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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trumps Mann für die Ukraine Kann ein Ex-General Selenskyj retten?
Ein Ex-General als Donald Trumps "Friedensgesandter" in der Ukraine? Keith Kellogg steht vor der wohl größten diplomatischen Herausforderung seiner Karriere: Einen eskalierenden Krieg in Europa zu beenden.
Bastian Brauns berichtet aus New York
Vor fast einem Jahrhundert erhielt der frühere US-Außenminister Frank B. Kellogg den Friedensnobelpreis für seinen Kellogg-Briand-Pakt von 1928. Es war ein ehrgeiziger, zuletzt nicht von Erfolg gekrönter Versuch, Kriege zu ächten. Rund ein Jahrzehnt später überfiel Deutschland im Jahr 1939 seinen Nachbarn Polen und stürzte die Welt in den Zweiten Weltkrieg.
Obwohl Kritiker Kelloggs Plan deshalb später als utopisches Vorhaben abtaten, signalisierte der Pakt den ernsthaften Wunsch nach globaler Stabilität angesichts der schrecklichen Verwüstungen des Ersten Weltkriegs.
Rund hundert Jahre später soll sich wieder ein Kellogg aus Amerika um den Frieden in der Welt bemühen. Dieses Mal lautet sein Name Keith Kellogg. Zu Frank B. Kellogg, dem ehemaligen Staatsmann, hat der US-General im Ruhestand zwar keine familiären Verbindungen. Aber nachdem Donald Trump ihn an diesem Mittwoch zum "Sondergesandten für die Ukraine und Russland" ernannt hat, steht er gewissermaßen vor einer weitaus größeren Herausforderung:
Keith Kellogg soll einen Krieg beilegen, der längst zu einer globalen Krise zu eskalieren droht.
Militärischer Hintergrund trifft auf diplomatische Mission
Dem Ex-US-General eilt ein Ruf als harter, nüchterner Militärstratege voraus. Und damit scheint Kellogg perfekt zu Trumps außen- und sicherheitspolitischen Vorhaben zu passen. Denn seine Nominierung folgt Trumps Muster, ein außenpolitisches Team zusammenzustellen, das seine Weltanschauung teilt. Neben Kellogg sollen auch sein neuer Nationaler Sicherheitsberater Mike Waltz und sein künftiger Außenminister Marco Rubio eine Schlüsselrolle spielen, um Trumps Vision für die Rolle Amerikas auf der Weltbühne umzusetzen. Hier lesen Sie mehr zu Mike Waltz.
Im Zentrum dieser Strategie steht Trumps Mantra "Peace through Strength" ("Frieden durch Stärke"). Dass Trump mit Kellogg einen dekorierten Veteranen mit jahrzehntelanger Militärerfahrung auf eine diplomatische Mission schickt, kann bereits als symbolischer Ausdruck dieser Maxime angesehen werden. Kellogg gilt seit Langem als zuverlässiger Verbündeter von Trump. Er diente schon als Nationaler Sicherheitsberater des früheren Vizepräsidenten Mike Pence und hatte damit bereits in Trumps erstem Kabinett eine wichtige beratende Funktion.
Mit der Sicherheitspolitik und der Militärlogistik ist Kellogg bestens vertraut. Was ihn für seine neue Rolle als Ukraine-/Russland-Gesandter besonders geeignet macht, ist seine Übereinstimmung mit Trumps außenpolitischer Doktrin, die amerikanischen Interessen in jeder Hinsicht Vorrang einräumt und gleichzeitig konventionelle diplomatische Normen infrage stellt.
Frühe Kritik an Joe Bidens Ukraine-Strategie
In Aufsätzen, Interviews und anderen öffentlichen Äußerungen hat Kellogg die scheidende Regierung Bidens schon früh für ihr vermeintliches Zögern bei der Bereitstellung robuster militärischer Unterstützung für die Ukraine kritisiert. Noch im Juli dieses Jahres sagte er in einem Interview mit "Voice of America": "Die Unentschlossenheit der Biden-Regierung hat Gegner wie Russland ermutigt. Führung bedeutet, entschlossen zu handeln. Untätigkeit ist auch eine Entscheidung – oft die falsche."
Und weiter: "Haben die Vereinigten Staaten der Ukraine eine Unterstützung mit F-16 (Kampfflugzeugen) gegeben? Nein. Haben wir den Ukrainern frühzeitig weitreichende Waffen zur Verfügung gestellt, damit sie auf die Russen schießen können? Nein. Haben wir ihnen die Erlaubnis erteilt, tief nach Russland hineinzuschießen? Nein. Haben die Vereinigten Staaten ihnen die benötigten Panzerkapazitäten zur Verfügung gestellt? Wir haben 31 Panzer geliefert. 31 Panzer sind nicht einmal ein Bataillon in der Armee der USA. Es wird also nur darüber geredet, aber es hat in Wirklichkeit nicht stattgefunden."
Kelloggs Vision für die Ukraine und Russland
Der Ex-General setzt beim Ukraine-Krieg aber nicht nur auf militärischen Pragmatismus, sondern betont auch eine gezielte Verhandlungsführung. In seinem Aufsatz für "The National Interest" skizzierte er Ende 2023, wie eine von Trump geführte Ukraine-Strategie aussehen könnte. Er plädiert darin für sofortige Waffenstillstandsverhandlungen, gepaart mit einem klaren Bekenntnis zu Russlands geopolitischen Ambitionen. "Der Krieg muss für beide Seiten in Würde enden", schrieb Kellogg und betonte die Notwendigkeit einer Lösung, die die Souveränität der Ukraine respektiert und gleichzeitig den Sicherheitsbedenken Russlands Rechnung trägt.
Die vermeintlich einfache Formel von Kellogg, um Putin und Selenskyj an den Verhandlungstisch zu bekommen: Will der russische Präsident nicht verhandeln, bekommt die Ukraine noch mehr Waffen als bislang. Dem ukrainischen Präsidenten will er hingegen drohen, nichts mehr zu liefern, sollte er nicht verhandlungsbereit sein. Wie das funktionieren soll, ist allerdings fraglich.
Kellogg rief in diesem Rahmen auch dazu auf, die Rolle der Nato in Osteuropa neu zu bewerten. Er unterstützt zwar das Bündnis, warnt aber vor dessen Überdehnung, insbesondere vor der schnellen Expansion nach Osten. Diese Sichtweise deckt sich mit Trumps langjähriger Skepsis gegenüber der Nato, einer Institution, die er oft dafür kritisierte, dass sie den Vereinigten Staaten unverhältnismäßige Lasten aufbürde. Trumps Auslegung wirkt aber zugleich auch wie ein Echo der russischen Sichtweise, die Nato sei gewissermaßen schuld an der russischen, völkerrechtswidrigen Invasion der Ukraine.
Worin Kellogs Strategie schließlich münden soll, etwa in Gebietsabtretungen oder in einer verpflichteten Bündnis-Neutralität, ist unklar. Dass diese Optionen aber in den kommenden Monaten auf dem Tisch liegen werden, gilt als sicher.
Folgen für Scholz und Deutschland
Kelloggs Ernennung hat erhebliche Auswirkungen auf die europäische Politik, insbesondere auf Bundeskanzler Olaf Scholz und auch auf seine möglichen Nachfolger. Scholz wird im In- und Ausland für seinen zwar anwachsenden, zugleich aber maßvollen und oft vorsichtigen Ansatz bei der Unterstützung der Ukraine immer wieder kritisiert. Wie Biden wird auch Scholz vorgeworfen, er zögere bei der Bereitstellung militärischer Hilfen (etwa bei Panzerlieferungen oder bei Taurus), obwohl er sich für die Unterstützung der Ukraine einsetzt. Das, was Scholz über fast drei Kriegsjahre hinweg als "besonnenes" Handeln im Gleichschritt mit Biden lobte, könnte ihn am Ende seiner Amtszeit aus dem Takt bringen.
Ein womöglich aggressiveres Vorgehen der USA unter der Führung von Donald Trump, Mike Waltz, Marco Rubio und Keith Kellogg birgt schon jetzt die Gefahr einer Spaltung innerhalb der Nato und des Unterstützerbündnisses. Als sicher gilt, dass insbesondere der Druck auf Berlin steigen wird, die Unterstützung für die Ukraine zu verstärken – militärisch, aber auch finanziell.
Für den Bundeskanzler könnte sich Trumps Nominierung von Kellogg als zweischneidiges Schwert erweisen. Einerseits könnte eine mögliche Lösung des Konflikts den immensen wirtschaftlichen und politischen Druck, dem Europa infolge des Krieges ausgesetzt ist, verringern. Andererseits könnte eine von Trump geführte Strategie die europäischen Stimmen ins Abseits drängen, insbesondere wenn sie den Verhandlungen zwischen den USA und Russland Vorrang vor einem breiteren Konsens einräumen.
Die Folgekosten, auch in Bezug auf eine künftige Sicherheitsarchitektur in Europa, dürfte der Kontinent zumindest während der Trump-Präsidentschaft hauptsächlich selbst tragen müssen. Ob Keith Kellogg wie sein Namensvetter vor hundert Jahren den Friedensnobelpreis bekommen wird, ist jedenfalls eine viel zu verfrühte Spekulation. Die Hoffnung ist aber schon jetzt groß, dass sein möglicher Plan zumindest den globalen Frieden länger wahren kann als damals.
- Eigene Recherchen
- voa.com: "Former Trump NSC official explains his vision for ending war in Ukraine" (englisch)
- nationalinterest.org: "What Donald Trump's Ukraine Strategy Could Look Like" (englisch)