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Presse zum Nahostkonflikt: "Neuer Gaza-Krieg ist nicht mehr nur leere Drohung"


Presse zum Nahostkonflikt
"Ein neuer Gaza-Krieg ist nicht mehr nur leere Drohung"

Von dpa, afp
Aktualisiert am 12.05.2021Lesedauer: 5 Min.
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Eskalation im Nahostkonflikt: Aus dem Gazastreifen wurden Hunderte Raketen abgeschossen – Israels Armee reagiert mit Angriffen. (Quelle: t-online)
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Tausende Raketen werden auf Israel geschossen, die Kriegsgefahr wird immer größer. Auch die internationale Presse ist besorgt über die Entwicklungen im Nahen Osten.

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern spitzt sich weiter zu. Die internationale Presse blickt mit Sorge auf die Eskalation im Nahen Osten. Ein Überblick:

"La Vanguardia" (Madrid, Spanien): "Selbst in einem Land wie Israel, das an Gewalt gewöhnt ist, sorgt die Zahl der zivilen Opfer der vergangenen Tage für Alarm. Es gibt mehrere Faktoren, die den alten Konflikt zwischen Juden und Arabern wieder angeheizt haben. Hier sind das Vorgehen der israelischen Polizei gegen Muslime während des Ramadan, die Unruhen wegen der Räumungsanordnung gegen palästinensische Bewohner im muslimischen Teil Jerusalems, die provokativen Demonstrationen ultraorthodoxer Juden im Ostteil der Stadt und die Polizeieinsätze vor der Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg zu nennen. (...) Diese schrecklichen Tage mit schockierenden Bildern, wie sich eine palästinensische Mutter über zwei ihrer durch Bomben getötete Kinder beugt oder von Palästinensern, die versuchen, einen jüdischen Autofahrer zu lynchen, könnten noch lange nicht vorbei sein. Hier steht eine große militärische Macht einem Gegner gegenüber, dessen Verzweiflung so groß ist, dass er glaubt, wenig zu verlieren zu haben. Aber Juden und Palästinenser müssen auf die Lösung des Konflikts setzen, statt ihn weiter zu vertiefen."

"Neue Zürcher Zeitung" (Schweiz): "Eine dritte Intifada und ein neuer Gaza-Krieg sind plötzlich nicht mehr nur leere Drohungen von Extremisten aus beiden Lagern, sondern erschreckend realistische Optionen. Die arabischen Nachbarn, die neue Regierung in Washington und andere internationale Akteure werden hinter den Kulissen nun alles daransetzen, das Feuer zu löschen. Auch die israelische Regierung und die Palästinensische Autonomiebehörde haben eigentlich kein Interesse an einer weiteren Eskalation. Doch beide sind geschwächt, das macht die Situation unberechenbar und gefährlich. (...) Die Gewalteskalation führt aber einmal mehr auch vor Augen, dass sich die Palästinenser nicht damit abfinden werden, als Bürger zweiter Klasse unter israelischer Kontrolle zu leben, und eine politische Lösung des Konflikts nötig ist."

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"Washington Post" (USA): "Die Regierung (von US-Präsident Joe) Biden sollte ihr Bestes tun, um Kairos Vermittlungsbemühungen zu unterstützen. Aber es wäre ratsam, den unvermeidlichen Rufen zu widerstehen, die Vereinigten Staaten sollten sich wieder in den seit Langem zum Scheitern verurteilten israelisch-palästinensischen "Friedensprozess" einbringen. Wie die Regierung (des früheren US-Präsidenten Barack) Obama feststellte, gibt es keine Aussicht auf einen Durchbruch, solange die Palästinenser zwischen der Hamas und der säkularen Fatah-Bewegung von (Palästinenserpräsident Mahmud) Abbas gespalten sind und die israelische Politik von (Ministerpräsident Benjamin) Netanjahu dominiert wird. Bevor es einen israelisch-palästinensischen Durchbruch geben kann, müssen beide Seiten eine politische Erneuerung vollziehen. Leider könnte der neue Ausbruch der Gefechte diesen dringend benötigten Umbruch weniger wahrscheinlich machen."

"DNA" (Straßburg, Frankreich): "Seit mehr als einer Woche färbt sich Jerusalem jeden Abend glutrot. Jeden Abend wächst der Brand und breitet sich aus. Was beschönigend als "wachsende Spannung" bezeichnet wird, ist lediglich das Weiterführen einer schlimmen Strategie, die durch Provokation und dem Versuch, durch Gewalt ein neues Machtverhältnis zu erzwingen, geprägt ist. Von einem Gleichgewicht kann schon lange nicht mehr die Rede sein. (...) Die Welt bleibt auf Abstand. (Der ehemalige US-Präsident) Donald Trump hat ohne jede Form von Respekt vor dem internationalen Völkerrecht, die Souveränität des jüdischen Staates über illegal annektierte Gebiete bestätigt. Nun haben es die Vereinigten Staaten und ihr neuer Präsident überhaupt nicht mehr eilig, sich einzubringen. Die Europäische Union hat nicht mehr viel zu sagen und besitzt keine Möglichkeiten zu handeln. In Wahrheit hat sich bei der machtlosen internationalen Gemeinschaft, die vor allem versucht, keine Schläge abzubekommen, eine Müdigkeit eingestellt. Als wäre dies alles ein unabwendbares Schicksal."

"Die Presse" (Wien, Österreich): "Die radikalen Islamisten nahmen die israelischen Vergeltungsschläge in Kauf. Sie wollten die Eskalation, um sich vor der palästinensischen Bevölkerung als Helden, Rächer und Märtyrer in Szene zu setzen. Niemand kann ernsthaft erwarten, dass Israel auf sein Selbstverteidigungsrecht verzichtet. Soll es vielleicht noch sein Abwehrsystem ausschalten und Raketen auf seine Bürger herabregnen lassen? Um Feinde von weiteren Attacken abzuschrecken, muss Israel antworten, und zwar hart. Das ist die militärische Logik in diesem Konflikt, sie ist kein Geheimnis. (...) Mit ihren Angriffen will die Hamas die seit Wochen schwelenden Unruhen in Jerusalem kapern und sich an die Spitze der Protestbewegung setzen. Doch so schaden die Extremisten der Sache ihres Volkes nur. Mit ihrem dummen und kontraproduktiven Raketenfeuerwerk setzen sie die Palästinenser ins Unrecht."

Frankfurter Rundschau: "Die Eskalation der Gewalt in Nahost heißt zwar noch nicht, dass eine dritte Intifada begonnen hat. Aber die Gefahr, tatsächlich in einen neuen Gaza-Krieg zu schlittern, ist groß. Und der geht, wie man aus Erfahrung weiß, immer und vor allem auf Kosten der unbeteiligten palästinensischen Bevölkerung in dem Elendsstreifen und auch auf die der israelischen Nachbarschaften. Israels Sicherheitsbehörden jedenfalls (...) geben sich nun entschlossen, den militanten Islamisten die ganz harte Faust zu zeigen, um die Übermacht ihrer Streitkräfte zu beweisen. Anders als in den letzten Eskalationsrunden spricht wenig dafür, dass die aktuelle schnell endet."

Was hat es mit dem Nahostkonflikt auf sich? Sowohl Juden als auch Araber erheben aufgrund ihrer Geschichte Anspruch auf das Land Palästina. Nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss die UN die Teilung des Landes in zwei Staaten. Daraufhin brach ein Kampf zwischen Israel und Palästinensern aus, der bis heute anhält.

"Tages-Anzeiger" (Zürich, Schweiz): "Die Hamas will nicht nur Israel herausfordern. Sie will mit diesem Kampf zur unumstrittenen Führungsmacht unter den Palästinensern werden. Das macht die jüngste Runde der Gewalt so gefährlich. (...) Seit 2007 herrschen die Islamisten im Gazastreifen, während die Rivalen von der Fatah im Westjordanland regieren. Der dortige Präsident Mahmud Abbas dient aller Welt als Ansprechpartner, die Hamas dagegen ist isoliert und wird in ihrer Enklave am Mittelmeer nicht nur von Israel, sondern auch von Ägypten mit einer Blockade belegt. (...) Die Gaza-Herrscher setzen zur Profilierung auf einen kurzen und heftigen Schlagabtausch mit Israel. Doch es ist völlig ungewiss, ob Israel mitspielt. (...) Die Antwort der israelischen Armee auf die Raketenangriffe aus Gaza war heftig und schmerzhaft. Doch nun steht Israels Regierung vor der Frage, ob sie es dabei belassen will – oder ob sie der so demonstrativ auftrumpfenden Hamas einen entscheidenden Schlag versetzen will. Dies würde einen Krieg bedeuten, der so schnell nicht zu Ende geht."

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"Guardian" (London, Großbritannien): "Deeskalation muss die oberste Priorität haben, um das Leben von Zivilisten zu schützen, die sowohl von der israelischen Regierung als auch von den militanten Palästinensern mit so rücksichtsloser und tödlicher Missachtung behandelt werden. Die internationale Gemeinschaft muss ihr Gewicht in die Waagschale werfen. (...) Donald Trump hatte Benjamin Netanjahu ständig aufgestachelt. Jetzt gibt es eine Regierung in Washington, die diese Probleme ernsthaft angehen kann. Sie hat die militanten Angriffe zu Recht verurteilt. Aber sie muss den israelischen Behörden gegenüber ähnlich deutlich sein, nicht nur wegen deren militärischer Reaktion, sondern auch wegen der Maßnahmen, die vorhersehbar zu diesem jüngsten Ausbruch von Gewalt geführt haben."

"de Volkskrant" (Amsterdam, Niederlande): "Israel hat die Verstärkung seiner Truppen an der Grenze zum Gazastreifen und die Mobilisierung von 5.000 Reservisten verkündet. Daher wird befürchtet, dass dies ein länger andauernder Konflikt wird. Seit dem Gazakrieg von 2014 ist das nicht mehr geschehen. Zwar wurden durchaus weiterhin Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert, woraufhin die israelische Antwort folgte. Aber die Gewalt dauerte nicht länger als ein paar Tage. Dann verstand es die internationale Gemeinschaft mit Ägypten, Katar und den USA an der Spitze, die Streitparteien wieder zu einer Waffenruhe zu bewegen. (...)

Was ist nun in die Hamas gefahren, ein so riskantes Spiel zu spielen? Die Organisation sah, wie ihre palästinensische Rivalin – die Fatah, die das Westjordanland regiert – in den vergangenen Tagen nicht mehr als wütende Verurteilungen der Gewalt in Jerusalem zustande brachte. Die Hamas sah die Chance, sich zu profilieren: sie warf sich auf als die Beschützerin Jerusalems und der Al-Aksa-Moschee."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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