Schutz der syrischen Kurden Erdogan will US-Forderungen nicht akzeptieren
Die USA nehmen Abstand vom Ad-hoc-Abzug aus Syrien – und empören damit die Türkei, die den Weg für eine Offensive gegen die Kurden schon frei sah. Erdogan aber will das nicht hinnehmen.
Die Türkei hat Forderungen der USA nach Garantien zum Schutz der syrischen Kurden scharf zurückgewiesen. Die Äußerungen des US-Sicherheitsberaters John Bolton zu den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) seien "nicht zu akzeptieren", sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag während Boltons Besuch in Ankara.
Erdogans Berater Ibrahim Kalin erklärte nach einem Gespräch mit Bolton vor Journalisten, die Türkei gebe keiner Terrororganisation Garantien. Sein Land werde auch "nicht um Erlaubnis bitten für den Kampf gegen den Terror", sagte er mit Blick auf eine geplante Offensive der Türkei gegen die Kurden in Nordsyrien. Ein Gespräch zwischen Bolton und Erdogan war nicht geplant.
Der Berater von US-Präsident Donald Trump hatte am Sonntag bei einem Besuch in Israel den angekündigten US-Truppenabzug davon abhängig gemacht, dass die Sicherheit ihrer kurdischen Verbündeten garantiert werde und die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) nicht wieder erstarken könne. Die USA unterstützen die YPG-Miliz trotz der Kritik der Türkei seit Jahren im Kampf gegen die IS-Miliz mit Waffen und Luftangriffen.
Erdogan: "Unmöglich, Boltons Botschaft zu schlucken"
Der Bolton-Besuch in der Türkei war in kühler Atmosphäre verlaufen. Trotz einer Bitte von amerikanischer Seite gab es kein Treffen mit Präsident Erdogan. "Es ist unmöglich, Boltons Botschaft aus Israel zu schlucken oder zu akzeptieren", sagte der Staatschef nun vor Abgeordneten seiner Partei in Ankara. "Wir werden sehr bald zur Tat schreiten, um die Terrorgruppen in Syrien zu neutralisieren", kündigte er an.
Kalin forderte außerdem, dass die USA vor ihrem Abzug die an ihre kurdischen Alliierten verteilten Waffen zurückholten. "Das ist eine unserer Schlüssel-Erwartungen", sagte er. Die Türkei betrachtet die YPG wegen ihrer engen Verbindungen zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Terrororganisation und ist wiederholt militärisch gegen sie vorgegangen.
Trump relativiert Abzugs-Ankündigung
Seit Mitte Dezember droht Erdogan immer wieder mit einer neuen Offensive gegen die YPG-Gebiete in Nordsyrien. Kurz vor Weihnachten kündigte Trump dann überraschend an, alle US-Soldaten aus Syrien abzuziehen, da die IS-Miliz dort besiegt sei. Die Türkei begrüßte diese Ankündigung, doch nach Kritik von Mitarbeitern und Verbündeten relativierte Trump inzwischen seine Ankündigung eines sofortigen Abzugs wieder.
"Wir werden in einem vernünftigen Tempo abziehen und zugleich weiter ISIS bekämpfen und alles tun, das klug und notwendig ist", schrieb Trump am Montag auf Twitter. Im Fall eines voreiligen Abzugs wurde befürchtet, dass die IS-Miliz ihre Kräfte neu sammeln könne. Zudem wurde gewarnt, dass die USA mit einem Abzug die syrischen Kurden der Türkei ausliefern, und dem Iran und Russland das Feld in Syrien überlassen würden.
Bolton und Pompeo auf diplomatischer Mission
US-Außenminister Mike Pompeo und Bolton bemühen sich seit Tagen, die besorgten Verbündeten zu beruhigen. Pompeo reiste am Dienstag nach Jordanien zu Gesprächen über Syrien, anschließend wollte er mehrere weitere arabische Staaten besuchen.
- Syrien: USA stellen sich vor kurdische Verbündete
- Schnell erklärt: Was die Türkei in Syrien will
- Analyse zum Rückzug: Trump beschenkt seine Feinde – und die Türkei
In einem Gastbeitrag in der "New York Times" schrieb Erdogan am Dienstag, Trump habe mit der Anordnung des Abzugs "die richtige Entscheidung getroffen". Er kündigte an, dass die Türkei nach dem Abzug der USA in Syrien die "Wurzeln" der Radikalisierung beseitigen werde. "Ein militärischer Sieg über die Terrorgruppe ist nur ein erster Schritt", mahnte der türkische Präsident und warnte davor, vorschnell den Sieg zu verkünden.
Pompeo sagte im Flugzeug nach Amman, mit seiner Reise wolle er zeigen, "dass die USA weiter allen Missionen verpflichtetet sind, in denen sie sich in den vergangenen zwei Jahren engagiert haben". Es müsse verhindert werden, dass die IS-Miliz erneut erstarke, sagte Pompeo, während aus Ostsyrien gemeldet wurde, dass bei einem IS-Angriff 23 Kämpfer einer kurdisch-arabischen Miliz getötet worden seien.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa