Syrien-Politik der USA Pentagon will Truppen zu syrischen Ölfeldern schicken
Donald Trump behauptet, zahllose Leben in Syrien gerettet zu haben. Dabei hat er dem Chaos dort erst den Weg bereitet. Nun deutet sich eine Wendung an – die USA wollen Truppen in den Nordosten schicken.
Die USA wollen Ölfelder im Nordosten Syriens mit "zusätzlichen militärischen Mitteln" vor der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) schützen. Ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums erklärte am Donnerstag, die USA wollten ihre Position in der Region "in Koordination" mit den kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) verstärken. Damit solle verhindert werden, dass die Ölfelder wieder in die Hände des IS oder "anderer destabilisierender Akteure" fielen.
Das US-Magazin "Newsweek" berichtete am Donnerstag unter Berufung auf einen Pentagon-Vertreter, das Weiße Haus müsse den Plänen noch zustimmen. Das Verteidigungsministerium wolle bis zu 30 Abrams-Panzer und zusätzliche Soldaten zum Schutz der Ölfelder nach Syrien schicken. Ziel sei es, den IS, die syrische Regierung, den Iran und mit ihm verbündete Milizen von den Ölfeldern fernzuhalten. Der US-Sender Fox News berichtete, die zusätzlichen Kräfte würden aus einer Einheit kommen, die bereits im Nahen Osten stationiert sei.
Trump löst einen Sturm der Entrüstung aus
Donald Trump macht sich derweil die Welt, wie sie ihm gefällt. Erst ermöglicht der US-Präsident seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan den Einmarsch in Nordsyrien, um gegen die Kurdenmiliz YPG vorzugehen – den Verbündeten der USA im Kampf gegen die Terrormiliz IS. Zwei Wochen und viele Tote später stellt Trump sich nun als denjenigen dar, der den Frieden in der Konfliktregion gesichert und "das Leben vieler, vieler Kurden" gerettet habe. Trumps Hang zur Schönfärberei ist bekannt. Doch das ist selbst für diesen Präsidenten ein starkes Stück. Er rechnet sich als Verdienst die Lösung eines Problems an, das er selbst erst verursacht hat.
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Trump tut so, als wäre der Abzug der US-Truppen aus Nordsyrien, der der türkischen Offensive den Weg bereitete, Teil eines ausgeklügelten Plans gewesen, um der Region endlich Frieden zu bringen. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Präsident eine seiner berüchtigten Bauchentscheidungen getroffen und sich damit verkalkuliert hat. Er hat seinen Wählern versprochen, die US-Soldaten aus den "endlosen Kriegen" zurückzuholen. Nachdem das in Afghanistan gerade erst krachend gescheitert ist, hoffte er womöglich, ein Jahr vor der nächsten Wahl mit einem Truppenabzug aus Syrien punkten zu können.
"Er hört nicht auf seine Berater"
Stattdessen löste Trump einen Sturm der Entrüstung aus. "Er hört nicht auf seine Berater", schimpfte selbst Senator Lindsey Graham, sonst einer der hartnäckigsten Verteidiger des Präsidenten in seiner republikanischen Partei. Dass Trump, der sich erst kürzlich seiner "großartigen und unvergleichlichen Weisheit" rühmte, die kurdischen Verbündeten in Syrien im Stich ließ, nannte Graham "den größten Fehler seiner Präsidentschaft". Trump – der wegen eines drohenden Amtsenthebungsverfahrens ohnehin schwer unter Druck steht – geriet angesichts der nicht nachlassenden Kritik zunehmend in die Defensive.
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Anfang vergangener Woche verhängte Trump dann Sanktionen gegen die Türkei. Kurz danach schickte er seinen Vize Mike Pence nach Ankara – dem es gelang, Erdogan zu einem befristeten Waffenstillstand in Nordsyrien zu bewegen. Eine der Bedingungen: Die YPG musste sich aus einem Korridor südlich der türkisch-syrischen Grenze zurückziehen.
Am Mittwoch kündigte das Weiße Haus dann überraschend einen Auftritt Trumps an. Stolz verkündete der Präsident, Ankara habe seine Regierung darüber informiert, dass die Offensive beendet und der Waffenstillstand dauerhaft sein werde. Trump hob die Sanktionen wieder auf, forderte von Ankara allerdings ausdrücklich den Schutz religiöser und ethnischer Minderheiten in Nordsyrien.
Zahllose Leben gerettet?
"Das ist ein Ergebnis, das von uns, den Vereinigten Staaten, und von keiner anderen Nation erzielt wurde", behauptete Trump. "Die Türkei, Syrien und alle Arten von Kurden haben über Jahrhunderte gekämpft. Wir haben ihnen allen einen großen Dienst erwiesen." Und er fügte hinzu: "Zahllose Leben werden jetzt als Ergebnis unserer Verhandlungen mit der Türkei gerettet. Ein Ergebnis, das erzielt wurde, ohne einen Tropfen amerikanischen Blutes zu vergießen."
Gewinner von Trumps abenteuerlicher Außenpolitik sind Erdogan, Syriens Präsident Baschar al-Assad und dessen wichtigster Förderer, Kremlchef Wladimir Putin. Erdogan dürfte jetzt seine seit Jahren angestrebte "Sicherheitszone" im nordsyrischen Grenzgebiet bekommen. In dem bislang von Kurden kontrollierten Gebiet will er vor allem arabische Flüchtlinge aus der Türkei ansiedeln. Trump hat den Nato-Partner zudem weiter in Moskaus Arme getrieben. Erdogan und Putin nähern sich seit Langem an, am Dienstag trafen sie sich im russischen Schwarzmeerort Sotschi, um über Syrien zu beraten.
Brutalen Angriffe der Türkei
Verlierer sind – neben der YPG – die USA selbst, die einen massiven Vertrauensverlust erlitten haben: Welcher Verbündete wird sich noch auf ihren Beistand verlassen wollen, wenn Trump Alliierte wie die YPG von einem Tag auf den anderen fallen lässt? Der größte Verlierer aber ist die Kurdenmiliz. Während das Abkommen zwischen den USA und der Türkei nur einen Rückzug ihrer Kämpfer aus dem nordsyrischen Operationsgebiet der Türkei vorsah, verabredeten Erdogan und Putin einen Abzug der YPG auch entlang der Grenze außerhalb dieses Areals.
Aus dem Weißen Haus hieß es nur, das sei eine Angelegenheit, die die Türken mit den Russen und den Syrern aushandeln müssten – damit hätten die USA nichts mehr zu tun. Umso verwunderlicher, dass der Kommandeur der von der YPG dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), General Maslum Abdi, Trump trotzdem überschwänglich lobte. "Wir danken Präsident Trump für seine unermüdlichen Bemühungen", diese hätten die "brutalen Angriffe" der Türkei und dschihadistischer Gruppen gestoppt, hieß es in einer von SDF-Sprecher Mustafa Bali via Twitter verbreiteten Mitteilung Maslums.
Nicht nur Fassungslosigkeit
Der Tweet stieß nicht nur auf Fassungslosigkeit in sozialen Medien – er wirkte auch wie aus dem Drehbuch: In seiner Ansprache hatte Trump gesagt, er habe gerade mit Maslum telefoniert, und dieser sei "extrem dankbar für das, was die Vereinigten Staaten getan haben". Er sei überzeugt, dass Maslum sich dazu bald selbst äußern werde. Prompt schickte der SDF-Sprecher Maslums Statement in die Welt, während Trump noch redete. Kurz danach schrieb der Präsident auf Twitter zurück: "Danke, General Maslum, für Ihre freundlichen Worte und Ihren Mut. Bitte richten Sie dem kurdischen Volk meine herzlichsten Grüße aus. Ich freue mich darauf, Sie bald zu treffen."
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Von einem geplanten Treffen Maslums mit Trump ist bislang nichts bekannt. Sollte es dazu kommen, würde es den bedrängten Milizenkommandeur gehörig aufwerten. Die YPG kann zwar nicht mehr auf militärischen Beistand der USA bauen – auf politische, diplomatische und wirtschaftliche Unterstützung muss sie aber weiterhin hoffen. Ein anderer Termin steht dagegen schon fest in Trumps Kalender: Für den 13. November hat er Erdogan ins Weiße Haus eingeladen.
- Nachrichtenagentur dpa