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Proteste in Hongkong: "Hölle ist ausgebrochen" – Lage an Uni eskaliert


"Die Hölle ist ausgebrochen"
Universität in Hongkong wird zum Schlachtfeld

Von afp, dpa, aj

Aktualisiert am 18.11.2019Lesedauer: 5 Min.
Proteste in Hongkong: Bei erneuten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei wurden erstmals auch viele Hochschulen zu Brennpunkten.Vergrößern des Bildes
Proteste in Hongkong: Bei erneuten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei wurden erstmals auch viele Hochschulen zu Brennpunkten. (Quelle: Vincent Yu/ap)

Erneute Eskalation in Hongkong: Aktivisten werfen Benzinbomben, ein Polizist wird von einem Pfeil getroffen. Es gibt Festnahmen und Verletzte. Anführer Joshua Wong verteidigt die Gewalt der Demonstranten.

Nach schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei an der Polytechnischen Universität in Hongkong hat am Montagmorgen angespannte Ruhe geherrscht. Eine unbekannte Zahl von Aktivisten wurde festgenommen. Auch gab es Verletzte. Die Polizei bestritt, das Gelände in den Morgenstunden (Ortszeit) "gestürmt" zu haben. Eine Erklärung sprach aber von einem anhaltenden Einsatz, um Demonstrationen aufzulösen und Festnahmen zu machen.

Bei der Besetzung der Universität hätten Aktivisten Brandsätze auf Polizisten geworfen, hieß es weiter. "Aufrührer, die sich auf dem Gelände versammelt haben, legten Feuer und richteten schwere Schäden an", erklärte die Polizei. "Explosivstoffe, brennbare Materialien und gefährliche Güter stellen dort auch eine Gefahr für alle dar." Die Polizei fordere jeden auf, das Universitätsgelände zu verlassen.

Journalisten berichteten auf sozialen Netzwerken von mehreren Explosionen sowie von einem großen Feuer am Eingang der Universität. Ein Korrespondent des australischen Nachrichtensenders ABC News schrieb auf Twitter, an der Universität sei "die Hölle ausgebrochen". "Poly U brennt – die Polizei ist mit gewaltigen Kräften hereingekommen," heißt es in dem Tweet.

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In Filmaufnahmen der Hongkonger Medien war zu sehen, wie am Morgen junge Leute gefesselt abgeführt wurden. Einem Teil der Demonstranten sei es später gelungen, trotz des Einsatzes von Tränengas durch die Polizei das Gelände zu verlassen und zu flüchten, während sich andere in die Universität zurückgezogen hätten. "Die Konfrontation ist vorerst ausgesetzt", sagte der demokratische Abgeordnete Ted Hui, der seit Sonntag mit den Studenten ausharrte, am Morgen der Zeitung. "Die Polizei kann nicht reinkommen, aber die Demonstranten können auch nicht raus."

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Polizei droht mit scharfer Munition

Die Polizei hatte während der Auseinandersetzung Wasserwerfer mit einem hautreizenden Wirkstoff sowie Tränengas eingesetzt. Den Ordnungskräften zufolge war ein Polizist von einem der Pfeile ins Bein getroffen und ins Krankenhaus gebracht worden. Die Polizei hatte den Aktivisten daraufhin erstmals mit dem Einsatz von scharfer Munition gedroht. "Wenn sie mit solchen gefährlichen Aktionen fortfahren, haben wir keine andere Wahl, als ein Mindestmaß an Gewalt anzuwenden, darunter scharfe Munition, um zurückzuschießen", hatte Polizeisprecher Louis Lau in einem Facebook-Beitrag gesagt. Das Geschoss steckte in der Wade des Beamten fest, wie auf Fotos zu sehen war. Der Mann, der für die Pressestelle der Polizei arbeitete, wurde in ein Krankenhaus gebracht. Die Polizei sprach vom Einsatz "tödlicher Waffen" und nannte die Universität einen "Ort des Aufruhrs" – für Aufruhr drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Epizentrum Polytechnische Universität

"Ich warne die Aufrührer davor, Brandbomben, Pfeile, Autos oder andere tödliche Waffen für Angriffe auf Polizeibeamte zu nutzen", sagte der Polizeisprecher. Bei den Protesten in den vergangenen Wochen hatten Polizisten bereits in drei Situationen scharf geschossen – allerdings ohne Vorwarnung.

Die Ausschreitungen konzentrierten sich am Sonntag zunächst vor allem auf die Gegend um die Polytechnische Universität Hongkongs. Die Hochschulen der Stadt hatten sich in der vergangenen Woche zu einem neuen Brennpunkt der seit mehr als fünf Monaten andauernden Proteste entwickelt. Mehrere Universitäten hatten daraufhin angekündigt, das Semester vorzeitig zu beenden.

An anderen Stellen der Stadt versammelten sich am Montagvormittag wieder vermummte und schwarz gekleidete Aktivisten, während ein Großaufgebot von Sicherheitskräfte auf den Straßen zu sehen war. Die Polizei warnte die Demonstranten vor einem möglichen neuen Einsatz von Tränengas. Allein im Stadtviertel Tsim Sha Tsui wurden rund 100 Personen festgenommen, berichtete die "South China Morning Post". Die Polizei habe mitgeteilt, sie seien von der Polytechnischen Universität geflüchtet, hätten Straßen blockiert oder sich illegalerweise versammelt.

Der Bürgerrechtler Joshua Wong verteidigte derweil den Einsatz von Gewalt durch die Demonstranten in Hongkong. "Mit rein friedlichem Protest werden wir unser Ziel nicht erreichen", sagte Wong der "Süddeutschen Zeitung". "Allein mit Gewalt allerdings auch nicht. Wir brauchen beides."

Chinesische Soldaten helfen beim Aufräumen

In der vergangenen Woche hatte Hongkong die gewaltsamsten Zusammenstöße seit Beginn der Proteste am 9. Juni erlebt. Anders als zuvor konzentrierten sich die Aktionen nicht mehr nur auf das Wochenende, sondern auf Werktage.

Unterdessen hat der erste Einsatz chinesischer Soldaten bei den seit mehr als fünf Monaten anhaltenden Protesten bei Regierungsgegnern scharfe Kritik ausgelöst. Auf einem Video des Lokalsenders RTHK war zu sehen, wie Männer der Volksbefreiungsarmee am Samstag unbewaffnet in kurzen Hosen und T-Shirts Steine und andere Objekte von der Straße in der Nähe der zuvor von Demonstranten besetzten Hong Kong Baptist University räumten. Auch zeigten Videos, wie die Soldaten mit roten Eimern in der Hand in Reih und Glied durch die Straßen joggten. Dutzende Soldaten beteiligten sich an den Aufräumarbeiten.

Der ungewöhnliche Einsatz fand große Beachtung, weil es unter einigen Hongkongern seit Monaten Befürchtungen gibt, dass China sein Militär nutzen könnte, um die Proteste in der Stadt niederzuschlagen. Nach monatelangen Demonstrationen hatte Chinas kommunistische Führung zuletzt zwar angedeutet, den Griff zu verstärken. Eine militärische Niederschlagung der Proteste halten die meisten Beobachter dennoch für unwahrscheinlich, weil China dafür international geächtet würde. Stattdessen sollen Hongkongs Regierung und die Polizei aus Sicht Pekings für Ordnung sorgen.

Regierung in Hongkong könnte China um Hilfe bitten

Mehr als 10.000 Soldaten der Volksbefreiungsarmee sind seit der Rückgabe der britischen Kronkolonie 1997 an China in Hongkong stationiert. Nach unbestätigten Berichten soll die Truppenstärke heimlich aufgestockt worden sein.

Nach geltendem Recht könnte Hongkongs Regierung die Zentralregierung in Peking um militärische Hilfe bitten, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen oder nach Katastrophen zu helfen. Eine solche Anfrage habe es am Samstag jedoch nicht gegeben, teilte die Hongkonger Regierung mit. Wie die Zeitung "South China Morning" berichtete, verurteilten Abgeordnete der Opposition den Einsatz scharf und forderten von der Regierung Aufklärung.

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Die Armee hatte auch im letzten Jahr einen Einsatz

Die Garnison der Volksbefreiungsarmee in Hongkong teilte mit, dass es sich um eine "gemeinnützige Tat" gehandelt habe. Die Soldaten wollten lediglich Anwohnern dabei helfen, die Straßen in der Nähe der Kaserne aufzuräumen. Auf Videos ist zu sehen, wie einige Menschen den Soldaten applaudieren.

Die Volksbefreiungsarmee war schon in der Vergangenheit ohne ausdrücklichen Hilfegesuch in Hongkong ausgerückt. So halfen 400 Soldaten im vergangenen Jahr bei der Beseitigung von Schäden durch den Taifun "Mangkhut", wie lokale Medien berichteten.


Die seit Juni anhaltenden Proteste in der chinesischen Sonderverwaltungsregion richten sich gegen die Regierung. Die Demonstranten fordern freie Wahlen, eine unabhängige Untersuchung von Polizeibrutalität sowie Straffreiheit für die bereits weit mehr als 4.000 Festgenommenen. Auch der Rücktritt von Regierungschefin Carrie Lam gehört zu ihren Forderungen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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