Im Falle von Kriegsverbrechen Ex-Sicherheitsberater: Israels Soldaten sollten Befehle verweigern
Der ehemalige Vize-Vorsitzende des israelischen Sicherheitsrats hält es für möglich, dass Israels Armee im Gazastreifen Kriegsverbrechen begeht. Er spricht eine deutliche Warnung an die Soldaten aus.
Der frühere Vize-Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats Israels, Eran Etzion, hat davor gewarnt, dass die israelische Armee im Norden des Gazastreifens Kriegsverbrechen begehen könnte. Im Gespräch mit dem britischen Sender BBC rief Etzion israelische Soldaten dazu auf, illegale Befehle zu verweigern.
"Sie sollten sich weigern", sagte Etzion dem Sender. "Wenn von einem Soldaten oder einem Offizier erwartet wird, dass er etwas tut, das als Kriegsverbrechen verdächtigt werden könnte, muss er sich weigern", führte er aus. Das was er selbst tun würde, wenn er selbst noch immer Soldat wäre. "Das sollte meiner Meinung nach jeder israelische Soldat tun", erklärte er.
Auf die Frage des BBC-Reporters hin, ob er glaube, dass Kriegsverbrechen begangen würden, erklärte Etzion, dass er dies tatsächlich befürchte.
"Wir sind keine Gang"
Etzion sagte, dass er "eine sehr gefährliche Aushöhlung der Normen" in Israel spüre. Angesichts der Erfahrungen des 7. Oktober 2023 gebe es ein "weit verbreitetes Gefühl der Rache, der Wut". Das Land würde noch immer an dem von Hamas-Terroristen ausgelösten Trauma leiden.
"Der Wille nach Rache" sei so menschlich wie nachvollziehbar, so Etzion. "Aber wir sind keine Gang, wir sind keine Terrororganisation und wir sind keine Miliz. Wir sind ein souveränes Land", sagte der Ex-Sicherheitsbeamte. "Wir haben unsere Geschichte, wir haben unsere Moral, wir haben unsere Werte, und wir müssen nach internationalem Recht und nach internationalen Standards handeln, wenn wir weiterhin ein Mitglied der internationalen Gemeinschaft sein wollen, was wir tun.“
Israel fokussiert Militäroperationen auf Norden des Gazastreifens
Am 7. Oktober hatten in Israel Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Palästinenserorganisationen bei einem Massaker mehr als 1.200 Menschen getötet. Zudem wurden rund 250 weitere Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive – und steht angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen international in der Kritik.
Aktuell führt Israels Militär vor allem im Norden des Palästinensergebiets Militäroperationen durch, um nach eigenen Angaben eine Neuformierung der Hamas zu verhindern. Dabei kommen immer wieder auch Zivilisten ums Leben. Zudem werden Krankenhäuser und Schulgebäude zum Ziel israelischer Angriffe. Israels Armee erklärt stets, dass darin Hamas-Terroristen versteckt seien. Nach Angaben des Zivilschutzes im Gazastreifen wurden seit dem 6. Oktober mehr als 770 Menschen im Norden des Gebiets getötet.
- bbc.com: "IDF soldiers should refuse orders that may be war crimes, Israeli ex-security adviser tells BBC" (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP