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Iran greift Israel mit Raketen an: So erleben es die Bewohner Jerusalems


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Augenzeuge berichtet aus Israel
"Diese Angriffe sind ein letztes Aufbäumen des Iran"

  • David Schafbuch
InterviewVon David Schafbuch

Aktualisiert am 02.10.2024Lesedauer: 4 Min.
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Videos zeigen den Raketenangriff auf Israel. (Quelle: reuters)

Als Vergeltung für israelische Angriffe auf die Hisbollah hat der Iran zahlreiche Raketen auf Israel abgefeuert. Der Historiker Uriel Kashi berichtet, wie er den Angriff in Jerusalem erlebt hat.

Mit rund 180 Raketen hat der Iran am Dienstagabend auf Israel gefeuert. Die iranischen Revolutionsgarden erklärten, die Attacke sei eine Vergeltung für die Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija, Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah sowie eines iranischen Generals, hieß es im Staatsfernsehen.

Doch wie haben die Bewohner in Israel den Angriff erlebt? t-online erreichte den Historiker Uriel Kashi in Jerusalem, der wenige Minuten zuvor noch Schutz in einem Bunker gesucht hatte.

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t-online: Herr Kashi, soeben hat der Iran eine Raketensalve auf Israel abgefeuert. Wie haben Sie den Angriff erlebt?

Uriel Kashi: Wir hatten erwartet, dass der Angriff irgendwann kommt. Wir wussten nur nicht, wann. Es war etwas seltsam: Zuerst haben unsere Handys Alarm geschlagen. Der Alarm der Stadt über die Sirenen kam viel später. Normalerweise heulen die immer zuerst. Wir sind aber zur Sicherheit trotzdem sofort in den Bunker. Es war schnell klar, dass es ein ziemlich massiver Raketenbeschuss war. Das bereitet einem natürlich Sorgen.

Wie lange dauerte es, bis Sie von Ihrem Haus in dem Bunker waren?

Neue Gebäude haben in Israel eigene Luftschutzbunker. Da unser Haus aber relativ alt ist, gehen wir vier Stockwerke tief in den Keller. Zeit haben wir eigentlich genug. Der Alarm geht meistens recht früh los. In unserer Nachbarschaft gibt es aber auch ein älteres Ehepaar. Beide sind über 90 Jahre alt. Die bleiben einfach im Treppenhaus, weil sie bei Raketenalarm den Fahrstuhl nicht benutzen dürfen. Das ist immer noch sicherer, als in der Wohnung zu bleiben.

(Quelle: Uriel Kashi (privat) )

Zur Person

Uriel Kashi ist Landesbeauftragter von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) und Leiter der internationalen Jugendbildungsstätte Beit Ben Yehuda (BBY). Der studierte Historiker lebt in Jerusalem.

Raketenangriffe sind in Israel keine Seltenheit. Kann man in so einer Situation überhaupt abschätzen, wie intensiv der Beschuss ist?

Wir erleben in Jerusalem gerade das, was der Norden des Landes seit vielen Monaten erlebt. Dort wurden die Menschen aus ihren Wohnungen evakuiert, weil es wegen der Angriffe der Hisbollah nicht mehr sicher war. Jetzt weiten sich die Angriffe auf das gesamte Kernland aus.

Was bedeutet das?

Diese Angriffe sind ein letztes Aufbäumen des Iran. Die israelische Armee konnte der Hisbollah und der Hamas als deren Stellvertretern zuletzt schweren Schaden zufügen. Israel hat seine Abschreckungskraft nach dem 7. Oktober wiederhergestellt. Der Höhepunkt waren natürlich die vergangenen Attacken auf die Pager, dann auf die Abschussrampen der Hisbollah und zuletzt der Tod von ihrem Anführer Hassan Nasrallah. Der Iran hatte zwei Möglichkeiten, zu reagieren.

Welche?

Er hätte so eingeschüchtert sein können, dass er überhaupt nicht auf die Attacken reagiert. Stattdessen versucht er jetzt noch einmal, die Oberhand zu gewinnen. Das gefährdet den gesamten Nahen Osten.

Wer in Israel lebt, ist eigentlich immer von einer solchen Bedrohung begleitet. Wie fühlt sich das an?

Es ist eine Mischung aus Vorbereitung und Verdrängung. Wir haben in unserem Haus Notfalltaschen. Darin befinden sich etwa die wichtigsten Dokumente und Bargeld, falls wir schnell fliehen müssen. Gerade heute erst haben wir auch neue Vorräte für unseren Bunker gekauft. Gleichzeitig gibt es auch den Alltag: Meine Frau und ich waren heute Morgen noch im Büro. Meine Tochter war beim Sport, als der Alarm losging. Die Terroristen sollen unseren Alltag nicht verderben. Trotzdem nehmen wir die Lage ernst: Unsere Bunker retten Leben. Dafür gab es in den letzten Wochen viele Beispiele.

In Europa sehen wir häufig die Bilder von den vielen Demonstranten, die in Tel Aviv gegen die eigene Regierung auf die Straße gehen. Wie kritisch wird die Regierung und Benjamin Netanjahu tatsächlich gesehen?

Die israelische Gesellschaft kann sehr gut unterscheiden. Einerseits wird Netanjahu scharf kritisiert. Die Proteste sind sehr stark von dem Vorwurf getrieben, dass die Regierung zu wenig für die Freilassung der Geiseln tut. Es lag in der Verantwortung der Regierung, diese Menschen zu schützen. Jetzt liegt es auch in ihrer Verantwortung, sie wieder zurückzuholen.

Und andererseits?

Viele Leute fragen sich auch: Wie soll man mit einer Terrormiliz wie der Hisbollah umgehen, die für Millionen von Dollar vom Iran hochgerüstet wird? Von selbst rüstet die Hisbollah nicht ab. Sie möchte ihre Waffen gegen Israel einsetzen. Ob jetzt der richtige Zeitpunkt war, um gegen sie vorzugehen, weiß ich nicht. Darüber wird in Israel viel diskutiert. Es ist aber völlig klar, dass diese Organisationen menschenverachtende Politik betreiben und die Stabilität in der Region gefährden. Auch die muslimisch-arabischen Bewohner Israels, die ich kenne, trauern Nasrallah keine Träne nach. Das war ein Topterrorist, und viele sind froh, dass er nicht mehr unter uns weilt.

Welche Rolle spielt ein möglicher Waffenstillstand mit der Hamas im Gazastreifen in der israelischen Öffentlichkeit?

Es geht dabei hauptsächlich um die Frage, wer künftig den Grenzkorridor zwischen dem Gazastreifen und Ägypten kontrolliert. Auch ranghohe Vertreter des Militärs sagen hier zum Teil, dass man die Kontrolle über diesen Korridor abgeben muss, wenn dafür die Geiseln freikommen. Das könnte aber auch den Schmuggel von Waffen in den Gazastreifen ermöglichen. Die Mehrheit der Israelis ist laut Umfragen trotzdem für einen Waffenstillstand. Viele sagen: Wir haben jetzt ein Jahr gekämpft, aber es bewegt sich nichts mehr.

In der kommenden Woche jähren sich die Terroranschläge der Hamas zum ersten Mal. Wie blicken Sie persönlich auf die Zukunft Israels und auf die Region insgesamt?

Ich mache mir sehr große Sorgen, dass Israel immer isolierter wird. In vielen westlichen Staaten wird ein Diskurs übernommen, der eigentlich von Islamisten begonnen wurde: Israel wird vorgeworfen, ein kolonialer Terrorstaat zu sein, der keine Existenzberechtigung hat. So etwas hört man heute an vielen Universitäten in den USA und in Europa. Langfristig ist das für Israel sehr gefährlich. Denn damit könnte das Land Verbündete verlieren, die man nicht mit irgendwelchen Golfstaaten ersetzen kann, weil sie nicht unsere Werte teilen. Gleichzeitig sind die aktuellen Kämpfe für Israel sehr teuer. Ich weiß nicht, wie lange das Land wirtschaftlich eine solche Situation noch aushalten kann.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Uriel Kashi
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