Treffen im Ukraine-Konflikt Ukraine-Gipfel beschließt neue Schritte für Friedenslösung
Im Glanz des Élyséepalastes in Paris sind sich Kremlchef Putin und der ukrainische Präsident Selenskyj erstmals persönlich begegnet. Bringt dies jetzt das Ende des Krieges in der Ostukraine? Es bleibt kompliziert.
Nach seinem flotten Gang in den Élyséepalast zeigt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schon zum Start des Gipfels das Victory-Zeichen. Wenig später ist er am Ziel. Zum ersten Mal überhaupt trifft er Kremlchef Wladimir Putin, schüttelt ihm die Hand. An einem minimalistischen Holztisch nehmen beide mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem Gastgeber Emmanuel Macron Platz. Putin nickt Selenskyj freundlich zu, bedeutet ihm, sich mal umzudrehen zu den Fotografen für ein Bild. Beide lächeln freundlich in die Kameras. "Yes, I'm happy", sagt Putin später am Abend über sein erstes direktes Gespräch mit Selenskyj. Es dauerte eine Stunde und 20 Minuten – deutlich länger als geplant.
Lange musste der 41-jährige Ukrainer auf diesen historischen Moment warten. Der 67-Jährige Putin ließ sich viel Zeit, geriet zuletzt aber ob Selenskyjs frischer und zupackender Art im Ukraine-Konflikt in Zugzwang. Der Ex-Komiker Selenskyj wollte endlich "den Menschen" Putin sehen, ein Gefühl dafür bekommen, ob "wirklich alle schrittweise diesen tragischen Krieg beenden möchten", wie er noch am Freitag in einer Talkshow sagte. Telefoniert hatten die beiden schon, einen Gefangenenaustausch und weitere Friedensschritte durchgezogen.
Selenskyj sagte schon früh, dass er sogar mit dem "kahlköpfigen Teufel" verhandeln würde, um den Konflikt zu lösen. Ob er damit auf den in ukrainischen Karikaturen bisweilen so dargestellten Putin anspielte, blieb offen. Allen in Paris war klar, dass der Schlüssel für eine Lösung des Ukraine-Konflikts im Kreml liegt.
Selenskyj und Putin kommen sich näher
Dem unerfahrenen Selenskyj standen Frankreichs Präsident Macron und Merkel zur Seite bei dem Treffen mit dem Voll-Profi Putin. Moskaus Staatsmedien zeigten genüsslich Aufnahmen von Selenskyjs Notizen in der Akte auf dem Verhandlungstisch – "alles in seiner Muttersprache Russisch", wie sie zufrieden bemerkten. Die Chemie zwischen Selenskyj und Putin schien zu stimmen.
Dabei hatte Putin dem Politneuling mit dem Rekordergebnis von 73 Prozent bei der Wahl im April nicht einmal gratuliert. Er frotzelte noch im Sommer mit Blick auf Selenskyjs erfolgreiche Fernsehrolle als Präsident, dass es etwas anderes sei, ein Staatsoberhaupt zu spielen als das Amt wirklich auszuüben. Vergiftet hörte sich damals auch sein Kompliment an, Selenskyj sei ein talentierter Komiker, der es verstehe, sein Publikum einzuwickeln.
Inzwischen aber äußert sich Putin immer wieder anerkennend. "Mir scheint, dass er ein sympathischer Mensch ist und aufrichtig", sagte Putin im Herbst. Er glaube, dass Selenskyj die Situation wirklich zum Besseren verändern wolle. Dafür brauche es Mut und Stärke, sagte Putin auch mit Blick auf Proteste in der Ukraine.
Vor allem kämpferische Nationalisten warnen Selenskyj immer wieder vor "roten Linien", vor zu großen Zugeständnissen an Russland und die Regionen Luhansk und Donezk. Sie sehen die Gefahr, dass die seit mehr als fünf Jahren dauernden Kämpfe umsonst gewesen sein, die Interessen der Ukraine verraten werden könnten. Rund 13.000 Menschen starben nach UN-Schätzungen bei den Gefechten zwischen ukrainischen Regierungstruppen und aus Russland unterstützten Separatisten.
Für Putin ist der Medien-Profi Selenskyj längst zur Herausforderung geworden. Diente Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko mit seiner anti-russischen Wortwahl noch als ideale Hassfigur in dem Konflikt, so ist der Ex-Schauspieler ein Sympathieträger, dessen Art auch bei vielen Russen ankommt.
Hohe Unzufriedenheit mit Putins Politik
Putin ist keineswegs als starker Mann nach Paris gekommen. Russland steckt in einer schweren Wirtschaftskrise, die Menschen klagen über extrem hohe Preise. Die Akzeptanz in Russland für die Kriege in Syrien und in der Ukraine ist gering. Zudem drücken die Sanktionen der USA und der EU im Zuge des Ukraine-Konflikts auf die Entwicklung in Russland. Umfragen attestieren dem Kreml eine große Unzufriedenheit mit Putins Politik. Russland braucht Fortschritte im Konflikt, damit die Sanktionen irgendwann fallen.
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Zwar hätte Selenskyj den Gipfel gern noch um US-Präsident Donald Trump und den britischen Premier Boris Johnson erweitert. Immerhin haben die Amerikaner und die Briten das ukrainische Militär im Krieg gegen die prorussischen Separatisten massiv unterstützt. Aber Trump mit seiner drohenden Amtsenthebung und Johnson mit dem Brexit und der Wahl am Donnerstag haben andere Sorgen. Zudem wollten Merkel und Macron und schon gar nicht Putin sich noch von außen reinfunken lassen. Sie wollen den Konflikt selbst lösen.
- Nachrichtenagentur dpa