Unsichere Lage Neue Erkenntnisse zu Präsidentenmord in Haiti
Die Lage in Haiti ist weiter unsicher. Nach dem Mord an Präsident Jovenel Moïse wollen die USA aber keine Truppen entsenden. Die Ermittlungsbehörden haben indessen neue Hinweise gesammelt.
Die USA wollen keine Truppen nach Haiti schicken, um das Land nach der Ermordung des Staatspräsidenten Jovenel Moïse zu stabilisieren. Die Regierung des Karibikstaates hatte die Ex-Besatzungsmacht USA darum gebeten. Das stehe derzeit nicht auf der Tagesordnung, sagte jedoch US-Präsident Joe Biden am Donnerstag im Weißen Haus. Die Vereinigten Staaten würden lediglich Marines zur Sicherung ihrer Botschaft nach Haiti entsenden. Aus Kolumbien kamen am Donnerstag neue Informationen zu dem Attentat ans Licht: Ein Großteil der mutmaßlichen Täter soll das wahre Ziel ihrer Mission nicht gekannt haben.
Bei den gemeinsamen Ermittlungen haitianischer und kolumbianischer Behörden wurden zwei Kolumbianer als Organisatoren des Anschlags vor Ort identifiziert, wie der Chef der kolumbianischen Nationalpolizei, Jorge Vargas, in einer Pressekonferenz in Bogotá sagte. Nach Verhören haitianischer Ermittler hätten sie den übrigen Mitgliedern der Kommandotruppe gesagt, es gehe darum, Moïse festzunehmen und der US-Anti-Drogenbehörde DEA zu übergeben.
Täter gaben sich als DEA-Agenten aus
Der 53 Jahre alte Staatschef war in der Nacht zum 7. Juli in seiner Residenz überfallen und erschossen worden. Seine Ehefrau wurde schwer verletzt. Nach Angaben der Polizei führten 26 kolumbianische Söldner und zwei US-Amerikaner haitianischer Herkunft den Mord aus. In die Präsidentenresidenz hinein gegangen sei nur eine kleinere Gruppe von geschätzt sieben Kolumbianern, erklärte Vargas.
Die Täter gaben sich als DEA-Agenten aus. Die DEA hat erklärt, einer der Verdächtigen sei in der Vergangenheit ein Informant der Behörde gewesen. Keiner von ihnen habe aber im Auftrag der DEA gehandelt.
Hauptverdächtiger ist ein Arzt
Die zwei US-Bürger, drei Haitianer und 18 der Kolumbianer wurden festgenommen, weitere drei Kolumbianer getötet. Eine "kleine Anzahl" der Festgenommenen habe in der Vergangenheit als aktive Mitglieder der kolumbianischen Streitkräfte an Trainings- und Bildungsprogrammen des US-Militärs teilgenommen, teilte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Darüber hatte die "Washington Post" berichtet.
Einer der Festgenommenen ist laut Polizei ein mutmaßlicher Drahtzieher: ein haitianischer Arzt, der in den USA wohnte. Dem 63-Jährigen wird vorgeworfen, die Söldner über eine private Sicherheitsfirma mit Sitz in den USA, die einem Venezolaner gehört, angeheuert zu haben. Er habe Moïse ersetzen wollen. Mit dem Arzt sollen sich laut Vargas die zwei identifizierten Organisatoren des Anschlags sowie ein weiterer Kolumbianer getroffen haben. Einer von ihnen habe 50.000 Dollar (rund 42.000 Euro) aus den USA erhalten.
US-Bundespolizei FBI ermittelt
Die Ermittler erhielten Informationen auch von Kolumbianern, die für die Mission rekrutiert worden seien, aber nicht nach Haiti gegangen seien, sagte der kolumbianische Präsident Iván Duque am Donnerstag im Radiosender La FM. Zudem hätten die Behörden mit einem Mann Kontakt aufgenommen, der nach Haiti gereist und zurückgekehrt sei. An den Ermittlungen ist auch die US-Bundespolizei FBI beteiligt.
Die Tat verschärfte eine bereits bestehende politische Krise in dem armen Karibikstaat. Der Interims-Premierminister und Außenminister Claude Joseph wurde bisher von der internationalen Gemeinschaft als Regierungschef akzeptiert, obwohl Moïse kurz vor seinem Tod einen Nachfolger als Premierminister ernannt hatte. Der kolumbianische Rundfunksender Caracol berichtete am Mittwoch, Joseph gelte den Ermittlern als Hauptverdächtiger. Haitis Interims-Polizeichef Léon Charles wies dies am Donnerstag in einer Videobotschaft zurück.
Für September sind in Haiti Präsidenten- und Parlamentswahlen geplant. Deren Durchführbarkeit ist wegen der Sicherheitslage allerdings fraglich. In der Hauptstadt Port-au-Prince haben Kämpfe zwischen Banden um Kontrolle über Gebiete nach UN-Zahlen seit Juni rund 15.500 Menschen in die Flucht gezwungen.
- Nachrichtenagentur dpa