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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sonderermittler Mueller Der Mann, den Trump fürchten muss
Donald Trump attackiert den Sonderermittler in der Russland-Untersuchung immer schärfer: Neuen Berichten zufolge droht vorerst keine Anklage – trotzdem muss er Robert Mueller fürchten.
Seine Anwälte, Berater und Parteifreunde haben Donald Trump einen Rat gegeben: Nicht den Namen Robert Mueller erwähnen. Der US-Präsident soll den Sonderermittler in der Russland-Affäre nicht provozieren und ja nicht den Eindruck erwecken, er wolle ihn absägen. Alles vermeiden, was danach aussieht, er behindere die Arbeit der Justiz.
Doch Monat für Monat wiedersetzt sich Trump dieser Bitte. Immer wieder spricht er von einer "Hexenjagd" auf ihn. Davon, dass diese Untersuchung nie hätte begonnen werden dürfen und dass doch längst bewiesen sei, dass er niemals mit den Russen kooperiert habe.
Trump zetert, droht und attackiert, wenn es um Mueller geht.
Und Robert Mueller? Tut, was er immer tut: Er schweigt und macht weiter.
Mueller ist der Sonderermittler in der Affäre um die Einmischung Russlands in die US-Wahl 2016. Seine Untersuchung eines der größten Themen in Washington – und zugleich ein großes Mysterium. Niemand weiß genau, woran Mueller und sein Team gerade arbeiten, welchen Schritt sie als nächstes gehen.
Mueller hat sich verbarrikadiert
Offenbar hat Mueller derzeit nicht genügend Konkretes in der Hand, um strafrechtlich gegen Trump vorzugehen – das habe Mueller dem Präsidenten im März mitgeteilt, berichtete jetzt die "Washington Post". Doch das könnte sich ändern, fürchten offenbar Trumps Anwälte. Er ist damit noch längst nicht sicher. Mueller ist immer noch eine Gefahr für ihn.
Deshalb hatte zuletzt wieder eine Frage Konjunktur: Wird Trump Mueller entlassen? In den vergangenen Wochen hat er die verbalen Angriffe verstärkt. Eine Entlassung wäre "der Beginn vom Ende seiner Präsidentschaft", fürchten selbst Verbündete Trumps im Kongress.
Der Mann, den der Präsident fürchtet und auf den Linke hoffen, hat sich verbarrikadiert. Das Büro seines Teams hat Mueller von seinem Dienstsitz nahe dem FBI, vor dessen Eingang Tag für Tag die Journalisten herumlungerten, an einen geheimen Ort im Südwesten Washingtons verlegt.
Mueller meidet so gut wie jeden öffentlichen Auftritt, seit er am 17. Mai 2017 vom Justizministerium zum Sonderermittler ernannt worden ist. Er gibt kein Interview, lädt nie zur Pressekonferenz. Mueller lässt seine Anklageschriften für sich sprechen – und die machen klar: Robert Mueller lässt nicht locker.
Was für ein Typ ist Mueller? Robert S. Mueller III. ist einer der geachtetsten Kriminalbeamten der USA. Nach Studium in Princeton und freiwilligem Dienst bei den Marineinfanteristen im Vietnamkrieg trat er 1976 als stellvertretender Staatsanwalt in San Francisco in den öffentlichen Dienst ein und machte rasch Karriere. Wenige Tage vor dem 11. September 2001 wurde er, nach einer überstandenen Krebsbehandlung, zum FBI-Chef ernannt.
Er musste die Aufklärung der Terroranschläge beaufsichtigen und das ramponierte Vertrauen in die Polizeibehörde wiederherstellen. Diesen Job machte er so gut, dass ihn der Senat zweimal ohne eine einzige Gegenstimme im Amt bestätigte und dass auch der Demokrat Barack Obama den Republikaner Mueller im Amt beließ.
Bösewicht für die einen, größte Hoffnung für die anderen
Mueller war also unumstritten – bis er zum Sonderermittler ernannt wurde. Dann änderte sich alles. Nun ist der 73-Jährige für Trump und seine Anhänger ein Handlanger jener Kräfte, die Trumps Wahlsieg nichtig machen wollen. Für Trumps Gegner ist er plötzlich die größte Hoffnung, ein Heilsbringer fast, der den Präsidenten aus dem Amt drängen könnte.
Beide Sichtweisen auf Mueller verraten allerdings fast nur, wie der jeweilige Betrachter zu Trump steht, und fast nichts von Muellers konkreter Arbeit.
Während Trumps Leute stöhnen, dass Mueller nicht zum Schluss komme, sieht das eine erfahrene Anklägerin ganz anders. "Mueller führt die wahnsinnig komplexe Russland-Untersuchung mit beeindruckender Geschwindigkeit", sagt Barbara McQuade. Er habe schon zahlreiche Anklagen verfasst, mehrere Schuldbekenntnisse erwirkt, die meisten Personen von Interesse befragt.
McQuade war bis 2017 Chefanklägerin des Bundes in Michigan. Sie hat mit Mueller zusammen die Abgasmanipulationen von VW untersucht. Es habe sie beeindruckt, sagt McQuade, wie Mueller seine Ermittler darauf eingeschworen habe, mit hohem Tempo vorzugehen.
Immun gegen politischen Druck
Und noch etwas betont McQuade genauso wie andere Ermittler, die mit Mueller in seiner Zeit als FBI-Chef zusammengearbeitet haben: "Er ist ein Vollprofi und lässt sich nicht von politischem Druck beeinflussen." Damit scheint Mueller wie gemacht für diese Untersuchung, die unter Dauerfeuer steht.
Was ist Muellers Strategie? Sein Mandat lautet nicht nur, "jegliche Verbindungen und Koordinierungen zwischen der russischen Regierung und Personen aus dem Wahlkampfteam" Trumps zu untersuchen. Außerdem kann Mueller "alle Themen untersuchen, die sich direkt daraus ergeben".
Das ist ein entscheidender Satz, denn Mueller hat auch schon Taten zur Anklage gebracht, die viele Jahre zurückliegen. Und auch die Frage, ob Trump seine Untersuchung behindert hat, nimmt mittlerweile breiten Raum in den Nachforschungen ein.
Er hat ein Team von 17 Ermittlern um sich versammelt, darunter Experten für Cyberkriminalität und Geldwäsche. Als herauskam, dass zwei Mitarbeiter im Jahr 2016 in privaten SMS Trump als Idioten verunglimpft hatten, trennte sich Mueller sofort von ihnen.
Die Manafort-Masche
Mueller legt den Rahmen seiner Untersuchung auch deshalb breit aus, weil er Trump-Vertraute als mögliche Zeugen unter Druck setzen will. Das zeigt sich am Beispiel Paul Manaforts, der bis zum August 2016 Trumps Wahlkampfmanager war.
Manafort hatte vor seiner Rolle im Trump-Team schon jahrelang undurchsichtige Geschäfte mit russischen Oligarchen und dem prorussischen ukrainischen Ministerpräsidenten Wiktor Janukowitsch getätigt und für Millionensummen in Washington für ausländische Regierungen lobbyiert. Mueller hat diese Tätigkeiten ins Visier genommen und Manafort wegen Verschwörung gegen die USA, des Verdachts auf Geldwäsche, Bankbetrugs, Falschaussagen und vieler weiterer Punkte angeklagt.
Manafort könnte zum Kronzeugen werden, doch er hält dessen Druck bislang stand. Er hat seinerseits Mueller wegen Kompetenzüberschreitung verklagt. Doch seine Lage hat sich zuletzt verschlechtert, seit seine frühere rechte Hand Rick Gates einknickte: Er hat sich in Hoffnung auf Strafmilderung schuldig bekannt und kooperiert nun mit Muellers Untersuchung.
Manafort könnte das Scharnier zwischen Russland und Trump gewesen sein. Vielleicht bleibt er deshalb so standhaft, weil er bei einer Verurteilung auf eine Begnadigung durch den Präsidenten höchstpersönlich glaubt.
"Mueller arbeitet sich von außen nach innen vor, wie bei einer üblichen FBI-Untersuchung", sagt sein Biograf Garrett Graff. Bislang hat Mueller bereits vier Berater Trumps angeklagt sowie 13 Russen, die mittels gefälschter Internetprofile die Stimmung in den USA aufwiegeln wollten.
Wie gefährlich wird Mueller Trump? Er ist zumindest schon sehr nah an ihn herangerückt. Möglicherweise sagt Trump selbst bald aus. Hinter den Kulissen ringen Muellers Leute und Trumps Anwälte bereits um die Details.
Mueller überschreitet Trumps rote Linie
Mueller hat Unterlagen von Trumps Unternehmenskonsortium angefordert. Er interessiert für die finanziellen Verstrickungen der Trump Organization, auch bei einst in Russland geplanten Projekten. Die Finanzen seiner Familie und seiner Firmen hatte Trump zuvor als "rote Linie" bezeichnet – er wird selbst wissen, warum. Trumps früherer Chefstratege Steve Bannon sieht jedenfalls im Punkt Geldwäsche die wahre Verwundbarkeit Trumps und seines Schwiegersohns Jared Kushner.
Andererseits ist völlig unklar, ob bei all den Erforschungen ein Beleg für eine illegale Absprache mit den Russen herausspringen wird. Trump bestreitet sie vehement, auch wenn die Bereitschaft dazu zumindest in seinem engsten Umfeld gut dokumentiert ist. Etwa durch das berüchtigte Treffen im Trump Tower im Juni 2016, bei dem sich Manafort, Kushner und Trumps Sohn Donald jr. von einer Russin "Schmutz gegen Hillary Clinton" versprachen.
Mueller könnte Trump bei einem anderen Punkt noch gefährlicher werden: bei der Frage, ob der Präsident seine eigene Untersuchung hintertreibt und damit die Arbeit der Justiz behindert. Deshalb forscht der Sonderermittler auch zu den Entlassungen von FBI-Chef Jim Comey und zu Trumps Aufträgen an Justizminister Jeff Sessions. Hierbei ist der kürzlich von Trump geschasste FBI-Vize Andrew McCabe ein interessanter Zeuge.
Wie cool Trump bei alldem bleiben wird? Zuletzt schmiss sein Hauptanwalt für die Russland-Untersuchung genervt hin. Er hatte es satt, dass der Präsident seine Ratschläge ignorierte. Trump hat weiterhin große Probleme, Anwälte für die Russland-Untersuchung zu finden.
Will Trump Mueller feuern? Zumindest hat er das schon einmal versucht. Im vergangenen Juni, als er erfahren hatte, dass Mueller auch wegen dieser möglichen Behinderung der Justiz ermittelt. Trump beauftragte seinen Chefjustiziar im Weißen Haus, Donald McGahn, für die Entlassung Muellers zu sorgen. Doch McGahn weigerte sich, drohte seinerseits mit Rücktritt – und Trump gab nach.
Zumindest vorläufig. Seine zahlreichen Tweets zur Sache legen nahe, dass er diesen Gedanken immer mal wieder durchspielt – und wohl auch testet, wie groß der Aufschrei ausfällt. Zuletzt protestierten wieder einmal Abgeordnete beider Parteien gegen Trumps Ausfälle gegen den Sonderermittler. Eine Entlassung Muellers wäre selbst laut seiner Verbündeten im Kongress "der Beginn vom Ende seiner Präsidentschaft".
Zwei Prognosen gelten als sicher: Trump wird weiter mit allerlei Tweets die Untersuchung zu unterminieren versuchen. Und Robert Mueller wird sich davon nicht beirren lassen. Er wird schweigen, aber nicht locker lassen.
- eigene Recherchen
- Überblick über die Anklagen Muellers beim US-Justizministerium (engl.)