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Libyen: Erdogan und Putin ringen um die Macht – mit Drohnen und Scharfschützen


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Mit Drohnen und Scharfschützen
Erdogan und Putin ´kämpfen um die Macht


Aktualisiert am 19.01.2020Lesedauer: 6 Min.
Erdogan, Putin, Kämpfer in Libyen: Regionale und internationale Mächte ringen um die Macht in Tripolis.Vergrößern des Bildes
Erdogan, Putin, Kämpfer in Libyen: Regionale und internationale Mächte ringen um die Macht in Tripolis. (Quelle: getty-images-bilder)
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Libyen ist zu einem Schlachtfeld internationaler Mächte geworden: Mit Kampfdrohnen in der Luft und Scharfschützen im Häuserkampf. Nun wird in Berlin nach einer Lösung gesucht.

Anfang November enthüllten die Vereinten Nationen (UN) einen handfesten Skandal: In einem vertraulichen Report berichteten die UN über illegale Waffenlieferungen der Türkei, der Vereinigten Arabischen Emirate und Jordaniens in das Bürgerkriegsland Libyen. "Routinemäßig und manchmal unverhohlen" würden Waffen übers Mittelmeer und per Flugzeug an die beiden Kriegsparteien verschickt, heißt es in dem Bericht. Damit war klar: Die genannten Länder unterlaufen das geltende Waffenembargo der Vereinten Nationen, das genau solche Waffenlieferungen verbietet.

Zwei Monate sind seit der Veröffentlichung des Reports vergangen und aus der heimlichen Parteinahme fremder Mächte droht ein offener Stellvertreterkrieg um die Vormacht in Libyen zu werden. Die Türkei steht kurz davor, mit eigenen Truppen in dem ölreichen Wüstenstaat einzugreifen, um die international anerkannte, aber weitgehend machtlose "Regierung der nationalen Einheit" von Ministerpräsident Fayiz Al-Sarradsch zu stützen. Ankara positioniert sich damit offen gegen Russland, das gemeinsam mit Ländern wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Ägypten dem abtrünnigen General Chalifa Haftar zur Seite steht, der den Großteil Libyens kontrolliert.

In Berlin wird über Libyens Zukunft diskutiert

Um zu verhindern, dass der Konflikt vollends eskaliert, beraten am Sonntag in Berlin die wichtigsten Akteure in Libyen über eine Friedenslösung. Die Initiative für das Treffen unter der Ägide der UN ging von Deutschland aus, das sich zuletzt verstärkt um ein Ende des Chaos in dem Bürgerkriegsland bemühte – auch um den Migrationsdruck an Europas Südgrenze zu vermindern. Russlands Präsident Wladimir Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan haben ihr Kommen zugesagt, ebenso Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Großbritanniens Premierminister Boris Johnson und US-Außenminister Mike Pompeo.

Allein die Hochklassigkeit der Teilnehmer garantiert noch nicht für einen Erfolg. Erst Anfang der Woche war eine Initiative Russlands und der Türkei für einen Waffenstillstand im Eklat geendet. General Haftar, der in Moskau das von beiden Ländern im Alleingang ausgehandelte Abkommen unterzeichnen sollte, reiste unvermittelter Dinge aus der russischen Hauptstadt ab und ließ die Kreml-Führung düpiert zurück. Dem deutschen Außenminister Heiko Maas gelang es bei einem Blitzbesuch im libyschen Bengasi am Donnerstag immerhin, dem launischen Warlord ein Bekenntnis zum Waffenstillstand abzuringen. Am Freitag brachte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell einen EU-Militäreinsatz ins Gespräch, um bei der Überwachung des Waffenstillstandes zu helfen.

Krieg verfeindeter Drohnenflotten

Die Zeit drängt. Während immer mehr modernes Kriegsgerät und ausländische Söldner nach Libyen gelangen, wächst die Gefahr einer dramatischen Eskalation des Bürgerkriegs. Bereits im vergangenen Jahr hatte sich die Lage erheblich zugespitzt. Libyen geriet dabei zu einem regelrechten Testfeld für den unbemannten Luftkrieg. Die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate etwa schickten Flotten bewaffneter Drohnen für die verfeindeten Parteien ins Feld. Das Ergebnis war ein sprunghafter Anstieg der Zahl von Kampfdrohneneinsätzen, allein zwischen Frühjahr und Herbst 2019 waren es laut UN mehr als 900.

Die "New York Times" bezeichnete den Konflikt als den weltweit ersten, der vorrangig von gegnerischen Drohnenflotten geführt wird. General Haftar erhielt dabei maßgebliche Unterstützung von den Vereinigten Arabischen Emiraten. Als der Warlord Anfang April eine Offensive auf Tripolis startete, galten die arabischen Drohnen als sein entscheidender Trumpf. Berichten zufolge kamen chinesische Fabrikate vom Typ "Wing Loong II" zum Einsatz. Die etwa zehn Meter langen Drohnen haben eine Reichweite von rund 4.000 Kilometern, können ungefähr 20 Stunden am Stück fliegen sowie bis zu 200 Kilogramm an Bomben und zusätzlichem technischen Gerät aufnehmen.

Doch auch die Gegenseite rüstete sich für den Luftkampf. Die Türkei schickte für die "Einheitsregierung" in Tripolis Drohnen vom Typ Bayraktar TB2 ins Feld – eine Entwicklung der Firma "Baykar Makina", die dem Schwiegersohn von Präsident Recep Tayyip Erdogan, Selcuk Bayraktar, gehört. Die Drohnen können ein zusätzliches Gewicht von 150 Kilogramm aufnehmen und bis zu 24 Stunden in der Luft bleiben.

Der Eintritt der Türkei in den libyschen Luftkrieg brachte der "Einheitsregierung" zumindest vorübergehend einen strategischen Vorteil: Im Frühsommer 2019 gelang es den Milizen, die auf der Seite von Sarradsch kämpfen, die strategisch wichtige Stadt Garian zurückzuerobern. Zuletzt schlug das Pendel jedoch wieder für Haftar aus. Anfang Januar eroberten seine Truppen die strategisch wichtige Küstenstadt Sirte.

200 Söldner aus Russland

Das technologische Level des Luftkriegs mit modernen Drohnen steht bislang in starkem Kontrast zum Kampf der verfeindeten Truppen am Boden. Verschiedene Milizen, mehr lose miteinander verbunden als geschlossene Bündnisse, bilden das Rückgrat von General Haftar einerseits und der Regierung in Tripolis andererseits. Oft verfolgen die Gruppen eigene Interessen, vielfach sind sie in Menschenhandel und Drogenschmuggel verstrickt. Ihre Kämpfer sind meist schlecht ausgebildet.

Um diese strategische Schwäche am Boden auszugleichen, baute Russland in der zweiten Jahreshälfte 2019 seine Unterstützung für General Haftar deutlich aus. Die russische Führung um Präsident Putin ist dem 75-jährigen Warlord, der einst in der Sowjetunion die Militärschule besucht und viele Jahre in den USA im Exil gelebt hatte, seit längerem verbunden. Es hofierte den General in der russischen Hauptstadt, schickte Berater, lieferte Ersatzteile für militärisches Gerät.

Im vergangenen Herbst soll der Kreml dann über die Sicherheitsfirma "Wagner", die verdeckte Operationen im Auftrag der Regierung durchführt, um die 200 Söldner nach Libyen entsandt haben. Die Söldner, unter denen auch erfahrene Scharfschützen gewesen seien, hätten aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen, schrieb die "New York Times". Schon zuvor gab es Gerüchte über die Anwesenheit von "Wagner"-Söldnern im Osten Libyens, wo General Haftar das Sagen hat. Dazu passt wohl, dass der Warlord bei einem Besuch in Moskau im November 2018 auch den russischen Oligarchen Jewgeni Prigoschin getroffen haben soll, den Chef von Wagner.

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Allerdings sollen auch Haftars Gegner ihre Bodentruppen mit fremden Kräften verstärkt haben. Die Türkei, die wie die "Einheitsregierung" von Sarradsch den Muslimbrüdern nahe steht, soll Berichten zufolge mehrere Hundert islamistische, syrische Milizionäre nach Tripolis entsandt haben, die bereits im syrischen Bürgerkrieg an der Seite Ankaras gekämpft hatten. Präsident Erdogan hat sich vom Parlament zudem ein Mandat für den Einsatz regulärer Truppen geholt. Erst am Donnerstag kündigte er an, dass schon bald Soldaten entsendet würden. Wollte er damit Druck auf die Verhandlungen in Berlin aufbauen?

Die USA hinterlassen ein Vakuum

Der Kampf fremder Mächte in Libyen ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sich die USA unter Präsident Donald Trump auch in Nordafrika von ihrem Führungsanspruch verabschieden. Während die Türkei versucht, über ihren Einfluss in Libyen u.a. den Zugriff auf die reichen Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer zu sichern, ist Moskau bemüht, nach Syrien einen weiteren militärischen Brückenkopf im Mittelmeerraum zu errichten. In Tobruk, im Osten Libyens, ist Berichten zufolge eine russische Marinebasis in Planung. Der Kreml unterstützt zudem Haftars Kampf gegen islamistische Milizen, die Libyen nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi als Rückzugsraum und Ausbildungsbasis nutzten. Daneben ist Moskau bemüht, über Beteiligungen seiner Öl- und Gasriesen sich einen Anteil an den Rohstoffen des Wüstenstaates zu sichern.

Doch Russland hält sich in dem Konflikt bislang alle Optionen offen: Trotz des Bekenntnisses zu Haftar blieb Moskau mit der Einheitsregierung weiter im Gespräch. Nach dem Beginn der Offensive gegen Tripolis versicherte Außenminister Lawrow, den Dialog mit allen Parteien fortführen zu wollen. Er dürfte dabei die russischen Rohstoffinteressen im Hinterkopf gehabt haben – denn alle Ölgeschäfte in Libyen laufen über die Nationalbank in Tripolis.

Mehr Opfer, mehr Vertriebene

Am Sonntag richtet sich der Blick in dem Konflikt also auf Berlin. Allerdings warnen Experten vor zu viel Euphorie. Der Libyen-Kenner Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik befürchtet eine Konferenz mit "zahnlosen" Beschlüssen, etwa zum Waffenembargo. "Niemand geht davon aus, dass die beteiligten Staaten sich wirklich an das Waffenembargo halten werden", sagte Lacher der Nachrichtenagentur AFP.

Lacher forderte mehr internationalen Druck auf die bislang wenig beachteten ausländischen Unterstützer Haftars wie die Vereinigten Arabischen Emirate oder Ägypten. Während die Einmischung Russlands und der Türkei in Libyen "relativ offen" thematisiert werde, "redet niemand von den Drohnen und Kampfflugzeugen der Vereinigten Arabischen Emirate, die für Bombardements mit Dutzenden toten Zivilisten verantwortlich sind", kritisierte Lacher. Allerdings erwartet der Libyen-Experte in Berlin keine derartige Kritik. Seit Beginn des Berliner Prozesses sei deutlich geworden, "dass es auf Seiten der Europäer und der USA keinen wirklichen Willen gibt, sich den Haftar-Unterstützern, vor allem den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten, in den Weg zu stellen".

Verwendete Quellen
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