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Zwischen Anklage und Apokalypse: Donald Trump warnt vor "nuklearem Holocaust"


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Trumps Parallelwelt
Dreht er jetzt vollkommen durch?


Aktualisiert am 26.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Wahlkampfveranstaltung im Video: Der Ex-Präsident wetterte gegen eine drohende Anklage. (Quelle: reuters)
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Zwischen Anklage und Apokalypse: Donald Trump hat in den USA seinen Wahlkampf gestartet. Doch der Ex-Präsident hat ein Problem – ihm gehen die Superlative aus.

Bastian Brauns berichtet aus Washington.

Ein Männerchor aus Strafgefangenen empfängt Donald Trump auf dem Flugplatz im texanischen Waco. Mit tiefen Stimmen singen sie die amerikanische Nationalhymne. Trump steht auf einer kleinen Bühne und greift sich mit der rechten Hand an sein Herz. Es ist sein erster offizieller Wahlkampfauftritt vor den kommenden Vorwahlen für seine Präsidentschaftskandidatur.

Die Hymne wird digital abgespielt, denn die Sänger sitzen im Gefängnis. Hinter Gitter gebracht hat sie gewissermaßen Trump selbst. Am 6. Januar 2021 ließen sie sich von ihm anstacheln, zum Kapitol in Washington zu marschieren, um es gewaltsam zu stürmen. In Trumps Erzählung aber sind sie "politische Gefangene" des "Biden-Regimes", "echte Patrioten". Am Ende rufen die Sträflinge: "U-S-A – U-S-A – U-S-A!" Aufgenommen worden sei die Hymne über ein Gefängnistelefon. Die Häftlinge würden sie jeden Abend in ihren Zellen singen, heißt es.

Mit dieser Gefangenenversion der US-Nationalhymne, die Trump zusammen mit diesen Männern veröffentlicht hat, soll offiziell Geld eingesammelt werden, um "für Gerechtigkeit" zu sorgen und um die Familien der Insassen finanziell zu unterstützen. Die Vinyl-Editionen kosten zwischen 99,99 und 199,99 US-Dollar. Eine US-Flagge hinter Gittern und Stacheldraht ziert die Schallplatten. Wie viel des Erlöses wirklich bei den Familien der Sträflinge landet, ist unbekannt.

Trump präsentiert seinen Dissidenten-Song mit Stolz, denn dieser sage sehr viel aus. "Überall ist er auf Platz eins", ruft der Chorleiter der Kriminellen seinem Publikum in Texas entgegen. "Auf Platz zwei liegt Taylor Swift. Auf Platz drei kommt Miley Cyrus." Was davon tatsächlich stimmt: Die "Justice for All"-Version von Trump und dem "J6 Prison Choir" landete zumindest in den "Billboard Digital Song Sales Charts" auf Platz eins (Stand 25. März 2023).

Drohungen und Beschimpfungen

Während Trump in New York als erster ehemaliger Präsident mit mehreren Anklagen rechnen muss, zeigt er im texanischen Waco, dass ihn das nicht davon abhält, weiterzumachen. Im Gegenteil, er will zeigen, dass er gerade erst anfängt. Jene, die ihn mit Strafverfolgungen überziehen, nennt er "Stalinisten, Kommunisten und Marxisten". Er will keinen Zweifel daran lassen, dass er ebenso zu Unrecht verfolgt werde wie die Gefangenen vom 6. Januar.

Er bleibt bei seiner Version. Weder habe er von irgendwelchen Schweigegeldzahlungen gewusst, noch habe er überhaupt jemals etwas mit dem Pornostar Stormy Daniels gehabt. Trump sagt: "Kein Verbrechen. Keine Affäre. Das Pferdegesicht mochte ich nie. Schrecklich. Das wäre nicht das Richtige. Es gibt niemanden. Wir haben eine großartige First Lady." Die Beleidigung "Horse Face" für die Frau, die mit bürgerlichem Namen Stephanie Clifford heißt, gehört inzwischen zu Trumps Standardrepertoire.

An Bord seines Flugzeugs "Trump Force One" soll der Ex-Präsident nach seinem Auftritt in Waco zu Reportern sogar gesagt haben: "Ich glaube, sie haben den Fall bereits fallen lassen." Der ganze Fall sei ein Fake gewesen. "Sie haben absolut nichts." Vor einigen Tagen noch hatte Trump behauptet, seine Verhaftung stünde quasi kurz bevor.

Für Alvin Bragg, den New Yorker Staatsanwalt, der die Ermittlungen gegen ihn führt, hatte Trump in den vergangenen Tagen deshalb nichts als wüste Beschimpfungen und Drohungen übrig. In mehreren Beiträgen, die er über sein soziales Netzwerk Truth Social verbreitete, schrieb er mal von "menschlichem Abschaum", mal von einem "degenerierten Psychopathen", der die USA hasse. Alvin Bragg würde in seinem Fall "Tod und Zerstörung" in Kauf nehmen.

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Bewunderer der Diktatoren

Trump vertauscht damit einmal mehr Ursache und Wirkung. Tage zuvor hatte er selbst zu Protesten seiner Anhänger aufgerufen, wohl wissend, was am 6. Januar 2021 passiert war, nachdem er sie angeblich im Namen der Gerechtigkeit aufgehetzt hatte. Das Justizsystem der USA attackiert er, sobald es sich gegen ihn richtet. In Waco nennt er die Bundesbehörde von US-Justizminister Merrick Garland, die ebenfalls gegen ihn ermittelt, ein "Department of Injustice", ein Ungerechtigkeitsministerium.

Im Büro des New Yorker Staatsanwalts Alvin Bragg kam dieser Tage mit der Post ein Umschlag mit einer Morddrohung gegen ihn. "ALVIN: ICH WERDE DICH TÖTEN!!!!!!!!!!!!" lautete die Nachricht, dazu wurde ein weißes Pulver gegeben. Das sollte offenbar Angst vor gefährlichen Milzbrandbakterien schüren, die einst bei einer Anschlagsserie in den USA im Jahr 2001 verschickt worden waren. Das weiße Pulver für Alvin Bragg stellte sich später als unbedenklich heraus.

Die offenkundige Wirkung seiner Worte scheint Donald Trump nicht zu scheren. Mit keinem Wort ruft er in Texas zu Zurückhaltung auf. Voller Lob gibt er sich indessen für die Diktatoren dieser Welt. Chinas Präsident Xi Jinping und Russlands Präsident Wladimir Putin bezeichnet er beide als "schlaue Leute". Der amtierende amerikanische Präsident Joe Biden hingegen habe mehr Schaden im Land angerichtet als "die fünf schlechtesten US-Präsidenten" zusammen. "Tyrannen" würden Amerika regieren. Er wolle diese Tyrannei in einem "letzten Kampf" besiegen.

"Biden provoziert nicht nur einen nuklearen Holocaust, er sprengt die US-Wirtschaft mit der Biden-Bankenkrise – eine Katastrophe historischen Ausmaßes", richtet Trump seine Worte dräuend an sein Publikum, das gar nicht mal so zahlreich erschienen ist. Auf dem Flugplatz ist noch viel Platz. Untermalen lässt Trump diese Worte mit hypnotisierender Musik, um seine beschwörende Dramatik zu unterstreichen. Innerhalb von zwei Jahren sei Amerika zu einem Dritte-Welt-Land geworden. Ohne ihn werde es unweigerlich zu einem Dritten Weltkrieg kommen.

Apokalyptische Superlative

Trump wirkt inzwischen selbst wie ein Gefangener. Nicht hinter Gittern, aber gefangen zwischen seinen offenkundig notwendigen, beschwörenden Weltuntergangsszenarien und dem, was er nicht sagen kann, ohne sich strafbar zu machen. Einen Beitrag, der ihn selbst mit einem Baseballschläger in der Hand zeigt, neben einem Foto des New Yorker Staatsanwalts Alvin Bragg, hat er vorsorglich lieber wieder gelöscht.

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Trumps Provokationen und apokalyptische Superlative haben gesetzliche Grenzen. Das wird er in den kommenden Wochen und Monaten wohl immer häufiger zu spüren bekommen. Abhalten von seiner Kandidatur kann ihn aber trotzdem niemand, außer er sich selbst. Verhindern kann eine Kandidatur womöglich nur Floridas Gouverneur Ron DeSantis, sollte dieser wirklich antreten und die Vorwahlen gewinnen.

Für ihn hatte Trump in Texas erwartungsgemäß nur Schmähungen übrig. "Unter Tränen" sei DeSantis einst zu ihm gekommen, damit Trump ihm helfe. Darum habe er sich ihm gegenüber loyal verhalten und seinen Sieg als Gouverneur erst ermöglicht. Heute wolle DeSantis den amerikanischen Sozialstaat abbauen und die Gesundheitsversorgung einschränken, warnte Trump. Es ist wohl der einzige Moment, in dem der Republikaner klingt, als wäre er eigentlich ein Demokrat.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Livestream von CNN-News18 (englisch)
  • j6prisonchoir.com: Justice for all (englisch)
  • billboard.com: Digital Song Sales (englisch)
  • forbes.com: Trump And Jan. 6 Prisoners Collaborate On New Song Called 'Justice For All' (englisch)
  • axios.com: Trump suggests DA "dropped" Stormy case (englisch)
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