Ominöser Friedensplan Trumps "Jahrhundert-Deal" für den Nahen Osten?
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mit einem Friedensplan will US-Präsident Trump den Nahost-Konflikt beenden. Was sich bislang abzeichnet, stärkt aber vor allem Israel und schwächt die Palästinenser. Experten warnen vor erheblichen Gefahren.
Donald Trump nennt ihn den "Deal des Jahrhunderts". Der US-Präsident will der Welt einen Friedensplan vorlegen, der nicht weniger als eine Lösung für den scheinbar unlösbaren Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern verspricht. Schon im Wahlkampf hatte er einen großen diplomatischen Wurf angekündigt, seither wurde viel spekuliert. Doch nun, so deuten US-Medienberichte an, könnte die Veröffentlichung näher rücken.
Bislang ließ Trump keine klare Idee für eine friedliche Lösung im Nahen Osten erkennen. Einseitige Vorstöße, wie zum Beispiel in der Jerusalem-Frage, fachten die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern weiter an, anstatt sie abzubauen. Zwischen den USA und dem Iran wechselten sich Gesprächsangebote mit immer schärferen Attacken ab, wodurch eine Destabilisierung der ganzen Region droht.
Washingtons Marschrichtung wird erkennbar
Was Trump als Endstatus für Palästina vorschwebt, sei derzeit noch nicht klar zu sehen, so die Nahost-Expertin Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik zu t-online.de. Zugleich aber werde die politische Marschrichtung erkennbar: Eine Festschreibung des Status quo zum Nachteil der Palästinenser.
Trump steht in dieser Frage an der Seite des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Er unterstützt das harte Vorgehen Israels bei den Unruhen an der Grenze zum Gazastreifen. Er verzichtet auf Kritik an der Siedlungspolitik im Westjordanland. Die palästinensischen Positionen würden übergangen, sagt Asseburg und fügt mit Blick auf den Nahost-Plan hinzu: "Da wird etwas als Konfliktlösung verkauft, was in erster Linie darauf abzielt, die weitreichende Kontrolle Israels in den besetzten Gebieten festzuschreiben."
Gewaltausbruch nach Jerusalem-Entscheidung
Wichtige Wegmarken haben die USA bereits gesetzt: Im Dezember hat Washington Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt. Im Mai eröffnete dann die neue US-Botschaft in der "Heiligen Stadt", was einen Verstoß gegen die Resolution 478 des UN-Sicherheitsrates aus dem Jahr 1980 bedeutete. Beide Schritte waren international höchst umstritten und lösten in den Palästinensergebieten schwere Unruhen mit vielen Opfern aus.
Nun sind die USA auch in der Frage der palästinensischen Flüchtlinge nach vorne marschiert. Washington will, dass Millionen von ihnen der Flüchtlingsstatus aberkannt wird. Die Folgen wären, dass Millionen Menschen ihr Recht auf Rückkehr verlieren würden, dass sie in den Nachbarländern Israels aufgenommen, dort eingebürgert oder auf andere Länder verteilt werden müssten – was diese Staaten vor immense Herausforderungen stellen würde.
Zudem streben die USA offenbar eine Auflösung des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA an. Mitte Januar hatte Washington bereits eine drastische Reduzierung der Mittel für die Organisation angekündigt, deren größter Geldgeber sie bislang waren. "Das Mandat des UNRWA hat die Flüchtlingskrise verstetigt und verschärft", sagte ein Vertreter der US-Regierung am Montag. Es müsse geändert werden, "damit das palästinensische Volk sein volles Potenzial entfalten kann".
Außenpolitik ohne das Außenministerium
Im Buhlen um Unterstützung für die US-Strategie war Trumps Nahost-Gesandter Jared Kushner zuletzt viel in der Region unterwegs. Der Schwiegersohn des US-Präsidenten arbeitet mit einem kleinen Team Trumps Palästina-Plan aus. Zu der Gruppe gehören außerdem Regierungsverhandler Jason Greenblatt und David Friedman, der US-Botschafter in Israel. Das State Department war bislang komplett außen vor.
Kushner und Greenblatt trafen Regierungsvertreter in Ägypten, Israel, Katar und Saudi-Arabien. In Jordanien forderte Kushner den König auf, den mehr als zwei Millionen Palästinensern im Land den Flüchtlingsstatus zu entziehen. "Die diplomatische Offensive der US-Gesandten in der arabischen Welt zielt offenbar darauf ab, die Golfstaaten an den Kosten des US-Plans zu beteiligen und die Unterstützung der regionalen Akteure zu erhalten", erläutert Nahost-Expertin Asseburg.
Außen vor bleiben bislang die Palästinenser. Sie boykottieren die amerikanischen Bemühungen. Zu tief sitzt der Ärger über Trumps Jerusalem-Entscheidung, die Mittelkürzungen beim UNRWA und der palästinensischen Autonomiebehörde, sowie die drohende Schließung der palästinensischen Vertretung in Washington.
Entsprechend empört reagierten Vertreter auf die US-Vorschläge, am Status und dem Recht auf Rückkehr für die palästinensischen Flüchtlinge zu rütteln. "Die USA haben keine Rechtshoheit, UNRWA aufzulösen oder palästinensischen Flüchtlingen ihren Status abzuerkennen", sagte die Politikerin Hanan Aschrawi Anfang der Woche. Kushner wolle offenbar die Verantwortung für die Flüchtlinge an die Staaten abschieben, in denen sie lebten – "um jegliche Chance, das Recht auf Rückkehr umzusetzen, zu beseitigen".
Kushner wendet sich an Palästinenser
Das Abrücken von politischen Kernforderungen will Kushner den Palästinensern mit wirtschaftlichen Perspektiven schmackhaft machen. Dabei hat er vor allem die jüngere Generation im Blick. Der palästinensischen Zeitung Al Quds sagte er jüngst: "Die Welt hat sich weiter entwickelt, während Ihr zurückgelassen wurdet. Lasst es nicht zu, dass die Kämpfe Eurer Großväter die Zukunft Eurer Kinder bestimmen."
Kushner führte weiter aus, den Palästinensern biete sich nun die Chance, einen großen Satz in das nächste industrielle Zeitalter zu machen. Sie könnten ein Teil des "Silicon Valley des Nahen Ostens" werden. Der Nahost-Gesandte sprach damit Israels Bedeutung als Technologie-Standort an.
Dass die Palästinenser auf diese Offerte eingehen, hält Nahost-Expertin Asseburg für praktisch ausgeschlossen. "Zum einen ist das Recht auf Rückkehr für die registrierten Flüchtlinge völkerrechtlich verbrieft und eine Änderung daran kann nur im Rahmen einer politischen Lösung mit allen Beteiligten stattfinden, und nicht durch ein amerikanisches Diktat." Zum anderen fehle es der palästinensischen Führung aktuell an Rückhalt in der Bevölkerung, um Kompromisse einzugehen. Deshalb werde sie nicht bereit sein, mutige Schritte zu gehen. "Sie wird sich stattdessen auf eine harte Linie zurückziehen und versuchen, das zu verteidigen, was nicht extrem hinter die palästinensischen Minimalforderungen zurückfällt."
"Es besteht die Gefahr, dass das irgendwann explodiert"
Asseburg sieht den US-Plan auch deshalb mit großen Gefahren verbunden. Die Mittelkürzungen beim UNRWA würden die Arbeit der Vereinten Nationen etwa im Gazastreifen schon jetzt stark belasten. Vor wenigen Tagen traten dort Mitarbeiter der UN-Organisation aus Protest gegen Teilzeitarbeit und Stellenstreichungen in den Ausstand. "Aktuell ist nicht einmal klar, ob die Schulen in Gaza nach dem Sommer wieder öffnen werden", sagt Asseburg. Weil die Wirtschaft dort sehr auf ausländische Hilfen angewiesen sei, müsse man enorme soziale Auswirkungen und eine weitere Verschärfung der humanitären Lage befürchten. "Es besteht die Gefahr, dass das irgendwann explodiert."
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Einen palästinensischen Staat sieht die Nahost-Expertin unter diesen Umständen in weite Ferne rücken. So habe die Siedlungstätigkeit im Westjordanland seit Trumps Amtsantritt bereits enorm zugenommen. Der nächste Schritt könne eine offizielle Annexion eines Teils der besetzten Gebiete sein. "Aktuell bewegt es sich sehr stark auf eine Ein-Staat-Realität zu. Es zeichnet sich ein Zustand ab, in dem man nicht mehr über eine Zwei-Staaten-Lösung sprechen kann, weil es dafür keine territoriale Basis mehr gibt."
Wann genau Trump seinen Nahost-Plan präsentieren will, ist derweil unklar. US-Medien sahen das Datum zuletzt aber näher rücken. Als Indiz werteten sie, dass Kushner sein Team um drei Arbeitsgruppen für Politik und Sicherheit, für Wirtschaft und für strategische Kommunikation erweitern wolle. Vertreter aus dem Pentagon, den Geheimdiensten, dem Kongress sowie dem Außenministerium sollten sich dort um Detailfragen und mögliche Verhandlungen kümmern, berichtete die "New York Times".
- Bericht bei Bloomberg zum "New Deal" für den Nahen Osten
- Eigene Recherchen
- dpa