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Wladimir Putin feiert 70. Geburtstag: Alles Schlechte zum Geburtstag!


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Kremldespot wird 70
Putins Lakaien fürchten seinen Geburtstag

MeinungVon Wladimir Kaminer

Aktualisiert am 07.10.2022Lesedauer: 5 Min.
Wladimir Putin: Geschenke für einen Despoten sind eine heikle Angelegenheit, meint Wladimir Kaminer.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Geschenke für einen Despoten sind eine heikle Angelegenheit, meint Wladimir Kaminer. (Quelle: Alexei Nikolsky via www.imago-images.de)

Eigentlich wollte sich Wladimir Putin die Ukraine zum Geburtstag schenken. Doch daraus wird zum Glück nichts. Weniger enttäuschend war einst Silvio Berlusconis Präsent an den Kremlchef.

Seine Freunde und Kollegen sind bestimmt schon seit Wochen in Panik, Wladimir Putin feiert am 7. Oktober Geburtstag. Doch was schenkt man einem siebzigjährigen Diktator, der sich von der Realität verabschiedet hat? Und der in seiner Fantasiewelt als Anführer aller Abgehängten den totalen Krieg gegen amerikanischen Imperialismus und gegen die Ukrainer als seine Stellvertreter führt? Die Nachrichten von der Front taugen nicht als Geburtstagsgeschenk.

Die Armee, schnell zusammengestellt aus Zivilisten, die sich nicht vor der Mobilisierung versteckt hatten, gekauften Söldnern und aus dem Knast entlassenen Banditen, fällt auseinander, diese Truppe läuft bei der erstbesten Gelegenheit zum Feind über. Die Staatskasse ist leer, die Stimmung im Volk schwankt. Mit Nostalgie erinnern sich die Freunde und Kollegen an die früheren Geburtstage des Diktators, als er noch jung, vernünftig und klarer im Kopf war.

(Quelle: Frank May)

Wladimir Kaminer ist Schriftsteller und Kolumnist. Er wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Zu seinen bekanntesten Werken gehört "Russendisko". Gerade erschien sein neues Buch "Wie sage ich es meiner Mutter: Die neue Welt erklärt: von Gendersternchen bis Bio-Siegel".

Seinen ersten Geburtstag als Präsident hatte Wladimir Putin in der Oper gefeiert, im Mariinski-Theater in St. Petersburg, seiner geliebten Heimatstadt. Es gab "Mazeppa", eine Tschaikowski-Oper über die verräterischen Ukrainer, die schon 1709 versucht haben, sich von den Russen unabhängig zu machen. Es gab damals bloß keine Amerikaner, die ihnen helfen konnten: Sie fragten also kurzerhand bei den Schweden nach und wurden in der Nähe der Stadt Poltawa von der russischen Armee gleich mitsamt den Skandinaviern niedergemetzelt.

Wollte der junge Putin also schon bei seinem ersten Präsidentengeburtstag in die Fußstapfen des russischen Zaren Peter des Großen treten? Wohl kaum. Er war erst 48 Jahre alt, auf dem internationalen Parkett als Hoffnungsträger der russischen liberalen Gesellschaft willkommen, und er nannte seine Kollegen in den USA und Europa "unsere westlichen Partner" – und nicht wie jetzt "die Marionetten des globalen Imperialismus".

Machtüberfluss ist gesundheitsschädlich

Wusste er damals bereits, dass er so lange an der Macht bleiben würde? Oder ist er zur Geisel seiner endlosen Präsidentschaft geworden? In Russland hat die Macht nur dann einen Sinn, wenn sie lebenslänglich und unbefristet ist. Ein austauschbares politisches Personal hat bei der Bürokratie und in der Bevölkerung keine Autorität, es kann nichts verwirklichen.

Als Zwischenführer auf Zeit bist du ein Niemand in diesem Land. Alle deine Ideen und Projekte werden vom Nachfolger über den Haufen geworfen, deine Schlösser und Jachten beschlagnahmt. Deine Kinder und Freunde wiederum werden von allen Posten entbunden, und dein Leben wird in Gefahr gebracht, kaum dass du das Zepter der Macht aus der Hand gelegt hast.

Eine lebenslange Macht ist allerdings auch nicht ohne. Als Nebenwirkungen treten Kopfschmerzen auf, Schwindel, Realitätsverlust, Paranoia und ständige Angst vor Verrat und Verschwörung im engen Freundeskreis. Diese Nebenwirkungen führen in der Praxis regelmäßig zum Sturz des Diktators und zu großem Leid für das Land – sind aber unvermeidlich wie der Sonnenaufgang. Aber vielleicht wird es bei mir anders sein, dachte wahrscheinlich damals der junge Präsident Putin.

Seinen 50. Geburtstag verbrachte er unter der Erde, in Chișinău, im Museum des moldawischen Portweins, den 60. auf dem Eisfeld, er spielte mit dem zukünftigen Verteidigungsminister Eishockey: Beide konnten kaum auf dem Eis stehen, und trotzdem hat der Präsident sieben Tore geschossen, obwohl er erst im Jahr zuvor das Spiel für sich entdeckt hatte. Putin ist eben ein Genie.

Chirurg als Geburtstagsgeschenk

Den 65. beging er dann mit Silvio Berlusconi, der ihm ein Bettwäsche-Komplettset mit seinem Konterfei schenkte und einen Kosmetikchirurgen empfahl. Der Chirurg war auch ein Geburtstagsgeschenk. In den 22 Jahren an der Macht hat Putin alle denkbaren Geschenke bekommen, von extra zum Geburtstag getöteten oppositionellen Journalisten bis hin zu lebenden exotischen Tieren. Seine Tierliebe ist bekannt.

Er hat Hunde, Tiger und Krokodile verehrt bekommen, eine weiße Ziege, den Zwergesel Stanislaw, und von Angela Merkel eine Kuckucksuhr mit Bundesadler, der angeblich in einwandfreiem Deutsch die Zeit ansagen konnte.

Das Volk mochte den Präsidenten, vor allem die Frauen. 2011 haben sich die Studentinnen der journalistischen Fakultät der Moskauer Universität für einen – dem Präsidenten gewidmeten – erotischen Kalender ausgezogen. Es war das Jahr der großen Brände, halb Sibirien stand in Flammen, der Staat schaffte es nicht, das Feuer zu löschen. "Die Wälder qualmen bloß, wir brennen aber für Dich" stand auf Putins erotischem Kalender.

Letzterer war ein Knaller, auch eine Frauenband trat mal mit dem Lied "Ich will einen wie Putin" auf. Es gab jedoch keinen Grund für ihn zu glauben, seine Aura würde nur auf Frauen wirken. Sicher hätten sich auch die männlichen Studenten für ihn ausgezogen, wenn der Geheimdienst FSB sie eindringlich darum gebeten hätte. Es waren schöne 22 Jahre – und was nun? Was für ein Geschenk würde heute des Chefs Laune heben?

Die Lage an der Front ist bedrohlich, die ukrainische Armee befreit eine Stadt nach der anderen, obwohl der Präsident noch vor dem Geburtstag so einige Gebiete zu russischem Territorium erklärte. Das Parlament, das oberste Gericht und der Sicherheitsrat haben der Entscheidung des Präsidenten zugestimmt, entsprechende Dokumente wurden vorbereitet.

Putin traut den eigenen Atombomben nicht

Entweder hat die ukrainische Armee diese Dokumente nicht gelesen oder sie wurde nicht benachrichtigt, denn noch während der Verkündung eroberte sie einen Teil der besetzten Gebiete zurück. Die Russische Föderation hat nun eine fließende Grenze, inzwischen weiß niemand, wo Russland beginnt und wo es endet.

Auch dem Präsidenten ist inzwischen klar geworden: Auf Russlands Armee ist kein Verlass. Sie ist nicht in der Lage, diesen Krieg weiterzuführen. Die Mobilisierung ist schiefgelaufen, die Maschinenpistolen sind verrostet, die Munition ist falsch gelagert, es fehlen die Lebensmittel für die Versorgung der Armee, eineinhalb Millionen Soldatenuniformen sind spurlos verschwunden, nach den Schuldigen wird heftig gesucht.

Der letzte Trumpf des Präsidenten bleibt die Atombombe. Diese Waffen wurden aber seit mehr als 20 Jahren nicht mehr getestet. Man weiß nicht, ob eine solche Rakete tatsächlich die vorgegebene Route zurücklegt oder nicht vorher schon explodiert. Nach der Logik dieses Angriffskrieges, bei dem auf russischer Seite von Anfang an alles schiefging, könnte die Bombe tatsächlich nicht einsatzbereit sein. Bloß will das keiner ausprobieren, auch der Präsident nicht. Er möchte schließlich noch seinen 71. Geburtstag feiern.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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