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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Militäreinsatz in Mali Die Bundeswehr muss bleiben – sonst profitiert Russland
Frankreich beendet seinen Anti-Terror-Einsatz in Mali, die Lage wird gefährlicher. Sollte die Bundeswehr sich trotzdem weiter an einer Mission dort beteiligen? Es gibt gute Gründe dafür, findet Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Der Bundestag wird Ende Mai über eine weitere Beteiligung am Blauhelm-Einsatz in Mali entscheiden. An diesem Mittwoch wird erstmals darüber debattiert, die Ampelregierung ist dafür. Trotz Rückschlägen spricht viel für ein weiteres Engagement, um das Land nicht weiter in die Destabilisierung abgleiten zu lassen – und es Russland zu überlassen; Mali ist hier Schauplatz eines neuen Ost-West-Konflikts auf dem afrikanischen Kontinent.
Die Bundeswehr unterstützt mit rund 1.400 Soldatinnen und Soldaten die Stabilisierung des Nordens des Landes, von wo französische Soldaten 2013 Dschihadisten vertrieben hatten. Doch das riesige Land – fast viermal so groß wie die Bundesrepublik – ist seitdem nie wieder zu Frieden und dauerhafter Stabilität zurückgekehrt. Die Dschihadisten kehrten aus ihren Wüstencamps zurück und agieren inzwischen auch im Zentrum des Landes. Fast zwei Drittel des Staates sind praktisch außerhalb der Kontrolle der Zentralregierung in der Hauptstadt Bamako.
Stabilität Malis für Europa wichtig
Nun beendet auch noch Frankreich seinen Anti-Terror-Einsatz nach einem Konflikt mit der malischen Militärregierung, die mindestens noch für einige Jahre an der Macht bleiben will und sich zudem auch noch russische Soldaten ins Land geholt hat. Das macht den Bundeswehreinsatz künftig noch gefährlicher, weil die Franzosen den rein defensiven Einsatz der Vereinten Nationen aus der Luft abgesichert hatten.
Ulf Laessing leitet das Regionalprogramm Sahel der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Bamako (Mali).
Warum dennoch bleiben? Zum einen ist die Stabilität Malis und des Sahels auch für Europa und Deutschland von großer Bedeutung – besonders im Zusammenhang mit Themenkomplexen wie Sicherheit und Migration. Zum anderen lässt sich schon seit einiger Zeit ein verstärktes Auftreten anderer externer Akteure in der Region beobachten, wie eben beispielsweise Russland. So besteht eine offizielle Militärkooperation zwischen beiden Regierungen, die unter anderem die Lieferung von Helikoptern, Radargeräten und Munition sowie die Entsendung von Militärtrainern umfasst.
Das ideale Einfallstor für Russland
Darüber hinaus sollen sich mittlerweile aber auch rund 1.000 Söldner der sogenannten Wagner-Gruppe im Land aufhalten, die auch schon in der Zentralafrikanischen Republik im Einsatz ist – Tendenz steigend. Die Russen unterstützen die malische Armee bei einer Offensive im Zentrum des Landes und waren laut Angaben von Menschenrechtsgruppen bereits an mehreren Massakern an der Zivilbevölkerung beteiligt. Westliche Diplomaten hatten vermutet, dass die russischen Kräfte mit dem Beginn der Invasion der Ukraine künftig dort benötigt werden würden, aber der malische Verteidigungsminister eilte nach Beginn der Invasion nach Moskau, um die Kooperation weiter auszubauen.
Mali ist für Russland das ideale Einfallstor, um den Westen zu spalten und die Franzosen und andere westliche Partner wie Deutschland zum Abzug zu drängen. Die frühere Kolonialmacht hatte sich in Mali mit einem häufig als arrogant empfundenen Auftreten von Regierungsvertretern unbeliebt gemacht; ein gefundenes Fressen für russische Trolle, um eine Kampagne gegen Frankreich und den Westen zu starten.
Baerbock findet klare Worte
Um sich weiter die Unterstützung der malischen Bevölkerung zu sichern, baut Russland nun auch seine Medienaktivitäten aus: Reporter des französischsprachigen Programms des Staatssenders Russia Today filmten kürzlich in einer malischen Kaserne. Russland dürfte Malis Militärregierung vermutlich auch dazu ermuntern, die eigentlich für Februar 2022 geplanten Wahlen weiter zu verzögern, damit diese ihre Macht zementieren kann. Bamako will die Transition nach aktuellem Stand noch mehrere Jahre hinziehen.
Gerade angesichts dieser Entwicklung und der wachsenden Einflusssphäre anderer Akteure ist es wichtig, dass Deutschland und andere westliche Staaten auch weiterhin Präsenz zeigen, Gesprächsangebote machen und sich als zukunftsfähige Partner präsentieren. Deutschland versucht, weiter mit Mali im Gespräch zu bleiben. Außenministerin Annalena Baerbock reiste erst im April in das Land und sprach zweieinhalb Stunden mit Militärmachthaber Assimi Goïta. Es fielen klare Worte, sagen Diplomaten.
Vor allem ist es wichtig, die Beteiligung an der Blauhelm-Truppe Minusma fortzusetzen. Trotz aller Kritik hilft sie dabei, dass Mali nicht noch weiter im Chaos versinkt. Die Handlungsfähigkeit der Minusma hängt von der Bundeswehr ab, weil die Deutschen für Luftaufklärung sorgen. Doch auch beim UN-Einsatz gibt es Probleme, da Mali die Schlagkraft der Truppe einschränken möchte. Die Drohneneinsätze der Bundeswehr dürfen nur noch nach Genehmigung starten; man will sich offenbar nicht in die Karten schauen lassen.
Malis Psychospiele
Dazu kommen Psychospiele: Malische Hubschrauber feuerten im März sechs Raketen in Richtung einer britischen Blauhelm-Patrouille, die im Nordosten unterwegs war – die Einschläge landeten nur 50 Meter entfernt, sagen Diplomaten. Die Malier beteuerten, sie hätten Terroristen ins Visier genommen, doch für die Briten war dies ein klares Signal, dass Mali die Minusma in die Schranken weisen wolle. Seitdem macht sich auch noch mehr Unsicherheit bei der Bundeswehr und anderen westlichen Armeen vor Ort breit.
Man sieht also: Die Beziehungen zu Bamako werden durch die fehlende demokratische Legitimierung der Militärregierung und den engeren Anschluss an Russland zunehmend zur Herausforderung. Und dennoch: Wir sollten in Mali bleiben. Die Minusma stellt sicher, dass Mali zumindest die großen Städte im Norden und Zentrum weiter kontrolliert und sorgt damit für ein Mindestmaß an Stabilität – an der auch deutsche und europäische Handlungsspielräume im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe hängen.
Darüber hinaus würde sich eine weitere Destabilisierung Malis negativ auf die Stabilität der ganzen Region des westlichen Afrikas auswirken. Und die langfristigen Konsequenzen einer solchen Entwicklung würden voraussichtlich massive negative Auswirkungen weit über den Kontinent hinaus haben. Und letztendlich gilt: Nur wer vor Ort ist, kann mitreden. Wir sollten daher weiter Präsenz in Mali zeigen.
Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.