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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Endlos-Drama Dieses Problem wird Joe Biden nie mehr los
Sein Sohn Hunter Biden macht dem US-Präsidenten schon seit Langem Ärger. Nun platzte sogar ein Deal mit der Justiz. Und Fakten interessieren in der Sache eh kaum noch.
Bastian Brauns berichtet aus Washington
Alles hätte anders laufen sollen. Doch der Sohn des US-Präsidenten, Hunter Biden, und seine Anwälte wurden von den Ereignissen am Mittwoch offensichtlich überrascht. Dabei galt vor dem Bundesgericht in Wilmington in Delaware, dem Heimat-Bundesstaat der Biden-Familie, der Ablauf der Verhandlung als ausgemacht. Ein unschönes Kapitel sollte abgeschlossen werden und damit auch endlich Ruhe im Weißen Haus einkehren.
Hunter Biden sollte sich dafür schuldig bekennen. Und zwar wegen Steuerhinterziehung. Der Präsidentensohn hatte über zwei Jahre insgesamt rund 200.000 US-Dollar Steuern nicht bezahlt. Auch hatte er gelogen, als er einst einen Revolver gekauft hatte. In einem Formular, in dem Amerikaner vor dem Waffenerwerb angeben müssen, ob sie derzeit Drogen nehmen, hatte er "Nein" angekreuzt. Auch das war eine Straftat. Denn Hunter Biden hatte zu diesem Zeitpunkt ein beträchtliches Drogenproblem.
Eine überraschende Wendung
Doch zu dem erwarteten Schuldeingeständnis des Präsidentensohns kam es nicht. Eigentlich sollte Hunter Biden dafür im Gegenzug von jeglichen weiteren Untersuchungen der Bundesbehörden praktisch befreit werden. Diesen gerichtlichen Vergleich ausgearbeitet hatte eigentlich der einst von Donald Trump eingesetzte Staatsanwalt David Weiss.
Diesem Deal bereitete aber die für das Verfahren zuständige, ebenfalls von Donald Trump eingesetzte Bezirksrichterin Maryellen Noreika ein vorerst jähes Ende. Sie lasse sich nicht nur zur Billigung einer solchen Vereinbarung benutzen, erklärte sie und äußerte Bedenken gegen die Übereinkunft. Die Folge: Der Deal ist nichtig. Und Hunter Biden antwortete im Gerichtssaal auf die Frage, ob er sich schuldig bekenne, anders als geplant: "nicht schuldig".
Der Kern der Anti-Biden-Kampagne
Mit dieser Posse um den Präsidentensohn geht in den USA ein seit Jahren laufender Vorgang in seine nächste Runde. Und so lange die Vorwürfe gegen Hunter Biden nicht ausgeräumt oder gerichtlich beendet sind, beschädigen sie auch seinen Vater Joe Biden. Denn es gibt nichts, was Donald Trump und die Republikaner genüsslicher ausschlachten, als die offensichtlichen und erst recht die nur mutmaßlichen Vergehen Hunter Bidens.
Viel spricht dafür, dass Donald Trump und sein Team ihre Kampagne in einem erneuten Duell gegen Joe Biden bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2024 auf die angeblich hochkorrupte Biden-Familie ausrichten werden. Den Grundstein dafür hatte Trump bereits im vergangenen Wahlkampf gelegt, als er in Fernsehduellen Joe Biden mit den angeblichen Machenschaften seines Sohnes konfrontierte.
Laut Trump und den Republikanern sind Hunter Bidens Vergehen um nicht bezahlte Steuern, Drogenkonsum oder um Lügen beim Waffenerwerb nur die Spitze des Eisbergs. Die geäußerten Vorwürfe handeln vor allem von Hunter Bidens ehemaligen Geschäftsbeziehungen und seinem einst gut bezahlten Vorstandsposten beim ukrainischen Energieunternehmen Burisma. Die seit Jahren verbreiteten Behauptungen seitens der Republikaner: Dort sei es um Korruption gegangen.
Außerdem habe der Sohn des damaligen Vizepräsidenten Joe Biden damit gegen den "Foreign Agents Registration Act" verstoßen. Das Gesetz schreibt vor, dass Personen, die in den USA politisch oder wirtschaftlich für ausländische Unternehmen tätig sind, ihre Tätigkeit anmelden, dokumentieren und genehmigen lassen müssen. Noch als Präsident forderte Donald Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf, ihm angebliche weitere Details zum Fall Hunter Biden und Burisma zu offenbaren. Laut einem bekannten Telefonat verknüpfte er diese Forderung sogar mit der Bewilligung für Waffenlieferungen an die Ukraine.
Fetisch der Republikaner: Hunter Bidens Laptop
Das Trump-Team und mit ihm die konservativen Medien führen diese Erzählung immer weiter. Auch mit der chinesischen Regierung stecke Hunter Biden unter einer Decke, und mit ihm auch Joe Biden und der ganze Rest der Präsidentenfamilie.
Als Beweisstück für diese teils zwar wahren, aber eben auch erlogenen und in Teilen konstruierten oder überspitzten Behauptungen dient seit Jahren "Hunter Bidens Laptop". Das Gerät ist zu einer Art Fetisch der Republikaner geworden. Der Sohn von Joe Biden hatten seinen Laptop einst in einem Laden in Delaware zur Reparatur abgegeben, ihn aber nie abgeholt.
Über den Ladenbesitzer, der heute von den Republikanern als Whistleblower gefeiert wird, gelangte der Laptop im Jahr 2020, auf dem Höhepunkt des damaligen Präsidentschaftswahlkampfs, in die Hände von Trumps Anwalt Rudy Giuliani. Doch die Hoffnung auf kompromittierendes Material erfüllte sich nicht. Als echte "smoking gun", als entscheidendes Beweismittel, taugte der Laptop jedenfalls nicht. Zumindest gewann Joe Biden trotzdem die Wahlen. Stets hatte er betont: "Mein Sohn hat nichts Falsches getan."
Ein dauerhaftes Gift
Wirklich neue, strafrechtlich relevante Erkenntnisse haben die ermittelnden Behörden aus dem Laptop bis heute nicht ziehen können. Im politischen Washington bleiben die Vorwürfe aber ein stetiges Gift, das Hunter Biden persönlich und Joe Biden auch politisch schadet.
Zuletzt hielt etwa die berüchtigte Abgeordnete und Verschwörungsideologin Marjorie Taylor Greene in einem eigens eingerichteten Untersuchungsausschuss ausgedruckte Nacktbilder von Hunter Biden und einer Prostituierten in die Fernsehkameras. Auch sie stammen von der Festplatte des Laptops. Greene behauptete, Hunter Biden sei des Menschenhandels schuldig. Einen Beweis blieb sie auch bei diesem Vorwurf schuldig. Dem Präsidenten und seinem Sohn aber schadeten die Vorwürfe trotzdem.
Es scheint, also sei jedes noch so kleine Detail über Hunter Biden und auch jede Demütigung willkommen. Zu gut passen die Erzählungen in das überall im Land verbreitet Bild vom elitären und korrupten Sumpf in der US-Hauptstadt, dem sogenannten "swamp". Interessenkonflikte gibt es in Washington zwar überall, werden sie aber ruchbar und dadurch politisch nützlich, werden sie plötzlich sehr ernst genommen.
Doch so unethisch die Geschäftspraktiken Hunter Bidens auch gewesen sein mögen: Nach bisherigen Erkenntnissen sind sie erstens in Washington nicht unüblich und zweitens waren sie wohl auch nicht strafbar.
Keine Ende in Sicht
Im Gerichtssaal von Wilmington soll der Prozess wegen Steuerhinterziehung hingegen nun in wenigen Wochen weitergehen. Die Parteien sollen sich dort wieder einfinden, um die Bedingungen für einen Vergleich erneut auszuhandeln. Die Bezirksrichterin Maryellen Noreika erwartet dazu weitere Informationen. Es ist gut möglich, dass dieser Fall dann juristisch wirklich ein Ende finden wird.
Politisch aber, so viel steht jetzt schon fest, wird der Fall Hunter Biden nie zu einem Abschluss kommen. Zumindest nicht, solange Joe Biden im Amt ist und solange er wie Trump im Jahr 2024 erneut antreten will.
Laut der Erzählung der Republikaner instrumentalisiert Joe Biden ohnehin schon die Strafbehörden, um Donald Trump aus dem Weg zu räumen. Den eigenen Sohn mit einem Deal vor weiterer Strafverfolgung zu schützen, passt da nur zu gut in diese Darstellung. Wie viel an diesen Geschichten wirklich wahr ist, spielt in den USA immer weniger eine Rolle.
- Eigene Recherchen
- nbcnews.com: "Hunter Biden pleads not guilty after plea deal is derailed" (Englisch)
- washingtonexaminer.com: "President's son pleads 'not guilty' after judge blows up plea agreement" (Englisch)
- time.com: "Here’s What We Know About Hunter Biden and the Investigations Into Him" (Englisch)
- politico.com: "Hunter Biden reaches plea deal with feds to resolve tax issues, gun charge" (Englisch)