trump nun als Verräterin. Sie hatte im Januar den Bruch mit ihm vollzogen, nachdem dessen Anhänger gewaltsam das Kapitol gestürmt hatten. Kurz darauf stimmte sie dafür, Trump des Amtes zu entheben – als eine von nur zehn Republikanern in der über 200-köpfigen Fraktion.
Trumps treue Anhänger hatten daraufhin im Februar erstmals versucht, sie von ihrem Posten zu entfernen. Damals scheiterten sie noch: Cheney gewann die geheime Abstimmung mit 145 zu 61 Stimmen. Dann passierten zwei Dinge.
Zum einen schwenkten wichtige Republikaner um, allen voran Kevin McCarthy, der Anführer der Republikaner im Repräsentantenhaus. Im Januar hatte auch er gesagt, Trump trage Verantwortung für die Gewalt im Kapitol. Doch bald schon flog McCarthy nach Mar-a-Lago, um sich mit Trump zu zeigen.
Trump ledert wieder los
Der Mann aus Kalifornien hat ein klares Ziel: Er will mit Trumps Hilfe die Halbzeitwahlen 2022 gewinnen und dann selbst mächtiger "Speaker" im Repräsentantenhaus werden. Schließlich ist Trump an der Parteibasis weiterhin beliebt – dort glaubt auch eine Mehrheit seine Theorien über einen angeblichen Wahlbetrug.
Über den 6. Januar will McCarthy gar nicht mehr reden und so geht es plötzlich sehr vielen Republikanern. Sie wollen den Anschlag auf die Demokratie weder thematisieren noch im Parlament aufklären. Als Liz Cheney dennoch weiterhin Trump in der Sache widersprach, rückte Anführer McCarthy von ihr ab. In der vergangenen Woche entzog er seiner Nummer drei dann auch in aller Öffentlichkeit das Vertrauen.
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Zum anderen ließ Trump einfach nicht locker. Immer wieder teilte er in Gesprächen in Mar-a-Lago und in seinen Pressemitteilungen gegen Cheney aus. Seit Anfang Mai spricht Trump wieder häufiger von einer angeblich gestohlenen Präsidentschaftswahl im November. Seine Pressemitteilungen drehten sich in den vergangenen zwei Wochen oft um die, wie er es am Sonntag formulierte, "Fake-Präsidentschaftswahl".
Eine Nachfolgerin von Trumps Gnaden
Ihr Mandat im Kongress hat Cheney noch bis Ende 2022 inne – bis vor Kurzem galt ihre Wiederwahl im konservativen Bundesstaat Wyoming als sicher. Doch Trump machte bereits klar, dass er einen innerparteilichen Konkurrenten gegen Cheney ins Rennen schicken werde. Seine Widersacherin soll nicht nur das Amt in der Partei, sondern auch ihren Sitz im Kongress verlieren.
Cheney hofft laut Beobachtern darauf, dass der Wind in der Partei noch einmal drehen könnte – und sie dann als eine der wenigen Aufrechten dastehen könnte, die Trumps Unwahrheiten die Stirn geboten haben. Vor einer Woche schrieb Cheney einen Meinungsbeitrag in der "Washington Post". Ihr politisches Schicksal war ihr da bereits klar. Sie werde den demokratischen Prozess beschützen, schrieb Cheney, "egal wie die kurzfristigen politischen Konsequenzen ausfallen".
Ihre Nachfolgerin soll die relativ unbekannte Abgeordnete Elise Stefanik aus dem Bundesstaat New York werden. Auf vielen Politikfeldern ist die 36-Jährige deutlich gemäßigter als Cheney. Doch das ist bei den Republikanern nur noch zweitrangig. Stefaniks wichtigste Qualifikation: Sie steht treu an der Seite Donald Trumps.
- Eigene Recherchen
- Liz Cheneys Meinungsbeitrag in der "Washington Post"