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Syrien-Krieg – Waffenruhe zwischen USA und Türkei: Der Deal ist fragil


USA und Türkei einigen sich auf Waffenruhe
Am Ende gewinnt nur einer

dpa, Christiane Jacke, Mirjam Schmitt und Simon Kremer

Aktualisiert am 18.10.2019Lesedauer: 4 Min.
Recep Tayyip Erdogan: Der türkische Präsident hat sich im Syrienkrieg mit den USA auf eine Waffenruhe geeinigt.Vergrößern des Bildes
Recep Tayyip Erdogan: Der türkische Präsident hat sich im Syrienkrieg mit den USA auf eine Waffenruhe geeinigt. (Quelle: Itar-Tass/imago-images-bilder)
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Erbitterte Kämpfe, unversöhnliche Worte – und nun die Überraschung: Die USA handeln mit der Türkei eine Kampfpause für Nordsyrien aus. Die Kurdenmilizen akzeptieren zunächst. Doch das Abkommen ist fragil.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu war nach dem Treffen mit der US-Delegation schon fast in Plauderlaune. "Wir haben wirklich nicht gemerkt, wie so viele Stunden vergangen sind", erzählte er am Donnerstagabend. Stundenlang hatten Türken und Amerikaner im Präsidialpalast in Ankara verhandelt. US-Vizepräsident Mike Pence mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan – und dann noch mal die Delegationen unter sich.

Pence trat danach zuerst in Ankara vor die Presse und verkündete, woran eigentlich niemand mehr geglaubt hatte: Man habe sich auf eine Waffenruhe geeinigt, die Türkei werde ihren Militäreinsatz gegen die Kurdenmiliz YPG fünf Tage lang stoppen, sagte Pence.

Was bedeutet die Vereinbarung?

Ein überraschendes Ergebnis. Hatte Erdogan doch kurz vor der Anreise der US-Delegation klar gemacht, dass er weder mit "Terroristen" verhandele, wie er die YPG nennt, noch auf eine Waffenruhe eingehen werde und schon gar nicht Vermittler wie die USA brauche. Was bedeutet die Vereinbarung nun für die verschiedenen Parteien?

Türkei: Erdogan trat am Donnerstag nicht mehr vor die Presse. Vielleicht wollte er sich nicht "nur" mit einem Vizepräsidenten zeigen, vielleicht rieb er sich auch hinter den Kulissen die Hände. Denn das, was diese Vereinbarung für die Türkei bedeutet, fasste sein Außenminister Cavusoglu in einem Satz zusammen: "Wir haben bekommen, was wir wollten." Die Türkei erhielt tatsächlich das, was sie mit dem Einmarsch in Nordsyrien von Anfang an zu erreichen hoffte: den Rückzug der Kurdenmiliz aus der Grenzregion.

Erdogan hatte zwar gesagt, dass er "niemals" eine Waffenruhe erklären werde. Aber der Teufel steckt im Detail: Er hatte auch gesagt, dass die Türkei erst ihr Ziel einer sogenannten Sicherheitszone erreichen und die YPG entlang der Grenze vertreiben müsse. Diese Zusage – den Abzug der Kurdenmilizen – hat er nun von den USA auf dem Silbertablett serviert bekommen. Für das Wort "Waffenruhe" ließ sich auch eine pragmatische Lösung finden. Die Türkei bezeichnet sie einfach nicht als solche.

Neues Konfliktpotenzial?

Schon lange zuvor liefen Gespräche zwischen den USA und der Türkei über eine Sicherheitszone an der syrischen Grenze. Allerdings gab es unter anderem Streit über Ausdehnung und Kontrolle eines solchen Gebiets. Auch jetzt in der gemeinsamen Erklärung ist keine festgelegte Größe erwähnt. Der US-Sonderbeauftragte für die Anti-IS-Koalition, James Jeffrey, sagte später zu Journalisten, aus Sicht der USA gehe es um ein Gebiet, in das die Türkei während ihrer Offensive schon vorgedrungen sei und wo zurzeit noch gekämpft werde. Cavusoglu dagegen betonte erneut, Ziel sei eine Zone von mehr als 400 Kilometern Länge und rund 30 Kilometern Tiefe, die bis zur irakischen Grenze reiche. Zeichnet sich da neues Konfliktpotenzial ab?

Die USA kommen der Türkei in einem anderen Punkt entgegen. Sie akzeptieren laut Abschlusserklärung, dass "vor allem" die türkischen Streitkräfte die Zone kontrollieren sollen. Und da kommt die Kurdenmiliz YPG ins Spiel.

Kurdenmilizen: "Wir werden alles tun, damit die Waffenruhe ein Erfolg wird", sagte der Kommandant der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum Abdi. Er machte aber auch deutlich, dass eine türkische Präsenz in der Gegend nicht akzeptiert werde. Damit ist noch völlig unklar, wer die Kontrolle über die syrisch-türkische Grenze übernehmen wird. Zudem sprach Abdi lediglich von einer Abmachung für ein etwas mehr als 100 Kilometer breites Gebiet zwischen den Städten Ras al-Ain und Tall Abjad. In das Gebiet sind die türkischen Truppen schon vorgerückt. Das deckt sich mit den Aussagen des US-Sonderbeauftragten.

Der Traum einer weitgehenden Selbstverwaltung, wie ihn die Kurden im benachbarten Nordirak leben, dürfte für die syrischen Kurden mit der Einigung ohnehin in weite Ferne gerückt sein. Nach mehreren Jahren De-facto-Autonomie befindet sich die syrische Armee wieder in dem Gebiet. Ein Berater von Präsident Baschar al-Assad machte deutlich, ein autonomes Modell wie im Irak werde es in Syrien nicht geben.

Was bedeutet das für die USA?

USA: Donald Trump bejubelte die Einigung – und vor allem sich selbst. "Das ist ein großartiger Tag für die Zivilisation", sagte der US-Präsident am Donnerstag. Ihm sei gelungen, was andere über Jahre nicht zustande gebracht hätten – auf "unkonventionelle" Weise und mit einer Mischung aus Härte und Liebe gegenüber der Türkei. Viele Menschenleben seien nun gerettet und alle Beteiligten glücklich. "Das ist ein unglaublicher Ausgang", meinte Trump. Wie bitte?

Die preisenden Worte des Präsidenten können kaum über das – selbst für seine Verhältnisse übergroße – außenpolitische Chaos hinwegtäuschen, das er in diesem Fall angerichtet hat: Mit dem US-Truppenabzug aus Nordsyrien Anfang Oktober hatte Trump der Türkei den Einmarsch dort überhaupt erst ermöglicht. Er ließ die bisher mit den USA verbündeten Kurdenmilizen, so die von vielen Seiten auf ihn einprasselnde Kritik, kolossal im Stich, trieb sie in die Arme der syrischen Regierungstruppen und Russlands und riskierte ein Wiedererstarken der Terrormiliz IS in der Region.

Das sorgte in den USA parteiübergreifend für Empörung, selbst enge Verbündete aus der eigenen Partei griffen Trump scharf an, internationale Partner reagierten irritiert. Trump bemühte sich daraufhin um Schadensbegrenzung, verhängte halbherzige Sanktionen gegen die Türkei und drohte Ankara mit weiteren Strafmaßnahmen, gar mit der Zerstörung der türkischen Wirtschaft.

Viele Tote und Verletzte

Davon soll nun nichts bleiben: Die USA haben der Türkei eine Aufhebung der bisherigen Sanktionen in Aussicht gestellt. Eine nachwirkende Bestrafung für Erdogans Militäraktion gibt es nicht.

Am Ende steht ein Deal mit der Türkei, den die USA an sich schon früher hätten haben können. Lange sperrten sich die Amerikaner gegen Ankaras Vorstellungen von der sogenannten Sicherheitszone an der syrischen Grenze. Jetzt haben sie Erdogan – trotz dessen konfrontativer Strategie – zumindest teilweise zugestanden, was er die ganze Zeit wollte. Nun aber zu einem ungleich höheren politischen Preis – denn dazwischen liegt ein militärischer Konflikt mit vielen Toten, noch mehr Verletzten und einem großen Ansehensverlust für die USA.


Ohnehin ist unklar, ob die "Waffenruhe" halten wird. Die Vereinbarung ist fragil. Nicht ausgeschlossen, dass die Lage wieder eskaliert oder Syrien und Russland sich in die Verhandlungen einmischen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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