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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Düstere Warnung vor Trump Obama macht klar: Es geht um alles
Barack Obama hält sich nicht mehr zurück: Donald Trump werde die US-Demokratie niederreißen, bläut er seiner Nation ein. Danach wird es historisch. Der dritte Abend des Demokraten-Parteitags.
An Warnungen vor Donald Trump mangelt es nicht. Nicht in diesen Wochen und schon gar nicht auf dem Parteitag der US-Demokraten, der seit Montag läuft. Doch dann kam Barack Obama und machte es vor den Augen der Nation eindringlich wie nie: Trumps Regierung, sagte der Ex-Präsident, "wird unsere Demokratie niederreißen, wenn das nötig ist, um zu gewinnen."
20 Minuten lang sprach Obama aus einem Museum in Philadelphia ohne Publikum vor Ort zu den Millionen an den Bildschirmen. Immer wieder trichterte er den Zuschauern ein, wie stark die US-Demokratie durch seinen Nachfolger im Weißen Haus bedroht sei: "Lasst euch nicht eure Demokratie wegnehmen." Obama, der große Rhetoriker, fesselte das Publikum – offenbar auch Trump selbst, der in Großbuchstaben live zurücktwitterte.
Es war nicht Obamas erste Attacke auf Trump, aber die grundlegendste. Seine Rede durchzog eine Angst um die Zukunft der Republik. Tatsächlich ist Amerika erschöpft von seinen Krisen, von Corona und der heftigen Wirtschaftskrise, die Millionen Existenzängste beschert. Von Polizeigewalt und Rassismus, der giftigen Spaltung und auch Trumps Dauerfeuer mit neuen Ungeheuerlichkeiten.
Neue Stufe der Auseinandersetzung
Obama wollte mit seiner Warnung Bürger, die erschöpft sind, zur Wahl motivieren. Trump setze auf einen Ermüdungseffekt und dass sich ein Zynismus einschleiche, sagte er, deswegen müsse man für das Recht kämpfen, überhaupt wählen zu können.
Die Welt hat miterlebt, wie Trump zuletzt die Briefwahl sabotieren wollte und schon präventiv Zweifel am Wahlergebnis sät. Zuvor sprach Hillary Clinton und mahnte, Trump werde die Wahl stehlen, wenn man ihn nur lasse. Obama machte es dann persönlich. Man hörte ihn schwer atmen, sah seine Augen immer wieder blinzeln.
Die Auseinandersetzung zwischen den US-Präsidenten 44 und 45 erreichte an diesem Mittwochabend eine neue Stufe. Trump lässt wenig unversucht, das Erbe seines Vorgängers von der Krankenversicherung Obamacare bis zu Klimaschutzvorgaben für Auto- und Energiebranche abzuräumen.
Es geht um Obamas Erbe
Er attackiert auch persönlich: So wie Trump einst Karriere machte mit der Verschwörungstheorie, Obama sei gar nicht in den Vereinigten Staaten geboren, wirft ihm er nun unablässig vor, seinen Wahlkampf ausspioniert zu haben, so auch im ersten Tweet, den er während Obamas Rede abschickte.
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Obama sagte, Trump sei nicht nur ein schlechter Präsident, ihm fehlten alle Voraussetzungen, überhaupt Präsident zu sein. Die Präsidentschaft habe er behandelt wie "eine weitere Realityshow, mit der er die Aufmerksamkeit bekommen kann, nach der er sich sehnt".
Obama tat natürlich auch das, wofür er gekommen war: Er lobte Trumps Gegner, seinen ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden. Er sprach über vergangene Zeiten, nannte ihn seinen "Freund" und "Bruder". Ein vor der Rede eingespieltes Video zeigte, wie Obama einem tränenreichen Biden nach den acht gemeinsamen Jahren im Weißen Haus die Freiheitsmedaille verlieh. Obama weiß: Um sein eigenes Erbe von Obamacare bis Klimapolitik doch noch zu retten, muss Biden die Wahl im November gewinnen.
Interessieren Sie sich für die US-Wahl? Unser Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.
Für Biden war es ein besonders wichtiger Auftritt: Obama ist noch immer der beliebteste Politiker im Land, weit vor ihm, und noch weiter vor Trump. Sein Wort hat Gewicht.
Während er Biden nun über den grünen Klee lobte und sagte, dieser habe ihn "zu einem besseren Präsidenten gemacht", hatte er in Wahrheit auch lange Zweifel an Bidens Eignung für die Präsidentschaft. Als es im Vorlauf zur Wahl 2016 um seine Nachfolge ging, ermutigte er Biden nicht eine Kandidatur zu wagen – was wohl den Ausschlag gab, dass Biden damals nicht antrat. Auch im parteiinternen Vorwahlkampf 2020 gab Obama keine ausdrückliche Wahlempfehlung für Biden. Damit wartete er, bis Biden sich aus eigener Kraft durchgesetzt hatte.
Obama überstrahlte Harris' großen Moment
Mit seiner eindringlichen Warnung vor Trump überstrahlte Obama allerdings sowohl sein eigenes Lob für Biden als auch die eigentlich als Höhepunkt gedachte Nominierungsrede von Kamala Harris. Die 55-Jährige ist auch schon als "weibliche Obama" bezeichnet worden. So wie er der schwarze Präsident wurde, kann sie die erste schwarze und die erste weibliche Vizepräsidentin werden.
Die Senatorin aus Kalifornien musste die wichtigste Rede ihres Lebens halten. Doch es ist eben kein leichtes Los, nach Obama zu sprechen. In einer, bis auf rund 30 Reporter, leeren Mehrzweckhalle in Bidens Heimatstadt Wilmington stellte sie ihre Biografie und Familie vor. Sie berichtete von ihrer Mutter aus Indien und ihrem Vater aus Jamaika, bis zu ihrer heutigen Patchworkfamilie. Es war ihre Vorstellungsrede an die Nation.
Sie betonte den Kampf gegen Diskriminierung und sagte: "Es gibt keinen Impfstoff gegen Rassismus. Wir selbst müssen die Arbeit erledigen." Harris sagte, es brauche "einen Präsidenten, der uns alle - Schwarze, Weiße, Latinos, Asiaten, Indigene - zusammenbringt, um die Zukunft zu erreichen, die wir uns gemeinsam wünschen". Solche Sätze sind, ähnlich wie Obamas Warnung, zur Mobilisierung ganz konkreter Wählergruppen gedacht. Auch Harris warnte vor Trumps Neigung, Amerikas Krisen noch zu verschärfen.
Doch die größtmögliche Fallhöhe hatte wenige Minuten zuvor schon Obama gesetzt. In Bezug auf den Wahltag des 3. November mahnte er: "Was wir in den nächsten 76 Tagen tun, wird Folgen haben für die Generationen, die nach uns kommen."
- Eigene Beobachtungen