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Berichte über Zusammenstöße
Iraner protestieren gegen Erhöhung der Benzinpreise

dpa, Farshid Motahari und Jan-Uwe Ronneburger

18.11.2019Lesedauer: 4 Min.
Eine abgebrannte Tankstelle in der Hauptstadt Teheran: Bei den Unruhen ausgelöst durch eine Erhöhung der Benzinpreise sind bisher zwei Menschen ums Leben gekommen.Vergrößern des Bildes
Eine abgebrannte Tankstelle in der Hauptstadt Teheran: Bei den Unruhen ausgelöst durch eine Erhöhung der Benzinpreise sind bisher zwei Menschen ums Leben gekommen. (Quelle: Abdolvahed Mirzazadeh/dpa-bilder)

Im Iran hat es Proteste gegen steigende Spritpreise und die Rationierung von Benzin gegeben. Die Regierung hält trotz der Unzufriedenheit an den Maßnahmen fest.

Die iranische Regierung hält trotz massiver landesweiter Proteste und Unruhen an der Rationierung und Verteuerung von Benzin fest. Es sind aber nicht nur die drastischen Spritpreiserhöhungen, die viele Iraner in Rage versetzen, sondern auch die Regierung und ihre Politik.

Regierungssprecher Ali Rabiei hielt am Montag dagegen: "Der Präsident (Hassan Ruhani) hat mit der Benzinrationierung Mut bewiesen und wirtschaftspolitisch die richtige Entscheidung getroffen, auch wenn viele damit nicht einverstanden sind." Zugleich sprach er eine deutliche Warnung aus. Die Regierung verstehe zwar die Kritik der Bürger und ihre Proteste, gehe aber gegen Gewalt und Vandalismus konsequent vor. "Unruhestifter und Saboteure verfolgen andere Ziele und überschatten damit auch die legitimen Proteste der Bürger", sagte Rabiei im Staatssender Khabar.

Empörung über Spritpreiserhöhung

Die höheren Spritpreise treffen vor allem jüngere Menschen empfindlich. Viele von ihnen sind eigentlich arbeitslos und versuchen, sich mit Hilfe eines Autos als Taxifahrer irgendwie über Wasser zu halten. Für gerade mal umgerechnet 30 Euro am Tag müssen sie bis zu 15 Stunden hinterm Steuer sitzen. Wenn sie nun künftig das Dreifache für Benzin berappen müssen, bleibt ihnen noch weniger Verdienst. "Ich komme aus der Provinz, wo ich arbeitslos war, habe alles zusammengespart und ein kleines Auto gekauft, um (als privater Taxifahrer) Geld zu verdienen. Mit den neuen Preisen verliere ich ein Drittel meines Einkommens", sagt Ali (23).

Beobachter in Teheran berichteten am Montag von großen Spannungen in der Bevölkerung. Viele Menschen seien über die höheren Benzinpreise empört. Aber es gebe inzwischen auch eine allgemeine Wut auf die Regierung. Viele Menschen glaubten, dass ein Dialog mit den USA über das Atomabkommen zu einem Ende der Sanktionen und damit auch einem Ende der tiefen Wirtschaftskrise führen könnte.

USA unterstützt die Proteste

Die US-Regierung, die es mit scharfen Sanktionen und einer Politik des "maximalen Drucks" darauf anlegt, die Regierung in Teheran zu einer Neuverhandlung des internationalen Atomabkommens zu zwingen, verurteilte die Gewalt der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten und die Internetsperre. Die USA unterstützten das iranische Volk in seinem friedlichen Protest gegen das "Regime", teilte das Weiße Haus am Sonntagabend in Washington mit. Die Führung in Teheran treibe "fanatisch" ihr Nuklearprogramm voran, unterstütze Terrorismus und vernachlässige auf ihrem "Kreuzzug" die iranische Bevölkerung.

Iraner fragen sich, warum sie den Preis für die Nahostpolitik ihrer Regierung bezahlen sollen. Das Land gebe Millionen für das militärische Engagement in Syrien und für Hilfen im Jemen und im Gazastreifen aus, während die bereits von einer schweren Wirtschaftskrise geplagten Iraner plötzlich das Dreifache für Sprit bezahlen müssten, lautet eine oft gehörte Kritik. Die Inflation entwertet die nationale Währung Rial immer mehr, in den vergangenen Monaten schon um die Hälfte. Die höheren Benzinpreise würden die Inflation weiter anheizen, befürchten viele Menschen.

Bundesregierung fordert Führung zu Dialog mit Demonstrierenden auf

"Die US-Sanktionen waren nicht genug, nun jetzt auch die neuen Spritpreise. Unser armer Rial ist bald nichts mehr wert und nur noch Spielzeuggeld", klagt die Hausfrau Parinaz aus Teheran. Ein Hausmeister aus der Hauptstadt kann sich wegen der Wirtschaftskrise schon lange kein Fleisch mehr leisten. "Nun wird mit den neuen Benzinpreisen alles noch teurer und am Ende muss ich mich und meine Familie mit Brot und Wasser durchbringen", fürchtet der 42-Jährige.

Die Bundesregierung rief die Führung zum Dialog mit Demonstranten und zu einer Achtung von Versammlungs- und Meinungsfreiheit auf. "Aus Sicht der Bundesregierung ist es legitim und verdient unseren Respekt, wenn Menschen ihre wirtschaftlichen und politischen Anliegen couragiert in der Öffentlichkeit vortragen, wie es derzeit im Iran geschieht", sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin.

Iranische Regierung schaltet Internet ab, Iraner isoliert

Wie groß die Proteste landesweit tatsächlich sind und wie hart die Sicherheitsbehörden dagegen vorgingen, war aus unabhängigen Quellen seit Samstagnachmittag kaum noch zu erfahren. Seither hat die Regierung das Internet weitgehend abschalten lassen. Nach Berichten der unter staatlicher Kontrolle stehenden Medien starben seit Freitag mindestens ein Polizist und ein Demonstrant bei Zusammenstößen. Etwa 1.000 Menschen seien festgenommen worden. Berichte in sozialen Medien über viel höhere Opferzahlen und mehr Festgenommene ließen sich nicht überprüfen. Vor der Abschaltung des Internets waren in sozialen Medien zahlreiche Berichte, Fotos und Videos von Demonstrationen, Bränden und Zusammenstößen mit Sicherheitskräften zu sehen.

Die Internetsperre paralysiert viele Aktivitäten des normalen Lebens. So können die Menschen seit Samstag keine Mails senden oder empfangen. Der Zugang zu allen ausländischen Webseiten ist gesperrt. "Ich warte auf eine ganz wichtige Mail aus dem Ausland", sagte eine junge Geschäftsfrau in Teheran. Seit Samstag habe sie kein Internet mehr. "Ich kann der Gegenseite nicht mal mitteilen, dass ich kein Internet habe. Wer würde schon glauben, dass ein Land im 21. Jahrhundert kein Internet hat."


Nach offiziellen Angaben bleibt die Internetsperre auf unbestimmte Zeit bestehen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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