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Panzer für die Ukraine: Ist Deutschland wirklich der Bremsklotz?


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Welche Rolle spielt Biden?
Deutschland am Pranger

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 17.09.2022Lesedauer: 6 Min.
"Schwer zu sagen": US-Präsident Joe Biden will noch keine Panzer liefernVergrößern des Bildes
"Schwer zu sagen": US-Präsident Joe Biden will noch keine Panzer liefern. (Quelle: IMAGO/Pete Marovich - Pool via CNP)
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Der Bundeskanzler liefert keine westlichen Panzer an die Ukraine und wird dafür heftig kritisiert. Dabei wirkt auch Joe Biden unentschlossen. Was steckt dahinter?

Obwohl die Amerikaner bei Panzerlieferungen an die Ukraine selbst unentschieden sind, richtet sich die öffentliche Kritik fast ausschließlich gegen Deutschland und Olaf Scholz. In vielen großen Tageszeitungen wird die Haltung des Bundeskanzlers kritisiert. "Die Panzer-Verzögerung von Herrn Scholz ist eine Gefahr für die Ukraine und die Nato und eine Schande für einen Bundeskanzler, der vor einem halben Jahr ein mutigeres Deutschland versprochen hat", heißt es etwa im "Wall Street Journal".

Einmal mehr steht die Haltung Deutschlands in den US-Medien als Bremsklotz am Pranger. Einmal mehr sah sich die deutsche Botschafterin in Washington, Emily Haber, deshalb dazu aufgerufen, die Wogen zu glätten. "Unsere Kommunikation könnte besser sein", räumte sie auf Twitter ein und nahm einen Teil der Kritik auf sich. Dass diese Kritik bisweilen als überzogen und unfair angesehen wird, daran ließ Haber keinen Zweifel. "Deutsche Waffen haben einen Unterschied gemacht", schrieb sie und zählte all die schweren Waffen auf, die Deutschland bereits geliefert hat.

Wendepunkt im Krieg? Biden bleibt vage

Die einseitige Kritik an Deutschland wirkt zumindest in den US-Medien wenig reflektiert hinsichtlich der amerikanischen Regierungshaltung. Als der US-Präsident diese Woche gefragt wurde, ob die Ukraine durch ihre jüngsten militärischen Erfolge einen Wendepunkt im Krieg erreicht habe, eierte Joe Biden herum. Die Frage sei nicht zu beantworten, sagte er. "Das ist schwer zu sagen. Es ist klar, dass die Ukrainer erhebliche Fortschritte gemacht haben. Aber ich denke, es wird noch ein langer Weg sein", so der Präsident. Seine zögerlichen Worte haben einen wichtigen Hintergrund.

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Denn wie beim deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz ist auch in den USA die Einschätzung zur Lage in der Ukraine verbunden mit der Frage nach möglichen künftigen Kampfpanzerlieferungen westlicher Bauart. Schließlich hat die US-Regierung bislang ebenfalls keine "main battle tanks" für den Abwehrkrieg gegen Russland geliefert. In den Vereinigten Staaten dreht sich die Debatte nicht um Leopard-2-Panzer, sondern um Abrams. Auf dieser Seite des Atlantiks gerät die Regierung bisher jedoch fast nur unter Druck durch die Opposition. Die zumindest verlangt immer lauter, die Biden-Administration müsse endlich den nächsten Schritt gehen.

"Die Ukraine braucht Kurzstreckenraketen, Panzer und Flugzeuge. Und viel mehr Artillerie", forderte etwa der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger. "Je schneller dies geschieht, desto eher endet der Krieg." Der führende republikanische Senator im Außenausschuss, Jim Risch, betonte in einem Tweet: "Ich werde weiterhin alles in meiner Macht Stehende tun, um die Ukraine mit den erforderlichen Waffen, einschließlich Kampfpanzern, auszustatten." Der republikanische Oppositionsführer im Senat, Mitch McConnell, argumentierte ähnlich: "Die Ukrainer brauchen mehr Waffen, als wir ihnen derzeit geben. Sie brauchen neue Fähigkeiten wie ATACMS-Langstreckenraketen, große Drohnen und Panzer."

Große Bedenken bleiben

Im Weißen Haus aber glaubt man trotz der aktuellen Erfolge offenbar noch nicht daran, dass sich die Lage so ausschlaggebend verändert hat, dass bereits jetzt ein entscheidender Strategiewechsel verkündet werden könnte. Obwohl die Ukraine sie fordert, wollen die USA bislang weder Langstreckenraketensysteme noch eigene Abrams-Panzer liefern.

Gründe für diese Haltung kursieren in Washington viele:

  • Die USA könnten aktuell nicht garantieren, ausreichend Ersatzteile zur Instandhaltung von Kampfpanzern bereitzustellen, heißt es etwa aus Kreisen des Pentagons. Insbesondere die Militärs im Verteidigungsministerium sollen demnach das Weiße Haus darauf hinweisen, dass Panzerlieferungen nur dann Sinn ergäben, wenn es dazu auch eine intakte Lieferkette gebe. Das Argument wirkt plausibel: Die mangelhaften militärischen "Supply Chains" in der US-Armee wurden in den vergangenen Jahren immer wieder problematisiert. Allerdings: Wenn die Amerikaner, die immerhin über den größten Militärhaushalt weltweit verfügen, wirklich wollten, könnten sie für ausreichend Nachschub und Instandhaltung sorgen.
  • Ein Argument, das von Beginn an immer wieder vorgetragen wurde, ist das fehlende Training der ukrainischen Einsatzkräfte an westlichen Kampfpanzern. Richtig ist: Anders als bei Panzern aus Sowjetbeständen müssten ukrainische Truppen gesondert an Abrams-Panzern ausgebildet werden. Fakt ist aber auch: Der Krieg dauert inzwischen mehr als ein halbes Jahr. Das Training hätte schon beginnen können.
  • Die strategischen Überlegungen im Weißen Haus deuten immer wieder auf eines hin: Man will Putin keinen Vorwand geben, weiter zu eskalieren. Erstmals Panzer westlicher Bauart zu liefern, wäre in jedem Fall eine neue Stufe der Unterstützung für die Ukraine. Größere Reichweiten und stärkere Angriffsmöglichkeiten, auch auf russisches Territorium, könnten die Biden-Regierung davon abhalten, eigene Panzer zu liefern. Wer weiß, was die Ukraine schlussendlich mit solchen Waffen anstellt? Andererseits: Die US-Regierung hat seit Beginn des Krieges ihre Waffenlieferungen mehrfach an die dynamische Gefechtslage angepasst. Gut möglich, dass das Weiße Haus vor einer erneuten Anpassung steht.

Ohne Abrams-Panzer keine Leopard 2

Von den Entscheidungen in den USA hinsichtlich möglicher Panzerlieferungen hängt auch die deutsche Haltung ab. Nach Informationen von t-online heißt es in deutschen Regierungskreisen: "Solange die Amerikaner keine Abrams liefern, liefert Deutschland auch keine Leopard 2 an die Ukraine." Die deutsche Regierung werde hier nicht zuletzt aus historischen Gründen niemals alleine in Führung gehen.

Es ist das bekannte Abstimmungsargument: keine deutschen Alleingänge. Dieser Art der Rechtfertigung für den deutschen Standpunkt hatte die US-Regierung allerdings über ihre Botschafterin in Berlin, Amy Gutmann, schon vor einigen Tagen die Grundlage entzogen. "Die Entscheidung über die Art der Hilfen liegt letztlich bei jedem Land selbst", twitterte die US-Botschaft nach einem Interview, das Gutmann zuvor dem "ZDF" gegeben hatte.

Darin sagte die Biden-Vertreterin bei "Berlin direkt": "So sehr ich die Bestrebungen von Deutschland begrüße und bewundere, besonders die Zeitenwende, die von Kanzler Scholz ausgerufen wurde, und auch was die Deutschen in der Unterstützung der Ukraine machen", so Amy Gutmann, "meine Erwartungen sind noch höher". Insbesondere was die künftige Zusammenarbeit der USA mit Deutschland angehe, müsse man "noch mehr tun". Die deutsche Bundesregierung beteuert derweil, dass es mit Blick auf die Panzerlieferungen keinen Druck aus Washington gebe.

Die Amerikaner wollen diese Aussagen auch nicht als Forderung verstanden wissen, dass Deutschland endlich Panzer an die Ukraine liefern solle. Nur verstecken hinter den USA, das soll sich die deutsche Regierung wohl nicht. Schon lange erwartet das Weiße Haus von Deutschland eine stärkere, eigenständige Führungsrolle in Europa und hat offenbar genug von solchen Ausflüchten.

Liefern über den Ringtausch hinaus

Die jüngsten Äußerungen der grünen Außenministerin Annalena Baerbock dürften in Washington deshalb erfreut aufgenommen worden sein. In einem Interview mit der "FAZ" hatte Baerbock zu der Debatte um Panzerlieferungen gesagt: "In der entscheidenden Phase, in der sich die Ukraine gerade befindet, halte ich das aber auch nicht für eine Entscheidung, die lange hinausgezögert werden sollte."

Eine Einschätzung, von der die Grünen überzeugt sind: "Die kommenden Wochen und Monate sind für die Ukraine eine entscheidende Phase im Abwehrkrieg gegen Russland", bekräftigte auch der Grünen-Parteivorsitzende Omid Nouripour bei einem aktuellen Besuch in den USA gegenüber t-online. "Es ist darum wichtig, dass wir fortlaufend überprüfen, wie wir die Ukraine im Bündnis mit unseren Partnern aus Nato und EU, vor allem aber auch im Verbund mit unserem engen Verbündeten USA weiter spürbar unterstützen können und müssen", so Nouripour. "Das gilt unabhängig von der Diskussion um einzelne Waffensysteme, über Ringtausche hinaus – und auch für die Bestände von Bundeswehr und Industrie."

Der Druck auf den Bundeskanzler wächst. In einem kürzlich veröffentlichten Papier der Berliner Denkfabrik "European Council on Foreign Relations" ist ebenfalls zu lesen, dass die Europäische Union einen "langfristigen Kriegsplan" für eine gelingende Unterstützung der Ukraine benötige. Die Autoren schreiben, dass dafür deutsche Kampfpanzer zwingend notwendig seien:

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"Gebrauchte US M-113 Schützenpanzer, M-109 Haubitzen und deutsche Kampfpanzer Leopard 2 müssen das zukünftige Rückgrat des ukrainischen Militärs sein, weil es keine Alternative gibt. Auch fehlt die Kapazität (oder das Geld), um brandneue Geräte in den erforderlichen Mengen herzustellen", so die Autoren. Kampfpanzer seien zudem ein relativ "kostengünstiges Mittel, um das gewünschte Ergebnis zu liefern".

Zuletzt hatte auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem Interview bei "Bild-TV" gefordert: "Wenn sie sagen, sie brauchen Kampfpanzer, dann sollten wir das ernst nehmen und sollten ihnen das liefern." Es ist eine weitere deutliche Forderung an den deutschen Kanzler.

Die Amerikaner könnten sich schon bald bewegen

Doch bei allem Druck auf den Kanzler. Dass einem deutschen Vorgehen dennoch eine Entscheidung der Amerikaner vorausgehen muss, darüber gibt es derweil innerhalb der Ampel kaum Illusionen. Bereitschaft signalisieren und fordern, wie Baerbock es tut, ja. Aber keine Entscheidung ohne die USA. Das bleibt die deutsche Haltung, die womöglich besser kommuniziert werden muss.

Es ist möglich, dass sich die USA bei der Frage nach eigenen Panzerlieferungen bewegen werden. Anschließend, beziehungsweise parallel, werden sie sich mit den Partnern der sogenannten Nato-Kontaktgruppe im Ramstein-Format abstimmen. Nachdem im ukrainischen Isjum jetzt Massengräber gefunden wurden, dürfte in Amerika der öffentliche Druck auch auf die Biden-Regierung jedenfalls weiter steigen.

Wenn Biden und seine Militärberater beidrehen, dürfte dem Bundeskanzler keine andere Wahl bleiben, als mitzumachen. Ausgeschlossen hat Scholz das ohnehin nicht.

Verwendete Quellen
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