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Zum journalistischen Leitbild von t-online.USA gegen Iran Droht der Angriff?
In Jordanien wurden drei US-Soldaten durch einen Drohnenangriff getötet. Präsident Joe Biden kündigt Vergeltung an, aber ziehen die USA in einen Krieg gegen den Iran? Die US-Regierung steckt in einem Dilemma.
Es ist ohne Frage eine neue Eskalationsstufe im Nahen Osten. Am Sonntag wurde ein kleiner US-Stützpunkt in Jordanien nahe der syrischen Grenze von einer Drohne angegriffen. Dabei starben drei US-Soldaten, zwei Dutzend weitere wurden verletzt. Zum ersten Mal seit dem Terrorangriff der Hamas im Oktober 2023 und dem darauf folgendem Krieg im Gazastreifen kamen US-Bürger ums Leben. Das sorgt in den Vereinigten Staaten für große Wut – und die richtet sich vor allem gegen den Iran.
Laut dem Fernsehsender CNN sollen pro-iranische Kämpfer in Syrien für den Drohnenangriff auf den kleinen Stützpunkt Tower 22 in Jordanien an der syrischen Grenze verantwortlich sein. Das Weiße Haus hält sich mit Anschuldigungen noch zurück, möchte zunächst Fakten sammeln. Aber US-Präsident Joe Biden machte schon am Sonntag klar: "Haben Sie keinen Zweifel – wir werden alle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, zu einem Zeitpunkt und in einer Weise, die wir wählen."
Aber wie soll diese Vergeltung aussehen? Der Nahe Osten ist sicherheitspolitisch ein Pulverfass, in dem die USA und der Iran immer weiter auf einen Krieg zusteuern. Doch eine bewaffnete Eskalation dieses Konflikts wäre der Super-GAU für eine ohnehin schon von Krisen gebeutelte Welt. Biden steht nun im Wahljahr vor einem Dilemma – und er kann eigentlich nur verlieren.
Immer wieder Angriffe auf US-Stützpunkte
Zunächst wird es für das US-Militär und Geheimdienste darum gehen, die Verantwortlichen auszumachen. Außerdem müsse geklärt werden, warum die US-Luftabwehr die Drohne nicht habe abfangen können, hieß es im US-Sender CNN. Bisher gibt es keine Belege für eine direkte oder indirekte iranische Beteiligung an dem Angriff.
Doch es gibt Hinweise: Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, die Truppen des US-geführten Bündnisses hätten nahe der syrischen Grenze zu Jordanien und dem Irak eine Drohne pro-iranischer Milizen abgeschossen. Diese hätten versucht, den von US-Truppen genutzten Militärstützpunkt Al-Tanf anzugreifen.
Eine Beteiligung dieser Einheiten wäre keine Überraschung. Pro-iranische Milizen haben seit Mitte Oktober mehr als 160 Angriffe auf US-Militärstützpunkte im Irak und in Syrien verübt, Dutzende US-Soldaten wurden dabei verletzt. Das Pentagon hatte in der Vergangenheit betont, dass in der Regel keine Infrastruktur zerstört worden sei. Die USA haben auf die Angriffe mit mehreren Luftschlägen reagiert.
Doch die Angriffe treffen einen Nerv und sie sind zunehmend eine Gefahr für das US-Militär. In Jordanien waren mit Stand Sommer 2023 immerhin rund 3.000 US-Soldaten stationiert, wie etwa das Portal "Axios" berichtete. Sie unterstützen dort unter anderem Jordanien im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).
Aber darin steckt eben auch eine militärische Stärke. Die USA haben zahlreiche Stützpunkte in der Region, viele in der direkten Nachbarschaft des Iran. Im Konfliktfalle gäbe es also eine intakte Kriegsinfrastruktur und bereits Tausende US-Soldaten in der Region, deren Präsenz aber eigentlich einen bewaffneten Konflikt verhindern soll.
Jahrzehnte der Feindschaft könnten eskalieren
Die USA und den Iran verbindet eine seit Jahrzehnten andauernde Feindschaft, in der es immer wieder Phasen gefährlicher Spannungen gab. Hintergrund ist die große geostrategische Bedeutung der Region um den Persischen Golf mit ihren enormen Rohstoffreserven, aber auch der Anspruch des Iran, regionale Führungsmacht zu sein; dieser Anspruch kollidiert mit den Interessen der USA und ihrer Verbündeten in der Region.
Der Konflikt spitzt sich seit dem Austritt des damaligen US-Präsidenten Donald Trump aus dem Atomabkommen mit dem Iran immer weiter zu. Die iranische Führung unterstützt Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine und geht mit äußerster Gewalt gegen Demonstranten vor, die für mehr Frauenrechte demonstrieren. Doch nun scheint durch den Angriff auf die US-Armee das Fass endgültig überzulaufen.
Das iranische Regime ist sich der Eskalationsgefahr bewusst. Es bestreitet laut der iranischen Nachrichtenagentur Irna, in den Angriff auf den US-Stützpunkt verwickelt gewesen zu sein. "Der Iran hat nichts mit diesen Angriffen zu tun und der Konflikt besteht zwischen der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika und den Widerstandsgruppen in der Region", so der Vertreter der Islamischen Republik bei den Vereinten Nationen laut Irna.
Iran finanziert militante Gruppen
Doch wirklich glaubwürdig ist das nicht. Immerhin unterstützt Teheran ein Netz von Milizen und bewaffneten Gruppen in der Region. Im Iran wird diese Allianz "Achse des Widerstands" genannt, aus westlicher Perspektive ist es eher die Achse des Terrors. Schiitische Milizen im Irak, bewaffnete Gruppen in Syrien, die Hisbollah im Libanon, die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen oder die Huthi-Rebellen im Jemen. All sie werden auch vom Iran finanziert und teilweise auch bewaffnet.
So kann es nicht weitergehen. Darüber sind sich viele Staaten einig. Deutschland, Großbritannien und sogar die irakische Führung verurteilten den Drohnenangriff scharf. "Wir erwarten vom Iran, endlich seinen Einfluss auf seine Verbündeten in der Region zu nutzen, damit es nicht zu einem unkontrollierten Flächenbrand kommt, an dem niemand ein Interesse haben kann", hieß aus dem Auswärtigen Amt am Montag. Mit diesen Reaktionen soll in erster Linie ein Krieg verhindert werden.
Doch in den USA gibt es vor allem unter den Republikanern Hardliner, die schon länger einen Krieg gegen das iranische Mullah-Regime fordern. Im Jahr 2019 war es fast so weit. Nach dem Abschuss einer US-Drohne hatte Trump bereits einen Angriff befohlen, ruderte aber zehn Minuten vorher zurück. Aufgrund der zivilen Todesopfer, die zu erwarten wären, wie er später erklärte. Aber damals war die Entscheidung in den USA umstritten. Sein damaliger Sicherheitsberater John Bolton trat deswegen zurück.
Biden steckt in einem Dilemma
Die aktuelle Krise wird in den Vereinigten Staaten jedoch viel höhere Wellen schlagen. "Man muss darauf blicken, wo alles herkommt. Es ist Teheran", sagte etwa der ehemalige US-Verteidigungsminister Mark Esper dem CNN. "Und wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir sie direkt angreifen müssen. Und ehrlich gesagt denke ich, dass unsere Reaktion in den vergangenen Monaten nicht ausreichend war."
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Der US-Regierung wird Untätigkeit vorgeworfen und in der Tat blickte der Westen im vergangenen Jahr kaum auf den Iran. Auch Washington war mit den Krisen in der Ukraine und in Israel beschäftigt, doch nun geht es um mehr als um eine abgeschossene Drohne, es gab Todesopfer.
Präsident Biden steht also vor einem Dilemma. Einerseits muss er als Präsident – aber auch als Führer der westlichen Welt – Stärke demonstrieren. Andererseits trifft ihn diese Eskalation vor der Präsidentschaftswahl in diesem Jahr. Die US-Armee erneut in einen weit entfernten Krieg zu schicken, stößt bei einer kriegsmüden US-Bevölkerung nicht auf Zustimmung.
Biden kann also eigentlich nur verlieren. Entweder werden ihm die Republikaner Schwäche attestieren oder Trump wird sich damit brüsten, dass er die US-Truppen im Gegensatz zu seinem Nachfolger nach Hause geholt hat. Deswegen ist es für Biden strategisch wichtig, zunächst einmal Zeit zu gewinnen – bis die erste Empörung über den Angriff in den USA abgenommen hat.
Vergeltung? So könnten die USA reagieren
Doch welche Reaktionen der USA sind nun wahrscheinlich? Es ist davon auszugehen, dass das US-Militär die verantwortliche Miliz mit aller Härte bekämpfen wird. Aus der Luft, mit Drohnen und Marschflugkörpern. Iranische Milizen haben in Syrien ihren Einfluss immer weiter ausgebaut. Es dürfte in dem Land zahlreiche Ziele geben.
Damit könnte Biden ähnliche Schritte ergreifen wie Trump im Jahr 2017. Sein Vorgänger hatte den Angriff von syrischen Stellungen mit 59 Raketen befohlen, nachdem der syrische Machthaber Baschar al-Assad laut internationalen Ermittlungen im syrischen Bürgerkrieg für einen Giftgasangriff verantwortlich gemacht wurde.
Darüber hinaus sind auch US-Angriffe auf andere pro-iranische Milizen möglich – im Irak, im Jemen oder im Libanon. Sollte allerdings der Iran durch die aktuellen Ermittlungen stärker in den Fokus geraten, drohen weitere Schritte: Dann könnten auch US-Angriffe auf iranische Militärangehörige im Ausland stattfinden. Wie bei der Tötung des Kommandeurs der iranischen Al-Quds-Brigaden, Qassim Soleiman, im Jahr 2020. Soleiman galt als Strippenzieher für ein Bündnis schiitischer Milizen gegen die USA und gegen Israel.
Ein größerer Krieg erscheint dagegen eher unwahrscheinlich – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Es gibt viele strategische Gründe, die dagegen sprechen: Es wäre ein verlustreicher Krieg, vor allem unter der iranischen Zivilbevölkerung wären viele Todesopfer zu erwarten. Die USA hätten keine Exit-Strategie, möchten eigentlich ein zweites Afghanistan vermeiden. Denn der überstürzte Abzug mit dem Chaos in Kabul hat dem internationalen Ansehen des Westens und der USA massiv geschadet. Hinzu kommen die hohen Kosten eines möglichen Konflikts mit dem Iran.
Kaum vorstellbar also, dass Biden seinen politischen Gegnern im Wahljahr so viele Angriffspunkte bietet. Schnell müsste er Vorwürfen entgegentreten, dass das Chaos eines solchen Militäreinsatzes nicht verhältnismäßig sei. Trotzdem wird es eine militärische Reaktion der USA geben und damit dreht sich die Eskalationsspirale weiter. Fest steht: Selbst wenn es nach dem Drohnenangriff nicht zu einem Krieg kommt, steuern die USA und der Iran trotzdem auf eben diesen Konflikt zu.
- edition.cnn.com: Three US troops killed in drone attack in Jordan, more than 30 injured (englisch)
- dw.com: US soldiers killed in drone attack in Jordan (englisch)
- edition.cnn.com: Biden risks deepening Middle East conflict with pressure to respond to deadly troop attack (englisch)
- nytimes.com: Biden’s Options Range From Unsatisfying to Risky After American Deaths (englisch)
- Nachrichtenagenturen dpa und afp