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Oppositionsführerin Kolesnikowa sollte gewaltsam in Ukraine abgeschoben werden


Verschwundene Oppositionsführerin
Kolesnikowa sollte gewaltsam aus Belarus geworfen werden

Von dpa, afp
Aktualisiert am 08.09.2020Lesedauer: 3 Min.
Maria Kolesnikowa: Nachdem es am Montag hieß, die Oppositionsführerin sei entführt worden, soll sie nun beim Grenzübertritt verhaften worden sein.Vergrößern des Bildes
Maria Kolesnikowa: Nachdem es am Montag hieß, die Oppositionsführerin sei entführt worden, soll sie nun beim Grenzübertritt verhaften worden sein. (Quelle: TASS/imago-images-bilder)

Die Umstände des Verschwindens von Maria Kolesnikowa werden immer deutlicher. Die belarussische Oppositionelle sollte wohl außer Landes gebracht werden – und wehrte sich dagegen.

Die belarussischen Behörden haben nach Angaben eines Augenzeugen versucht, die verschwundene Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa gewaltsam in die Ukraine abzuschieben. Kolesnikowa sei "auf den Rücksitz eines Autos gezwungen" worden, berichtete am Dienstag in Kiew der belarussische Aktivist Anton Rodnenkow, der bei dem Vorfall an der belarussisch-ukrainischen Grenze anwesend war. Kolesnikowa habe sich gewehrt und unter anderem ihrem Pass zerrissen, am Ende sei sie festgenommen worden.

Nach ihrem Verschwinden soll die bekannte Oppositionspolitikerin in Belarus dem Grenzschutz zufolge festgenommen worden. Die Opposition ging davon aus, dass sie gegen ihren Willen außer Landes gebracht werden sollte. Den Behörden nach wollte sie aber angeblich in die Ukraine ausreisen. Über ihren Aufenthaltsort herrschte zunächst Unklarheit. Die Opposition verlangte die sofortige Freilassung. Die 38-Jährige ist eine der wichtigsten Anführerinnen der Proteste gegen den autoritären Staatschef Alexander Lukaschenko.

Oppositionsführerin verschwand am Montag

Kolesnikowa war am Montag spurlos verschwunden. Nach Angaben des Grenzschutzes vom Dienstag soll sie mit ihrem Mitarbeiter Iwan Krawzow und ihrem Sprecher Anton Rodnenkow zu dem Kontrollpunkt im Süden des Landes gefahren sein. Die beiden Männer seien ausgereist. Das bestätigte auch die Ukraine. Der Opposition zufolge halten sie sich in Kiew auf. Sie seien in Sicherheit. Am Morgen hatte es noch widersprüchliche Berichte gegeben, dass alle drei in die Ukraine ausgereist seien.

Lukaschenko sagte in einem Interview mit Journalisten von russischen Staatsmedien, dass Kolesnikowa angeblich zu ihrer Schwester in die Ukraine flüchten wollte. Die Grenzbeamten hätten sie daran gehindert.

Die 38-jährige Kolesnikowa, die viele Jahre in Stuttgart wohnte und dort Kulturprojekte managte, ist eine der wichtigsten Oppositionellen. Einige Mitarbeiter des Koordinierungsrates waren zuvor schon festgenommen worden oder ausgereist. Kolesnikowa arbeitet für den Ex-Bankenchef Viktor Babariko, der sich um das Präsidentenamt bewerben wollte.

Festnahme sollte "Umstände klären"

Den Behörden zufolge kam es zu der Festnahme, um "Umstände zu klären". Details wurden nicht genannt. Auch die Opposition bestätigte die Festnahme, ihr lagen aber keine näheren Angaben dazu vor. Sie habe Informationen erhalten, dass Kolesnikowa in einem Gefängnis im Süden des Landes festgehalten wurde. Dafür gab es zunächst aber keine offizielle Bestätigung.

Der Vize-Innenminister der Ukraine, Anton Geraschtschenko, sprach bei Facebook von einer versuchten Abschiebung. "Maria Kolesnikowa konnte nicht aus Belarus abgeschoben werden, da diese mutige Frau durch ihre Handlungen ihre Deportation über die Grenze unmöglich machte." Pawel Latuschko vom Koordinierungsrat der Demokratiebewegung sagte, Kolesnikowa habe an der Grenze ihren Pass zerrissen, um so eine erzwungene Ausreise zu verhindern.

Der Koordinierungsrat ging am Montag zunächst davon aus, dass Kolesnikowa im Zentrum der Hauptstadt Minsk von Unbekannten entführt worden war. Auch Beobachter zweifelten an der Darstellung des Grenzschutzes und sprachen von einem gezielten Vorgehen der Behörden. Kolesnikowa trat immer wieder bei Protestaktionen gegen Lukaschenko auf und wurde dabei von den Demonstranten bejubelt. Sie selbst hatte betont, das Land nicht verlassen zu wollen. "Ich werde nirgendwohin flüchten und bin bereit, mein Land bis zum Ende zu verteidigen."

"Es gibt keine andere Lösung"

Die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja forderte die sofortige Freilassung ihrer Mitstreiterin. "Aufgabe des Koordinierungsrates ist es, eine Plattform für Verhandlungen zu sein", meinte die 37-Jährige, die gegen den Staatschef kandidiert hatte und sich im EU-Land Litauen aufhält. "Es gibt keine andere Lösung, und Lukaschenko muss dies erkennen." Er könne nicht einfach Menschen als Geiseln nehmen. Sie sprach am Dienstag auch in einer Videoschalte vor einem Ausschuss des Europarats und forderte dabei härtere Sanktionen gegen die Regierung.

Hintergrund der Proteste ist die Präsidentenwahl vor mehr als vier Wochen. Lukaschenko hatte sich danach mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen. Die Opposition hält dagegen Tichanowskaja für die wahre Siegerin. Die Abstimmung steht international als grob gefälscht in der Kritik.

Lukaschenko: Alles, was Opposition anbietet, "ist eine Katastrophe für Belarus"

In dem Interview mit dem russischen Staatsfernsehen lehnte der Präsident weiter Gespräche mit Oppositionellen ab. "Das ist keine Opposition. Alles, was sie anbietet, ist eine Katastrophe für Belarus", meinte er. Seine Gegner wollten die "Verbindungen zum brüderlichen Russland" abbrechen, behauptete der 66-Jährige. Minsk wolle dagegen eine weitere Integration mit Moskau. Beide Länder hatten in einem Vertrag für einen Unionsstaat bereits vor 20 Jahren eine engere Zusammenarbeit verabredet.

Die Opposition will über einen Koordinierungsrat einen friedlichen Machtwechsel durch Dialog erreichen. Dessen Vertreter hatten der autoritären Führung mehrfach Gespräche angeboten. Zudem wolle das Gremium weiter mit Russland zusammenarbeiten.

Lukaschenko ist schon 26 Jahre an der Macht. Dazu meinte er: "Ja, vielleicht bin ich etwas zu lange auf dem Posten. Vielleicht zeigt man mich nicht nur im Fernsehen, sondern auch an jeder Straßenecke."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa und AFP
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