"Hoffe nicht, dass die Russen uns zwingen" Fall Nawalny: Außenminister Maas erhöht Druck auf Moskau
Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny ist vergiftet worden. Nun pocht Heiko Maas auf mehr Engagement Russlands bei der Aufklärung des Verbrechens. Das Projekt Nord Stream 2 wäre ein Druckmittel.
Bundesaußenminister Heiko Maas will Russland verstärkt dazu drängen, zur Aufklärung der Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny beizutragen. Mit Blick auf das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 sagte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag": "Ich hoffe nicht, dass die Russen uns zwingen, unsere Haltung zu Nord Stream 2 zu ändern." Bislang hatte die Bundesregierung eine Verknüpfung des Falls Nawalny mit dem deutsch-russischen Gasprojekt vermieden.
Maas betonte aber auch, dass ein Stopp der fast fertig gebauten Pipeline auch deutschen und europäischen Firmen schaden würde: "Wer das fordert, muss sich der Konsequenzen bewusst sein. An Nord Stream 2 sind mehr als 100 Unternehmen aus zwölf europäischen Ländern beteiligt, etwa die Hälfte davon aus Deutschland." Die Debatte jetzt allein auf Nord Stream 2 zu verengen, werde dem Fall nicht gerecht.
"Wenn es in den nächsten Tagen auf der russischen Seite keine Beiträge zur Aufklärung gibt, werden wir mit unseren Partnern über eine Antwort beraten müssen", machte Maas deutlich. "Wenn wir über Sanktionen nachdenken, sollten diese möglichst zielgenau wirken."
Moskau streitet Vorwürfe ab
Russland bestreitet, in die Vergiftung des 44 Jahre alten Oppositionellen verwickelt zu sein, laut Maas gibt es aber "viele Indizien" dafür. Das Nervengift Nowitschok habe sich in der Vergangenheit im Besitz russischer Stellen befunden und sei nur einer sehr kleinen Gruppe von Menschen zugänglich.
Der Bundesaußenminister sagte: "Und das Gift wurde von staatlichen Stellen bereits für den Anschlag auf den Ex-Agenten Sergej Skripal verwendet. Wenn sich die russische Seite nicht an der Aufklärung des Verbrechens an Herrn Nawalny beteiligt, wäre das ein weiteres Indiz für die Tatbeteiligung des Staates. Sollte es über Verschleierungen und Nebelkerzen nicht hinausgehen, müssen wir davon ausgehen, dass Russland etwas zu verheimlichen hat", sagte Maas.
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Unterdessen forderten Politiker von CDU und Grünen Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) auf, seinen Posten beim Pipeline-Unternehmen Nord Stream 2 zu räumen. Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) sagte dem Berliner "Tagesspiegel": Schröder müsse "umgehend seine Ämter und Posten in Russland aufgeben". Für den Anschlag auf Nawalny mit einem Nervengift trage allein die russische Regierung die Verantwortung. Auch wenn Moskau die Verantwortung leugne, dürfe das gerade ein ehemaliger Bundeskanzler "weder politisch noch moralisch" ignorieren, sagte der CDU-Politiker.
Altkanzler Schröder in der Kritik
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "SPD-Altkanzler Schröder muss sich jetzt entscheiden, ob er auf der Seite der Demokratie und der Menschenrechte steht." Göring-Eckardt hatte bereits gefordert, die Bauarbeiten an dem Pipeline-Projekt zu stoppen.
Schröder ist Präsident des Verwaltungsrates der Nord Stream 2 AG, bei der der russische Konzern Gazprom formal einziger Anteilseigner ist. Kritiker werfen dem Altkanzler vor, in seiner Position Lobbyarbeit für den Kreml zu betreiben. Maas sagte der "Bild am Sonntag" auf die Frage, ob die SPD den Altkanzler vor die Wahl stellen müsse, weiter Genosse oder "Putins bester Gaslobbyist" zu sein: "Das ist wirklich ein Thema, mit dem ich mich gerade nicht auseinandersetze." Auf die Frage, ob Schröder das Ansehen Deutschlands beschädige, antwortete Maas: "Sie können hier Sachen vermischen, ich werde das nicht tun."
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wandte sich gegen Forderungen nach einem Baustopp für die Ostsee-Pipeline. "Nord Stream 2 muss weitergebaut werden", sagte der CDU-Politiker am Samstag. "Wir sind aufeinander angewiesen, wir brauchen diese Zusammenarbeit." Der CDU-Wirtschaftsexperte Friedrich Merz hatte einen zweijährigen Baustopp für Nord Stream 2 gefordert.
"Aggressive Politik"
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, wie Merz Kandidat für die Nachfolge von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, sprach sich gegen eine vorschnelle Entscheidung über Nord Stream 2 aus. Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen, dritter aussichtsreicher Kandidat für den CDU-Vorsitz, hatte dafür plädiert, Nord Stream 2 auf den Prüfstand zu stellen.
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, forderte ein dreimonatiges Embargo für Gas- und Öllieferungen aus Russland als Reaktion auf die Vergiftung Nawalnys. Der auch von einigen deutschen Politikern geforderte Baustopp der Gas-Pipeline Nord Stream 2 reiche nicht aus. Stattdessen müssten alle Importe von Öl, Gas und anderen wichtigen Rohstoffen gekappt werden, "um dem Putin-Regime die wichtigste Einnahmequelle für seine aggressive Politik zu entziehen", sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur.
Zusätzlich forderte Melnyk einen Stopp aller europäischen Investitionen in Russland. "Es ist an der Zeit, den Kremlherrn endlich mit einer heftigen Antwort zu überraschen", betonte er.
- Nachrichtenagentur dpa