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Bergkarabach: Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan spitzt sich zu


Putin fordert Waffenstillstand
Konflikt um Bergkarabach spitzt sich gefährlich zu

Von dpa, afp, mam

Aktualisiert am 06.10.2020Lesedauer: 4 Min.
Stepanakert: Die Stadt wurde seit Freitag wiederholt bombardiert.Vergrößern des Bildes
Stepanakert: Die Stadt wurde seit Freitag wiederholt bombardiert. (Quelle: ZUMA Wire/imago-images-bilder)

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In der Konfliktregion Bergkarabach im Südkaukasus dauern die Kämpfe auch zu Wochenbeginn an: Russlands Staatschef Wladimir Putin hat am Montag einen "sofortigen" Waffenstillstand in dem Konflikt gefordert. In einem Telefonat mit Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan diskutierten die beiden die Lage in der Krisenregion, die zu "schweren Opfern" geführt habe, wie der Kreml am Montag mitteilte. Seit Beginn der Kämpfe um Berg-Karabach vor mehr als einer Woche sind mindestens 245 Menschen getötet worden. Armenien und Aserbaidschan werfen sich gegenseitig gezielte Angriffe auf die Zivilbevölkerung vor.

Die Hauptstadt Stepanakert sei am Montagvormittag mit Raketen angegriffen worden, teilten die Behörden mit. Zudem seien Wohngebiete beschossen worden. Nach armenischen Angaben gingen bereits am Sonntag Bomben über der Stadt nieder. AFP-Reporter berichteten von zahlreichen Explosionen und schwarzen Rauchwolken über dem Stadtgebiet.

Angriffe von beiden Seiten

Berichten zufolge flüchteten sich viele Menschen in Stepanakert in Keller oder in die Grenzstadt Goris, um von dort nach Armenien zu gelangen. Das Außenministerium der selbsternannten Regierung von Bergkarabach veröffentlichte Videos, in denen schwer beschädigte Wohnblöcke zu sehen waren, und warf der aserbaidschanischen Armee vor, Streumunition verwendet zu haben – der Einsatz solcher Geschosse ist international geächtet. Es wurden Tote und Verletzte gemeldet.

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Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium erklärte derweil, armenische Truppen hätten die zweitgrößte aserbaidschanische Stadt Gandscha bombardiert. Auf Videoaufnahmen waren zerstörte Häuser in der 330.000-Einwohner-Stadt zu sehen. Auch Angriffe auf die Städte Beylagan, Barda und Terter wurden gemeldet.

Der aserbaidschanische Präsidentschaftsberater Hikmet Hadschijew erklärte, armenische Streitkräfte hätten darüber hinaus die Industriestadt Mingetschawir und den rund 80 Kilometer von der Hauptstadt Baku entfernten Bezirk Abscheron angegriffen. Mit den Worten "Barbarei und Vandalismus", kommentierte er das Vorgehen Armeniens auf Twitter.

Seit Jahren die schwerste Eskalation im Konfliktgebiet

Armenien und Aserbaidschan kämpfen schon seit Jahrzehnten um die bergige Region, in der rund 145.000 Menschen leben. In einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren verlor Aserbaidschan die Kontrolle über das Gebiet. Es wird heute von christlichen Karabach-Armeniern bewohnt. Seit 1994 gilt eine brüchige Waffenruhe. Nun ist der Konflikt erneut aufgeflammt. Es handelt sich um die schwerste Eskalation seit Jahren. Armenien und Aserbaidschan geben sich gegenseitig die Schuld dafür.

Seit Beginn der heftigen Kämpfe vor einer Woche wurden mindestens 245 Menschen getötet, darunter 43 Zivilisten. Die Berichte über Opferzahlen sind allerdings unvollständig. Beide Konfliktparteien sprechen von tausenden getöteten Kämpfern auf Seiten des Gegners und reklamieren militärische Erfolge für sich.

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Gemeinsame Erklärung von Russland, Frankreich und USA

In einer gemeinsamen Erklärung äußerten sich am Montagabend auch die Außenminister Frankreichs, Russlands und der USA zu dem Konflikt. Sie nannten die Gewalt eine "inakzeptable Bedrohung für die Stabilität der Region". Angriffe, die auf zivile Einrichtungen abzielten, müssten sofort unterbunden werden, erklärten Jean-Yves Le Drian, Sergej Lawrow und Mike Pompeo. Zudem forderten die drei Minister einen "sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand".

Die Regierungen in Eriwan und Baku müssten sich "jetzt verpflichten, den Friedensprozess auf der Grundlage einschlägiger Grundprinzipien" wieder aufzunehmen, erklärten die Minister. Frankreich gehört zusammen mit Russland und den USA zur sogenannten Minsk-Gruppe, die versucht, den Konflikt in Berg-Karabach zu entschärfen.

Wird Bergkarabach zum globalen Konflikt?

Das Internationale Rote Kreuz in Genf verurteilte den "wahllosen Beschuss und andere rechtswidrige Angriffe" mit Waffen auf Städte und Siedlungen, bei denen Zivilisten getötet würden und schwere Verletzungen davontrügen. "Es müssen alle möglichen Maßnahmen getroffen werden, um Zivilisten und zivile Infrastrukturen wie Krankenhäuser, Schulen und Märkte zu schützen", forderte Regionaldirektor Martin Schüepp in Genf.

Internationale Aufrufe zur Deeskalation und Vermittlungsangebote blieben bislang erfolglos. Weitere Sorgen bereitet der internationalen Gemeinschaft, dass in Bergkarabach islamistische Terroristen aus Syrien und Libyen zum Einsatz kommen sollen. Laut Spiegel-Recherchen habe der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gezielt syrische Söldner in den Südkaukasus verlagert und so in das Kriegsgeschehen eingegriffen.

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Paschinjan sieht den Konflikt inzwischen als überregionale Bedrohung. "Ich denke, dass dies jetzt in dieser Situation nicht mehr nur ein örtliches Sicherheitsthema ist", sagte er der "Bild". "Es ist ein wesentlicher Teil der globalen Agenda." Paschinjan forderte die europäischen Länder auf, den Angriff auf Bergkarabach und Armenien durch Terroristen eindeutig zu verurteilen.

Russlands Rolle im Kaukasus

Paschinjan hatte am Wochenende eine stärkere Rolle Russlands ins Gespräch gebracht, das als Schutzmacht Armeniens gilt. Über mögliche russische Friedenstruppen sollte in der so bezeichneten Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) diskutiert werden, schlug er vor. In diesem Format vermitteln Russland, Frankreich und die USA in dem Konflikt.

In der "Bild"-Zeitung verwies der armenische Regierungschef zugleich auf die russische Militärbasis in seinem Land mit einem gemeinsamen Luftabwehrsystem. "Der Vertrag zu diesem System legt sehr deutlich fest, in welchen Fällen diese Streitkräfte auch zur Sicherheit Armeniens eingesetzt werden können", sagte er, ohne Details zu nennen. "Ich bin mir sicher, dass Russland seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen wird, falls diese Fälle eintreten."

Nato appelliert an die Türkei, Armenien empfängt russischen Besuch

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Türkei, die mit der öl- und gasreichen Ex-Sowjetrepublik Aserbaidschan verbündet ist, dazu aufgerufen, für Deeskalation in der Konfliktregion zu sorgen. "Ich erwarte, dass die Türkei ihren erheblichen Einfluss nutzt, um Spannungen abzubauen", sagte Jens Stoltenberg am Montag in Ankara bei einem Treffen mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu. "Wir sind zutiefst besorgt über die Eskalation der Feindseligkeiten. Alle Seiten sollten sofort aufhören zu kämpfen und einen Weg zu einer friedlichen Lösung finden."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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