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Donald Trumps Taktik: Analyse zur Familientrennung an der US-Grenze


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Zerrissene Familien an der US-Grenze
Trumps Lüge, Trumps Taktik

Eine Analyse von Fabian Reinbold, Washington

Aktualisiert am 20.06.2018Lesedauer: 4 Min.
Donald Trump: Der US-Präsident will aus der Kritik an der Trennung von Migranten-Familien Kapital schlagen.Vergrößern des Bildes
Donald Trump: Der US-Präsident will aus der Kritik an der Trennung von Migrantenfamilien Kapital schlagen. (Quelle: Alex Brandon/ap)
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An der Grenze zu Mexiko werden Einwanderer von ihren Kindern getrennt. Der Widerstand gegen die Politik Donald Trumps wächst rasant – der Präsident will die Empörung für seine Zwecke nutzen.

Der Aufschrei wird immer lauter: Donald Trumps Grenzpolitik, durch die Tausende Kinder nach dem Grenzübertritt von ihren Eltern getrennt werden, erntet von allen Seiten Kritik, und längst nicht mehr allein von seinen politischen Gegnern.

  • Zahlreiche Republikaner im Senat und Repräsentantenhaus haben Trump aufgefordert, die Praxis schleunigst zu beenden. Darunter sind auch solche, die Kritik an ihrem Präsidenten sonst peinlichst vermeiden.
  • Vier Gouverneure haben angekündigt, ihre Nationalgardisten, die Trump im April zur Grenzsicherung gebeten hatte, aus Protest abzuziehen.
  • Und nachdem sich bereits die vier letzten First Ladys in Statements gegen die Praxis aussprachen, soll nun auch Trumps Tochter Ivanka beim Vater vorstellig geworden seien, berichten US-Medien.

Ganz zu schweigen von einem weltweiten Aufschrei, von UN, Mexiko oder deutschen Politikern: Der innenpolitische Widerstand gegen Trumps Politik hat eine Wucht erreicht, die es selbst in dessen hoch umstrittener Präsidentschaft nur selten gibt. Viele empfinden wochenlange Zwangstrennungen von Kindern und ihren Eltern als unmenschlich.

Trumps Lüge, Trumps Taktik

Und der Präsident? Reagiert wie üblich: Er legt ordentlich nach und sucht die Schuld beim Gegner. Auch am Dienstag war es so. Vor Geschäftsleuten behauptete er, die Demokraten wollten einen "Befall" durch illegale Einwanderer. Einen Kompromissvorschlag der Republikaner, zur Entspannung der Lage mehr Einwanderungsrichter anzustellen, nannte er verrückt.

Dahinter steckt nicht nur Prinzip, sondern auch eine Taktik, die Empörung für seine Zwecke zu nutzen.

Trump sagt, dass mit den erzwungenen Trennungen an der Grenze nur herrschende Gesetze befolgt würden und die Demokraten dafür Verantwortung trügen. Beide Behauptungen sind falsch. Es ist unstrittig, dass die neue Praxis direkte Folge einer im Mai verkündeten Null-Toleranz-Politik seiner Regierung ist.

Jeder Grenzübertritt soll in erster Linie als Straftat verfolgt werden. Damit Erwachsene eingesperrt werden können, werden ihnen Kinder abgenommen, auch Kleinkinder. Vorgängerregierungen haben diese Maßnahme erwogen und dann verworfen, Trump lässt sie breitflächig einsetzen: Allein in fünf Wochen seit der Verkündung wurden mehr als 2.300 Kinder von ihren Eltern getrennt.

Eltern abgeschoben, Kind noch in der Anstalt

Das wahre Ausmaß ist noch gar nicht abzuschätzen. Die Lager, in denen Kinder gesammelt werden, sind abgeriegelt. Es zirkulieren Bilder, die das zuständige Ministerium herausgegeben hat, Luftaufnahmen von einem Camp für Jugendliche sowie Audiomitschnitte von Flüchtlingsanwälten, auf denen weinende Kinder nach Mutter oder Vater verlangen. Es gibt Berichte von abgeschobenen Migranten, deren Kinder noch in amerikanischen Anstalten festhängen, und von Flüchtlingen, die nicht wissen, wo sich ihre Kinder befinden. Es gibt auch erste Klagen gegen die Praxis.

Klar ist, dass die Null-Toleranz-Politik der Abschreckung von Flüchtlingen dienen soll. Denn die Migrantenzahlen nehmen saisonbedingt wieder zu und Trumps scharfe Rhetorik hat daran nichts geändert. Mehrere Trump-Leute, wie Stabschef John Kelly oder Berater Stephen Miller, haben den beabsichtigten Abschreckungseffekt auch so eingeräumt.

Unter politisch-taktischen Gesichtspunkten ist Trumps Hardlinern die hohe Aufmerksamkeit und Empörung nicht unrecht. In ihren Augen verstärkt sie den Druck auf den Kongress, sich bei den zahlreichen ungelösten Einwanderungsfragen zu bewegen.

Trump will seine Milliarden für die Mauer

So ist Trumps Lüge zu verstehen, dass die Demokraten und die aktuelle Gesetzeslage hinter der unmenschlichen Politik stünden. Die zuständige Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen ist nach einigem Hin und Her auch auf diese Linie eingeschwenkt: Der Kongress müsse mit einem Gesetz die Lage ändern.

Ganz offensichtlich will Trump die Krise nutzen, um endlich das abzupressen, was er seit Langem will. Das erklärt auch seine aktuellen Falschbehauptungen über Flüchtlingskriminalität in Deutschland. Denn das Parlament hat ihm bislang so gut wie keine Gelder für den Bau seiner versprochenen Grenzmauer bewilligt.

Das Kalkül lautet: Wenn der Kongress endlich ein Gesetz verabschiedet, das die gewünschten Maßnahmen für die Grenzsicherheit und vor allem die 25 Milliarden Dollar, die Trump für den Mauerbau will, bewilligt, dann müsste es nicht länger zu den Familientrennungen kommen.

Justizminister Jeff Sessions formulierte es am Montag wie folgt: "Wenn wir die Mauer bauen, wenn wir Gesetze verabschieden, die die Gesetzlosigkeit (an der Grenze, Anm. d. Red.) beenden, dann müssten wir solche schrecklichen Entscheidungen nicht mehr treffen."

Anhänger unterstützen Trumps harte Linie

Ob diese Erpressungstaktik aufgeht, ist im Moment nicht abzusehen. Im Kongress liegen zwei republikanische Gesetzesvorlagen bereit, doch Trump verwirrte in den letzten Tagen mit widersprüchlichen Signalen Freund und Feind. Und weil es im Senat auch die Stimmen von mindestens neun Demokraten bräuchte, sind die Hürden für eine gesetzliche Regelung hoch.

Trump ist jedenfalls der Überzeugung, dass die Einwanderung für ihn ein Gewinnerthema ist. Die Erfahrungen aus dem Wahlkampf geben ihm recht. Und vor den Kongresswahlen im November ist es seine Taktik, als harter Grenzschützer aufzutreten.

In der Bevölkerung lehnt eine breite Mehrheit die Familientrennungen ab. Einer Umfrage des Nachrichtensenders CNN zufolge stimmten nur 28 Prozent dieser Politik zu, während 67 Prozent sie zurückweisen. Blickt man allerdings nur auf die Anhänger der Republikaner, ist eine Mehrheit mit Trumps harter Linie einverstanden.

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