Eskalation in Südamerika USA ziehen erste Diplomaten aus Venezuela ab
Die Krise in Venezuela spitzt sich zu: In dem südamerikanischen Land ringen zwei Lager um die Macht. Die USA unterstützen die Opposition und ziehen ihre Diplomaten teilweise ab.
Nach der heftigen Konfrontation zwischen der Regierung und der Opposition in Venezuela hat sich Präsident Nicolás Maduro gesprächsbereit gezeigt. "Ich bin bereit für einen Dialog, Verhandlungen, ein Abkommen", sagte der autoritäre Regierungschef am Donnerstag im Obersten Gerichtshof. Sein Gegenspieler, der selbst ernannte Übergangspräsident Juan Guaidó, schwor seine Anhänger unterdessen auf Widerstand an. "Wir tun, was getan werden muss, um eine Übergangsregierung und freie Wahlen zu bekommen", schrieb er auf Twitter.
In einem Interview des Fernsehsenders Univision machte er allerdings erste Zugeständnisse. Wenn Maduro freiwillig den Platz räume, wolle er eine Amnestieregelung für den sozialistischen Staatschef nicht ausschließen. "Die Amnestie ist auf dem Tisch. Die Garantien gelten für alle, die bereit sind, sich auf die Seite der Verfassung zu stellen und die verfassungsmäßige Ordnung wieder herzustellen."
Zuvor hatte Parlamentschef Juan Guaidó sich selbst zum Interimspräsidenten erklärt und damit Maduro offen herausgefordert. Die USA, die EU und zahlreiche lateinamerikanische Länder erkannten den Gegenpräsidenten als legitimen Staatschef an. Maduro hingegen kann auf die Unterstützung des mächtigen Militärs sowie seiner Verbündeten in Russland, Iran, Türkei, Kuba, Bolivien und Nicaragua zählen.
USA ziehen Diplomaten teilweise ab
Die USA hatten zuvor angekündigt, ihre Diplomaten teilweise aus Venezuela abzuziehen. Das US-Außenministerium ordnete am Donnerstag an, dass alle nicht dringend benötigten US-Diplomaten den südamerikanischen Krisenstaat verlassen sollten. Die US-Botschaft in Caracas bleibe aber dennoch geöffnet. "Wir haben keine Pläne, die Botschaft zu schließen", teilte das US-Außenministerium mit.
Nach der Aufkündigung der diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten hatte der venezolanische Präsident Nicolás Maduro den US-Diplomaten bis zum Sonntag Zeit gegeben, das südamerikanische Land zu verlassen. US-Außenminister Mike Pompeo konterte zunächst, die Anweisungen des Sozialisten seien gegenstandslos, da die USA dessen Regierung nicht mehr anerkennten. "Was denken sie, wer sie sind?", fragte Maduro am Donnerstag aufgebracht in einer Rede vor dem Obersten Gerichtshof. "Denken sie, sie hätten eine koloniale Enklave in Venezuela?"
Das Militär steht eisern hinter Maduro
Am Donnerstag brachten sich die Kontrahenten in Stellung. "Die Streitkräfte werden niemals einen Präsidenten akzeptieren, der von dunklen Mächten eingesetzt wird, oder sich abseits des Rechts selbst einsetzt", sagte Verteidigungsminister Vladimir Padrino. "Wir erkennen unseren Chefkommandeur Nicolás Maduro als legitimen Präsidenten an."
Guaidó hingegen stellte in seiner neuer Funktion als Interims-Präsident bereits einen Antrag auf humanitäre Hilfe aus den USA. Er bitte um die Lieferung von Lebensmitteln, Medikamenten und medizinischen Artikeln, schrieb er am Donnerstag an US-Außenminister Pompeo. Auch die Entsendung eines Klinikschiffs sei wünschenswert. Zuvor hatte Pompeo bereits humanitäre Hilfslieferungen in Aussicht gestellt, sobald das logistisch möglich sei. Die USA seien bereit, 20 Millionen Dollar für Lebensmittel und Medizin zu schicken, sagte er.
Angesichts der Pattsituation warnte das venezolanische Militär vor einer gewalttätigen Lösung des Konflikts. "Ein Bürgerkrieg wird die Probleme Venezuelas nicht lösen", sagte Verteidigungsminister Vladimir Padrino. Es bedürfe eines Dialogs zwischen der Regierung und der Opposition, "denn ein Krieg ist nicht unsere Wahl, sondern ein Instrument vaterlandsloser Gesellen, die nicht wissen, was das bedeutet."
Bei den Massenprotesten am Mittwoch war es bereits zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen. Die Polizei feuerte Tränengasgranaten und Gummigeschosse in die Menge. Vermummte Demonstranten schleuderten Steine auf die Beamte. Mindestens 26 Menschen seien dabei ums Leben gekommen, teilte die Beobachtungsstelle für soziale Konflikte (OVCS) am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) mit. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Foro Penal wurden zudem 332 Personen festgenommen.
Maas: "Wir sind nicht neutral"
Bundesaußenminister Heiko Maas stellte sich klar auf die Seite des selbst ernannten Gegenpräsidenten Guaidó. "Wir sind nicht neutral in dieser Frage, sondern wir unterstützen das, was Guaidó dort tut", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag der Deutschen Welle während eines Besuchs bei den Vereinten Nationen in New York. Deutschland habe große Probleme, die Wahl von Maduro zum Präsidenten anzuerkennen. "Es ist offensichtlich gewesen, dass es so viele Verstöße gegen das Wahlrecht gegeben hat, dass man nur bedingt von einer demokratischen Wahl sprechen kann." Deshalb setze sich die Bundesregierung für eine Neuwahl ein.
Ähnlich äußerte sich auch die Europäische Union in Brüssel. Die EU unterstütze die von Guaidó geführte Nationalversammlung "als demokratisch gewählte Institution, deren Befugnisse wiederhergestellt und respektiert werden müssen", erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Ein politischer Prozess müsse "zu freien und glaubwürdigen Wahlen" führen, "im Einklang mit der Verfassung." EU-Ratspräsident Donald Tusk schrieb auf Twitter: "Im Gegensatz zu Maduro verfügt das Parlament, Juan Guaidó eingeschlossen, über ein demokratisches Mandat der venezolanischen Bürger."
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Russland verurteilte dagegen am Donnerstag die US-Unterstützung für Guaidó. "Diese sofortige Anerkennung zielt nur darauf ab, die Spaltung der Gesellschaft von Venezuela und die Destabilisierung der innenpolitischen Situation zu verstärken", teilte das Außenministerium in Moskau mit. Washington vernachlässige die Normen und Grundsätze des Völkerrechts. China rief im Machtkampf in Venezuela zur Zurückhaltung auf und warnte besonders die USA vor einer Einmischung. Alle Seiten lehnten entschieden eine militärische Intervention in Venezuela ab, sagte Außenamtssprecherin Hua Chunying. Auch Sanktionen würden nicht helfen, "praktische Probleme zu lösen".
Venezuela, das rund 30 Millionen Einwohner hat, steckt seit langem in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Viele Regierungsgegner sitzen in Haft oder leben im Exil. Wegen eines Mangels an Devisen kann das einst reiche Land kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs importieren. Rund drei Millionen Venezolaner sind schon ins Ausland geflohen.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa