Neuer Gegenwind Die Corona-Krise droht den Klimaschutz zu ersticken
Im vergangenen Jahr prägte die Klimakrise die Schlagzeilen. Doch im Kampf gegen das Coronavirus droht der Klimaschutz auf der Strecke zu bleiben. Aktivisten zeigen sich besorgt.
Der Chef der Vereinten Nationen ist ein Freund klarer Worte. "Wir müssen entschlossen handeln, um unseren Planeten sowohl vor dem Coronavirus als auch vor der existenziellen Bedrohung des Klimazusammenbruchs zu schützen", forderte António Guterres kürzlich. So ähnlich dürfte er auch am heutigen Dienstag klingen, wenn er per Videoschalte beim Petersberger Klimadialog der Bundesregierung spricht. Das Thema: Wie lassen sich die Milliarden und Billionen, die in der Pandemie der Wirtschaft helfen sollen, auch für den Klimaschutz nutzen?
Hörte man zuletzt Guterres sprechen, die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze, Umweltverbände, Klimawissenschaftler, aber auch viele Unternehmen und Verbände, könnte man fast meinen, das "grüne Konjunkturprogramm" sei längst Konsens. Doch das täuscht: Schon jetzt zeichnet sich ab, dass heftig umkämpft sein wird, wie genau die Hilfsprogramme, Investitionen und Kaufanreize aussehen sollen. Umso gespannter sind viele auf die Rede von Kanzlerin Angela Merkel, die beim jährlichen Klimadialog schon mehr als einmal mit Ankündigungen und klaren Worten überrascht hat.
Klimaschützer blicken aus guten Gründen mit Sorge auf die kommenden Monate. Denn drei Folgen der Corona-Krise gefährden die Pläne für die Klimawende:
1. Die Zeitpläne wackeln
Ob Kohleausstiegsgesetz oder Ausbau von Solar- und Windstrom: Neben der akuten Krisenbewältigung ist gerade wenig Platz für andere politische Großprojekte. Auch einige wichtige EU-Klimavorhaben könnten sich verzögern, etwa die geplanten EU-Strategien für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft und im Verkehr. Beim zentralen Klimaschutzvorhaben der EU-Kommission für dieses Jahr, der Prüfung und Verschärfung des Klimaziels für 2030, will man im Zeitplan bleiben. Unter anderem die Grünen fürchten aber schon, dass der "Green Deal" in der "Mottenkiste" landen könnte.
2. Es gibt neuen Gegenwind für den Klimaschutz
In der FDP und der CDU gibt es Stimmen, die bereits beschlossene Maßnahmen infrage stellen – etwa die Einführung des CO2-Preises auf Sprit, Heizöl und Erdgas im kommenden Jahr oder den über Monate ausgehandelten Pfad für den Kohleausstieg. Auch Kaufprämien für Diesel und Benziner, wie sie etwa Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) oder seine baden-württembergische Amts- und Parteikollegin Nicole Hoffmeister-Kraut fordern, halten Klimaschützer für falsch – darunter auch Umweltministerin Schulze. Die AfD lehnt den Klimaschutz ohnehin ab und sieht die Krise als weiteres Argument dafür.
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Aber auch international wird der Kampf gegen die Erderwärmung unter Verweis auf die Pandemie infrage gestellt. Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis attackierte den "Green Deal" der EU, die polnische Regierung forderte Ausnahmen beim Emissionshandel, einem der wichtigsten Klimaschutzinstrumente der EU, um Geld für den Kampf gegen die Corona-Krise frei zu machen.
3. Die Klimadiplomatie stockt
Der Höhepunkt der Klimaverhandlungen ist jedes Jahr die Weltklimakonferenz, bei der zwei Wochen lang über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens gefeilscht wird. In diesen Tagen schaut die Weltöffentlichkeit genau auf die Bemühungen in der Klimapolitik. Die meisten Regierungen wollen sich dort in gutem Licht darstellen.
Dieser Termin fällt in diesem Jahr aus, der Gipfel in Glasgow wurde Corona-bedingt aufs nächste Jahr verschoben, Termin offen. Viele befürchten, dass das Druck vom Kessel nimmt. Wichtige Entscheidungen könnten verschoben werden, nationale Regierungen könnten sich noch mehr Zeit lassen, wie geplant ihre neuen, verbesserten Klimaschutzpläne vorzulegen. Dabei drängt die Zeit für den Klimaschutz nach wie vor – auch in Zeiten der Pandemie.
- Nachrichtenagentur dpa