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Syrien-Rückzug der USA: Donald Trump beschenkt seine Feinde und die Türkei


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Rückzug der USA aus Syrien
Trump beschenkt seine Feinde und die Türkei

Eine Analyse von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 20.12.2018Lesedauer: 6 Min.
Der syrische Machthaber Bassar al-Assad (l.), US-Präsident Donald Trump (m.) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (r.): Die Türkei und der syrische Machthaber würden vom Abzug der US-Truppen in Syrien profitieren.Vergrößern des Bildes
Der syrische Machthaber Bassar al-Assad (l.), US-Präsident Donald Trump (m.) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (r.): Die Türkei und der syrische Machthaber würden vom Abzug der US-Truppen in Syrien profitieren. (Quelle: t-online)
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Der US-Präsident bläst zum Rückzug. Mit seiner Ankündigung liefert Donald Trump seine Verbündeten in Syrien aus. Auch für Deutschland ist seine Ankündigung gefährlich.

Donald Trump spricht von einem Sieg: Als Oberbefehlshaber der US-Truppen hat der US-Präsident den Rückzug der amerikanischen Soldaten aus Syrien befohlen. Damit stellt Trump das sensible Kräftegleichgewicht in der Region auf den Kopf. Verbündete Gruppen liefert er so an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und den syrischen Machthaber Baschar al-Assad aus. In Europa steigt zudem die Terrorgefahr, denn der IS in Syrien ist nicht besiegt. Auf diesen Nenner lässt sich die Entscheidung bringen.

Die USA spielen in Syrien eine wichtige Rolle. Sie führen eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Washington hat etwa 2.000 Soldaten im Land, die bisher die kurdischen Milizen YPG und SDF unterstützt haben. Trump begründet den sofortigen Abzug nun damit, dass die Mission mit dem Sieg über die Dschihadistenmiliz erfüllt sei. Welche Folgen hat seine Entscheidung für die einzelnen Akteure? Die Übersicht:

USA

Die Entscheidung des US-Präsidenten kommt nicht überraschend, lediglich der Zeitpunkt war nicht absehbar. Trump verfolgte nie eine klare Syrienstrategie. Bereits im US-Wahlkampf kündigte er an, den IS schnell zu besiegen und dann die US-Truppen nach Hause zu holen. In seiner Präsidentschaft verfolgten die USA nicht mehr das Ziel, Assad als Machthaber in Syrien zu ersetzen. Trotzdem schickten die USA im März 2017 Bodentruppen ins Land. Sie sollten die Kurden im Kampf gegen den IS unterstützen und gleichzeitig Konflikte zwischen rivalisierenden Rebellengruppen verhindern.

Dieser Einsatz war effektiv. Die US-Basen sind ein Grund dafür, dass sich die Einflussgebiete der verschiedenen Gruppen im syrischen Bürgerkrieg im zweiten Halbjahr 2018 verfestigten, die Kämpfe wurden weniger. Die syrische Armee und die Türkei griffen weder Kurden noch Rebellen an, wenn diese von den US-Truppen geschützt wurden. Dieses sensible Gleichgewicht wäre nach einem Abzug der USA zerstört.

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Deswegen stößt Trumps Ankündigung bei Demokraten und Republikanern in den USA auf massive Kritik. Mehrere republikanische Senatoren und Abgeordnete bezeichnen den Truppenabzug als schweren Fehler und warnen vor den Folgen eines überstürzten Rückzugs.

Doch in der kriegsmüden US-Bevölkerung kommt die Idee nicht unbedingt schlecht an. "Es ist Zeit, unsere Truppen nach Hause zu holen", schrieb Trump auf Twitter. "Wollen die USA der Polizist im Nahen Osten sein?" So denken auch viele Amerikaner.

Allerdings ist der Zeitpunkt ungewöhnlich. Trump ist in der Russland-Affäre und wegen seiner Mauerbaupläne an der mexikanischen Grenze in Bedrängnis. Sein geplanter Abzug aus Syrien wird auch als Strategie gesehen, von innenpolitischen Problemen abzulenken. Trump versteht sich selbst als US-Präsident, der vieles anders machen will als seine Vorgänger. Während einigen seiner Vorgänger vorgeworfen wurde, Kriege anzufangen, um von anderen politischen Konflikten abzulenken, holt Trump US-Truppen nach Hause: Diese Botschaft will er nun offenbar partout an seine Landsleute senden.

Die Kurden

Sie sind der größte Verlierer des Rückzugs der US-Spezialkräfte. Die syrischen Kurden fühlen sich im Stich gelassen. Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) waren bisher als Teil der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) die Speerspitze im Kampf gegen die IS-Miliz und wurden deshalb von den US-Streitkräften mit Luftangriffen und großen Mengen moderner Waffen unterstützt.

Dank dieser Unterstützung konnte die Kurdenmiliz in den vergangenen zwei Jahren den "Islamischen Staat" aus weiten Gebieten im Norden und Osten Syriens vertreiben. Heute kontrolliert sie rund ein Drittel des syrischen Territoriums, darunter auch mehrheitlich arabische Städte außerhalb des kurdischen Siedlungsgebiets, wie Raka, Manbidsch und Teile von Deir Essor. Ob sie diese Städte ohne US-Hilfe halten kann oder will, ist fraglich.

Verbündete haben die Kurden in der Region keine mehr. Der Irak und die Türkei wollen Autonomiebestrebungen verhindern, Assad will das komplette syrische Territorium kontrollieren. In den Augen von Islamisten sind die Kurden Ungläubige. Dass sie derzeit die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes kontrollieren, könnte ihnen zusätzlich zum Verhängnis werden.

Türkei

Der Regierung in Ankara ist die US-Unterstützung für die YPG schon immer ein Dorn im Auge. Sie betrachtet die Präsenz der Gruppe an ihrer Südgrenze als Bedrohung, da sie eng mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbunden ist, die seit 1984 im Südosten der Türkei einen Guerillakampf führt. Die türkische Armee ist daher bereits zwei Mal mit verbündeten syrischen Rebellen gegen die YPG in Nordsyrien vorgegangen.

Die Strategie von Erdogan ist allerdings unklar. Es ist unwahrscheinlich, dass die Türkei dauerhaft Gebiete in Nordsyrien besetzen möchte. In den kontrollierten Gebieten um die Stadt Afrin siedelten die Türkei viele Kurden um. Dagegen holte man Syrer in das Grenzgebiet zur Türkei. Erdogan möchte offenbar der PKK im eigenen Land Rückzugsorte in Syrien verbauen. Ein neuer Angriff auf die Kurden ist deshalb wahrscheinlich.

Erst vergangene Woche kündigte Erdogan eine neue Offensive in Nordsyrien an. Da dort auch US-Soldaten stationiert sind, drohte eine direkte Konfrontation der Nato-Partner. Nach einem US-Abzug hätte die Türkei freie Hand. Als weiteres Zeichen des Entgegenkommens wurde gewertet, dass die US-Regierung den Verkauf von Patriot-Raketen an die Türkei genehmigt hat. Ein teurer Waffendeal, der Trump unter anderem davon überzeugt haben könnte, die Kurden zu opfern.

"Islamischer Staat" und islamistische Gruppen

Vergangene Woche gelang es SDF-Einheiten mit US-Unterstützung nach monatelangen verlustreichen Gefechten, die ostsyrische IS-Bastion Hadschin einzunehmen. Vom einstigen "Kalifat" der Dschihadisten bleiben damit nur noch zwei Dörfer im Euphrat-Tal nahe der irakischen Grenze und einige Gebiete in der Badija-Wüste. Allerdings werden noch Tausende Kämpfer in der Region vermutet, darunter viele Ausländer.

Ein Angriff der Türkei auf die YPG in Nordsyrien würde die kurdische Miliz zwingen, ihre Soldaten vom Kampf gegen die Dschihadisten abzuziehen. "Wir sind dabei, denselben Fehler im Nahen Osten zu begehen, den wir seit 20 Jahren immer wieder machen", warnte der frühere US-Diplomat Ilan Goldenberg. Durch den amerikanischen Abzug könne die IS-Miliz wieder erstarken - und damit irgendwann eine neue US-Intervention nötig machen.

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Diese Gefahr ist realistisch. Die Vergangenheit und die Erfahrungen im Irak zeigten, dass islamistische Kämpfer selbst bei einer Niederlage in den Untergrund abtauchen könnten. Nach dem Irakkrieg warteten sie, bis die US-Truppen abgezogen waren, und überrumpelten dann eine schlecht ausgebildete irakische Armee. Dieses Szenario ist auch in Syrien realistisch.

Auch geht von anderen islamistischen Gruppen eine Gefahr aus. Eine der letzten verbliebenen Hochburgen der Rebellen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk al-Qida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig.

Das Assad-Regime

Neben der IS-Miliz dürften auch der syrische Machthaber Baschar al-Assad und seine Verbündeten Iran und Russland von dem US-Abzug profitieren. Assad wird es leichter fallen, die kurdischen Gebiete mit Gewalt oder über Verhandlungen wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Assads Anhänger kontrollieren fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begann. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den größten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen.

Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen.

Unter diesen Umständen stärkt der US-Truppenabzug vor allem die Position Russlands. Syrien wird zur alleinigen Einflusssphäre von Wladimir Putin. Auch der Iran wird wohl seinen Einfluss stärken können. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte, sein Land werde sich weiter in Syrien verteidigen.

Frankreich und Deutschland

Nach dem US-Abzug bleibt noch ein kleines Kontingent französischer Spezialkräfte in Nordsyrien für den Anti-IS-Kampf. Gerade in Frankreich zeigt man sich von der Ankündigung Trumps geschockt. Eine Woche nach dem jüngsten Terrorangriff in Straßburg besteht die Angst, dass durch ein Erstarken des IS in Syrien auch die Gefahr vor Anschlägen in Europa erneut steigt. "Der Kampf gegen den Terrorismus ist nicht beendet", sagte Europaministerin Nathalie Loiseau.


Frankreich möchte in Syrien aktiv bleiben. Auch aus Deutschland kam harte Kritik am US-Präsidenten. "Es besteht die Gefahr, dass die Konsequenzen dieser Entscheidung dem Kampf gegen den IS schaden und die erreichten Erfolge gefährden", sagte Außenminister Heiko Maas.

Der Rückzug der USA könnte jedoch auch Deutschland in die Pflicht nehmen, Frankreich zu unterstützen und sich vermehrt in Syrien zu engagieren. Schließt Europa die Lücke, die die Amerikaner öffnen, und bewart das Gleichgewicht? Oder hält es sich zurück und riskiert das erneute Erstarken der Terroristen? Bislang war das deutsche Engagement in dem Konflikt komfortabel. Trumps Entscheidung könnte nun auch Deutschland in die Pflicht nehmen, ganz im Sinne des US-Präsidenten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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