Feuerpause und Geisel-Deal Eine große Hürde muss Israel noch nehmen
Das israelische Kabinett hat einer Vereinbarung zugestimmt, nach der es eine Feuerpause und einen Austausch von Geiseln gegen Gefangene geben soll. Eine Hürde könnte es aber noch geben.
Israels Regierung hat einer mehrtägigen Feuerpause im Gaza-Krieg sowie dem Austausch von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zugestimmt. Eine Mehrheit des Kabinetts stimmte für eine entsprechende Vereinbarung mit der Terrororganisation Hamas, wie das Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu in der Nacht auf Mittwoch mitteilte.
Auch Katar bestätigte den Deal am frühen Mittwochmorgen. Der Beginn der viertägigen Kampfpause werde innerhalb der nächsten 24 Stunden bekannt gegeben, teilte das katarische Außenministerium mit. Die Vereinbarung ist durch die Regierung in Katar vermittelt worden. Die US-Regierung unterstützte Israel in dem Prozess. In Katar residieren die prominenten Vertreter der Hamas.
Netanjahu bekräftigte am Dienstagabend einmal mehr, dass der Krieg dennoch auch nach Umsetzung einer Vereinbarung mit der Hamas weitergehen werde, "bis wir alle unsere Ziele erreicht haben". "Wir sind im Krieg – und werden den Krieg fortsetzen", so der israelische Regierungschef. Zu den Zielen Israels gehörten die Eliminierung der Hamas sowie die Rückkehr aller Geiseln. Zudem dürfe es in Gaza keine Bedrohung für Israel mehr geben.
Was die Vereinbarung vorsieht:
- Einem israelischen Regierungssprecher zufolge sollen mindestens 50 Frauen und Kinder, die in den Gazastreifen entführt worden waren, im Gegenzug für eine viertägige Feuerpause freigelassen werden. Israelischen Medien zufolge soll es sich um 30 Kinder, acht Mütter sowie zwölf ältere Frauen handeln. Ob darunter auch Israelis mit Zweitpass sind, war zunächst unklar. In den folgenden Tagen könnten mindestens 30 weitere Menschen freigelassen werden.
- Nach Angaben der USA sollen mindestens drei US-Amerikanerinnen unter den Menschen sein, die freigelassen werden sollen. Es handele sich um ein drei Jahre altes Mädchen und zwei Frauen, sagte ein US-Regierungsvertreter. Offen blieb, ob die drei Geiseln auch einen israelischen Pass haben.
- Im Gegenzug soll Israel nach Angaben Katars eine noch unbestimmte Zahl Palästinenser aus israelischen Gefängnissen entlassen. Die Hamas sprach von 150 palästinensischen Frauen und Minderjährigen. Israelischen Medienberichten zufolge soll darunter niemand sein, der wegen Mordes verurteilt wurde. Informationen der "Times of Israel" zufolge sollen die freizulassenden palästinensischen Häftlinge in die jeweilige Stadt oder Ortschaft zurückkehren, "in der sie vor ihrer Inhaftierung lebten, einschließlich im Westjordanland und in Ost-Jerusalem".
- Während der Regierungssitzung stellte Netanjahu klar, dass die Vereinbarung auch vorsieht, dass Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz die Geiseln, die in Gefangenschaft bleiben, besuchen und mit Medikamenten versorgen können.
- Zudem soll Israel zugestimmt haben, die Einfahrt von "Hunderten" Lastwagen mit humanitären Gütern im gesamten Gazastreifen zu erlauben.
- Während der Feuerpause soll nach Angaben der Hamas im Süden des Küstenstreifens täglich der israelische Luftverkehr komplett und im Norden für sechs Stunden eingestellt werden.
- Die Vereinbarung soll auch eine mögliche Verlängerung der Feuerpause vorsehen. Pro Tag müsste die Hamas dann jeweils zehn weitere Geiseln freilassen. Israel geht davon aus, dass so insgesamt 80 Geiseln freikommen könnten.
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Bürger können noch vor Gericht Einspruch einlegen
Nach Angaben eines Regierungssprechers können Angehörige von Terroropfern innerhalb von 24 Stunden Einspruch beim Obersten Gericht gegen die Freilassung von Häftlingen einreichen. Es wird nicht erwartet, dass das Oberste Gericht gegen die Entscheidung der Regierung vorgehen wird. Medienberichten zufolge sollen keine Häftlinge freigelassen werden, die wegen Mordes verurteilt wurden.
In Israel wird erwartet, dass die schrittweise Freilassung der 50 Geiseln bereits am Donnerstag beginnen könnte. An jedem Tag der Kampfpause sollen demnach zwischen 10 und 13 Geiseln frei kommen.
Der Fernsehsender Channel 12 berichtete, israelische Krankenhäuser seien auf die Ankunft der Entführten vorbereitet worden. Sie sollen demnach aus dem Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten und von dort mit Hubschraubern nach Israel gebracht werden.
Insgesamt wurden etwa 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt
Terroristen der Hamas und anderer Gruppierungen hatten vor rund sechs Wochen im Süden von Israel beispiellose Massaker verübt, rund 1.200 Menschen getötet und die etwa 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israels Militär flog als Reaktion darauf zahlreiche Luftangriffe auf den Gazastreifen und rückte mit Bodentruppen in die abgeriegelte Region ein.
Mehr als 13.000 Menschen wurden seither nach Angaben der Hamas im Gazastreifen getötet. Den Vereinten Nationen zufolge wurden 1,7 Millionen Menschen durch die militärische Eskalation vertrieben. Wegen der zivilen Opfer wächst international die Kritik am israelischen Vorgehen. Israels Militär wirft der Hamas wiederum vor, Wohngebiete und Krankenhäuser für militärische Zwecke und Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.
Vier weibliche Geiseln wurden seit Kriegsbeginn bislang von der Hamas freigelassen. Eine junge Soldatin konnte vom Militär befreit werden. Die Armee fand zudem die Leichen zweier Frauen. Unter den Entführten sind zahlreiche Ausländer oder Doppelstaatsbürger, darunter mehrere Deutsche. Wie viele noch am Leben sind, ist unklar.
Israel hatte bereits im Jahr 2011 einen Gefangenenaustausch mit der Hamas vereinbart. Damals kam der israelische Soldat Gilad Schalit nach fünf Jahren in Hamas-Gefangenschaft im Tausch gegen mehr als 1.000 in Israel inhaftierte Palästinenser frei. Unter den freigelassenen Häftlingen war auch der heutige Hamas-Chef im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar.
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- jpost.com: "Cabinet approves partial hostage deal in late night vote" (englisch)
- bbc.com: "Israel's cabinet approves deal to release hostages during pause in fighting" (englisch)