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Gegenoffensive der Ukraine: Ein Albtraum könnte die Folge sein


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Russland versus Ukraine
Ein Albtraum könnte die Folge sein

MeinungEine Kolumne von Wladimir Kaminer

Aktualisiert am 28.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Wladimir Putin: Ein Russland außer Kontrolle ist eine furchtbare Vorstellung, meint Wladimir Kaminer. (Quelle: IMAGO/Mikhail Tereshchenko)
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Panzer und Geschütze hat der Westen der Ukraine gegeben, nun soll das Land gefälligst Ergebnisse liefern. Mit dieser Haltung machen wir es uns zu einfach. Meint Wladimir Kaminer.

"Manche Menschen glauben, das ist ein Hollywood-Film", antwortete der ukrainische Präsident beinahe wütend auf die Frage, warum seine groß angekündigte Gegenoffensive bislang wenige sichtbare Geländegewinne erbracht hat. Eine gewisse Enttäuschung breitet sich in den europäischen Medien aus, es wird nach Erklärungen gesucht. Haben wir die russische Armee unterschätzt? Hat die Ukraine ihre Schlagkraft überschätzt?

Schon jetzt lässt sich sagen: Die Erwartungen der Europäer waren zu hoch. Jeden Panzer, jedes Geschütz, alles, was den Ukrainern überlassen wurde, ließ der Westen in den Medien als Heldentat feiern. Fotos von ukrainischen Soldaten, die irgendwo in Großbritannien mit modernstem Kriegsgerät trainieren, gingen um die Welt. Wie viele Soldaten waren es? Welches Gerät? Ein Militärgeheimnis.

(Quelle: Frank May)

Wladimir Kaminer ist Schriftsteller und Kolumnist. Er wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Zu seinen bekanntesten Werken gehört "Russendisko". Kürzlich erschien sein neues Buch "Wie sage ich es meiner Mutter. Die neue Welt erklärt: von Gendersternchen bis Bio-Siegel".

Aber eine Vorstellung setzte sich durch: Gut ausgebildete ukrainische Soldaten plus ihre Ausstattung mit westlicher Technik würden die Verteidigungslinien der Russen schon zum Zusammenbruch bringen. Das Land wird vom Feind befreit werden, kurz und schmerzlos. Diese Botschaft wurde in den Medien verbreitet.

Gerüchten zufolge hielt die ukrainische Armeeführung nicht viel von einer schnellen Offensive. Der Westen selbst hatte sich mit seinen Waffenlieferungen reichlich Zeit gelassen, der russischen Armee standen Monate zur Verfügung, um sich auf dem besetzten Territorium einzugraben, drei Verteidigungslinien aufzubauen und breite Minenfelder anzulegen.

Komplizierte Beziehung

Vielleicht wäre Abwarten tatsächlich die bessere Strategie gewesen. Doch die ukrainischen Generäle mussten dem Druck ihres Präsidenten und der Regierung nachgeben. Diese wiederum sahen sich in einer Bringschuld gegenüber ihren westlichen Partnern. Das europäisch-amerikanische Projekt "Rettet die Ukraine" erinnert an die Beziehung zwischen einem jungen Start-up und alten vorsichtigen Investoren.

Der Westen wäre zwar grundsätzlich bereit, einen jungen, demokratischen Staat im Osten Europas zu unterstützen – aber nur im Falle eines schnellen Erfolgs. Eine endlose Finanzierung missglückter Versuche, das eigene Territorium zurückzuerobern, kommt nicht infrage. Der Investor will Zwischenergebnisse sehen, bevor er weiter zahlt – nicht weil er Angst vor Putin hat, sondern weil er es gewohnt ist, sein Geld im Auge zu behalten.

Während dieser Krieg für die Ukrainer einen existentiellen Kampf um Leben und Tod darstellt, ist er für den Westen in erster Linie ein Geschäft, dessen Erfolg oder Misserfolg entscheidend für weitere Investitionen ist. Ist das Geld bei den Ukrainern gut angelegt? Sie wollen vom ukrainischen Präsidenten eine sichtbare Bestätigung dafür haben, dass eine Befreiung der annektierten Gebiete keine Utopie ist.

Der ukrainische Präsident schickte also eine Liste mit Bestellungen, was noch alles fehlt, um den Plan dafür zu verwirklichen. Denn natürlich holen die Investoren eine Expertise bei den Militärs ein, erst danach wird verhandelt. Wie bei einer Firmeninvestition wird ein Teil genehmigt, ein anderer Teil nicht. Eine berechtigte Frage in diesem Zusammenhang wäre aber: Wie geht es weiter, wenn das Projekt ins Stocken gerät?

Geld ist keine Mangelware

Möglich sind zwei Varianten: Entweder muss der Investor die Firma ganz übernehmen oder versuchen, für das Projekt weitere Geldgeber zu finden. Die Erfolge der ukrainischen Offensive sind bisher nicht eindeutig. Die ukrainische Seite berichtet, wie viele Quadratkilometer bereits befreit sind, die Gegenseite behauptet, diese Quadratkilometer seien unbewohnte Steppe. Kurzum: für den weiteren Verlauf des Krieges irrelevant. Ist das Glas also halb voll oder halb leer?

Diese Diskussion und die damit verbundenen Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Kriegshandlungen verzerren die öffentliche Wahrnehmung des Geschehens. Denn ein Endspiel war für diesen Krieg von Anfang an nicht vorgesehen. Ein zerschlagenes, kaputt gegangenes Russland mit Hunderttausenden frei herumlaufenden und bewaffneten Knackis wäre nicht nur für die Ukraine ein Albtraum. Wie fragil die Lage ist, hat Jewgeni Prigoschin gerade mit seinem Kurzzeit-Putschversuch bewiesen.

Umgekehrt wäre eine von der russischen Armee okkupierte Ukraine, immerhin das zweitgrößte Land Europas, wenig attraktiv. Bei diesem Ressourcenkrieg wird am Ende derjenige gewinnen, der den längeren Atem hat. Die Sanktionen gegen Russland waren bis jetzt nur halbherzig. Das Geld, das Russland für den Krieg braucht, kommt nach wie vor aus dem Ausland, aus Indien, China, den Arabischen Emiraten und der Türkei. Und solange das Geld fließt, werden Menschen weiter sterben.

Kein Grund zum Neid

Für die russische Führung wäre das Ende des Krieges gar fatal. Die offizielle Version der russischen Propaganda erklärt die Daseinsberechtigung des Regimes mit der Notwendigkeit, das Land gegen den Westen zu schützen. Laut dieser Version sei Russland von der westlichen Welt angegriffen worden, halte aber dem Angriff stand und knicke nicht ein.

Bei diesem Poker wird am Ende nicht derjenige gewinnen, der mehr Soldaten auf den Schlachtfeldern verheizt, sondern derjenige, der mehr in der Tasche hat, kurzum: Der Westen wird der Gewinner sein, der jedoch nicht zu beneiden ist. Denn als Bonus bekommt er eine kaputt geschossene Ukraine, ein verlorenes Russland und den alten weisen Ratschlag bestätigt: Nie wieder Krieg.

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