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Russland beendet ISS-Zusammenarbeit: Zeitenwende im All


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Russland beendet ISS-Zusammenarbeit
Das Ende des Friedensprojekts


Aktualisiert am 26.07.2022Lesedauer: 4 Min.
Zusammenarbeit im Weltraum: Russland hat einen weitreichenden Schritt angekündigt. (Quelle: Glomex)

Selbst im Kalten Krieg arbeiteten Russland und die USA im Weltall zusammen. Nun scheint das Friedensprojekt ISS Geschichte zu sein – Moskau geht eigene Wege.

Die Internationale Raumstation wird weniger international: Russland will nach 2024 aus dem Projekt aussteigen, gab der Chef der Raumfahrtbehörde Roskosmos, Juri Borissow, bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bekannt. Man werde alle Verpflichtungen gegenüber den Partnern – den USA, Kanada, Japan und der europäischen Raumfahrtbehörde ESA – erfüllen, aber die Entscheidung sei gefallen. Die Nasa erklärte in der Nacht zu Mittwoch, noch nicht offiziell informiert worden zu sein. Auch darin manifestieren sich somit die gestiegenen Spannungen zwischen dem Westen und Russland.

Roskosmos hatte die Zusammenarbeit mit den USA in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg bereits mehrfach infrage gestellt und sich bis zuletzt die Option, den ISS-Vertrag 2024 auslaufen zu lassen, offengelassen. Im April sagte der damalige Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin: "Die Entscheidung über das Schicksal der ISS wird viel von der Lage abhängen, die in unserem Land und darum herum herrscht". Die Nasa hingegen hatte angestrebt, den Betrieb bis 2030 weiterzuführen.

Wann kommt die russische Raumstation?

Nun kündigte Borissow an, Roskosmos wolle nach 2024 eigene Wege gehen: "Ich denke, dass wir zu diesem Zeitpunkt mit dem Aufbau einer russischen Raumstation beginnen werden." Dies sei die "oberste Priorität" des nationalen Raumfahrtprogramms. Zuvor hatte der Mitte Juli entlassene Roskosmos-Chef Rogosin nicht ausgeschlossen, das russische Modul vom amerikanischen Teil der ISS abzukoppeln und selbstständig weiterzubetreiben. Dabei deutete er auch eine mögliche Nutzung der Station zur militärischen Erdbeobachtung an.

Rogosin hatte jedoch bereits im April 2021 bekannt gegeben, dass Roskosmos mit dem Bau einer eigenen Raumstation begonnen habe. Damals hieß es, die russische Raumstation solle in vier Jahren starten. Borissow – zu der Zeit noch Vize-Regierungschef – deutete einen Ausstieg aus dem ISS-Vertrag ab 2025 an und verwies dabei auf den schlechten technischen Zustand des Außenpostens.

Dass die russische Raumstation bis 2025 aber fertiggestellt wird, scheint derzeit fraglich zu sein. Der Chefkonstrukteur des russischen Raketenbauers Energija, Wladimir Solowjow, sagte, dass das erste Modul für die neue russische Raumstation 2028 ins Weltall gebracht werden könnte. Borissow gestand gegenüber Putin ein, dass die russische Raumfahrtindustrie sich in einer "schwierigen Situation" befinde.

Sanktionen und Gegenmaßnahmen

Mehrere westliche Länder hatten nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine Sanktionen auch gegen die russische Raumfahrtindustrie verhängt – auf die Russland mit eigenen Entscheidungen reagierte:

  • Das deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt beendete die Kooperation mit Russland, danach kündigte auch Moskau diese seinerseits auf.
  • Als Reaktion auf die westlichen Sanktionen setzte Russland die Lieferung von Raketentriebwerken an die USA aus. "Lasst sie auf ihren Besen ins All fliegen", kommentierte Rogosin hämisch.
  • Moskau zog auch das Personal vom Weltraumbahnhof in Französisch-Guyana ab – dem einzigen eigenen Zugang der Esa in den Kosmos.
  • Die Esa legte daraufhin das europäisch-russische Weltraumprojekt "Exomars" auf Eis. Roskosmos kündigte als Reaktion ein eigenes Mars-Forschungsprogramm an.

Ex-Roskosmos-Chef Rogosin sagte im April, dass die Strafmaßnahmen den Betrieb des russischen Teils der Station beeinträchtigen würden, der für Kurskorrekturen zuständig ist. Als Folge könne die 500 Tonnen schwere Konstruktion auf die Erde stürzen und "ins Meer oder auf Land fallen". Er forderte eine "vollständige und bedingungslose Aufhebung der illegalen Sanktionen", um die Beziehungen zwischen den ISS-Partnern zu normalisieren.

Mitte Juli einigten sich Russland und die Nasa dann auf sogenannte Kreuzflüge. Russische Raumfahrer starten dabei von amerikanischem Boden und andersherum, obwohl sich an den Sanktionen nichts geändert hat. Bereits bis 2020 waren US-Astronauten vom russischen Weltraumbahnhof in Baikonur in Kasachstan gestartet, danach setzte die Nasa auf Raumtransporter des privaten Unternehmens SpaceX. Russlands Kosmonauten hingegen waren zuletzt nur mit eigenen Raketen zur ISS geflogen.

Russische Kosmonauten feierten Kriegserfolge

Auch auf der Raumstation selbst war der Krieg zuletzt angekommen. Anfang Juli feierten russische Kosmonauten die Eroberung der ostukrainischen Stadt Lyssytschansk im Gebiet Luhansk. Roskosmos veröffentlichte ein Foto, das sie mit einer Flagge der selbst ernannten "Volksrepublik Luhansk" in den Händen zeigte. Russlands Truppen und prorussische Separatisten hätten Luhansk nun vollständig "befreit", hieß es in einer angehängten Mitteilung. "Wir feiern auf der Erde und im Weltraum." Ein zweites Foto zeigt die drei Raumfahrer mit einer Donezker Fahne.

Zuvor hatte der deutsche Astronaut Matthias Maurer noch erzählt, es habe während seiner Zeit im All keinen Streit um den russischen Krieg gegen die Ukraine gegeben. Er war von November 2021 bis Mai 2022 an Bord der Station. Nach seiner Rückkehr sagte er, unmittelbar nach dem Angriff habe eine gewisse Unsicherheit geherrscht, wie mit dem Thema umgegangen werden sollte. "Zum Glück waren es die russischen Kollegen, die das direkt angesprochen haben", so Maurer. "Oben waren wir alle einer Meinung: Dass wir alle entsetzt und betroffen waren über das, was auf der Erde vorgefallen ist, da gab es keinen Unterschied zwischen uns."

Friedensprojekt gescheitert

Trotz vieler Konflikte zwischen Moskau und Washington galt die Raumfahrt stets als einer der wenigen Bereiche, in denen die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern funktionierte. Die ISS ist seit mehr als 20 Jahren dauerhaft von Raumfahrern bewohnt, momentan sind drei Russen, drei US-Amerikaner und eine Italienerin an Bord. Die Raumstation galt bisher als Friedensprojekt – selbst im Kalten Krieg hatten die damaligen Blöcke in Ost und West im Weltall zusammengearbeitet, etwa beim Ankoppeln eines Apollo- und eines Sojus-Raumschiffs 1975.

Darauf verwies auch die Chefin des bemannten Nasa-Raumfahrtprogramms, Kathy Lueders, als sie im März, kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, nach einem möglichen Ende der Zusammenarbeit gefragt wurde: Das Aufrechterhalten der "friedlichen Beziehungen im Weltraum" sei auch früher unter schwierigen Umständen schon gelungen. Damit ist nun jedoch Schluss: Ein "trauriger Tag", wie es Lueders damals noch hypothetisch formulierte. "Es wäre sehr schwierig für uns, den Betrieb alleine weiterzumachen. Die ISS basiert auf einer internationalen Zusammenarbeit – mit gegenseitigen Abhängigkeiten."

Wie es jetzt weitergeht, ist unklar. Die USA wussten von der russischen Entscheidung wohl nichts – die Nasa habe noch keine "offizielle Stellungnahme" von Russland erhalten, sagte die für die ISS zuständige Nasa-Vertreterin Robyn Gatens. In Washington will man die Partnerschaft bis zum Ende des Jahrzehnts fortführen. "Sie waren gute Partner, wie alle unsere Partner", so Gatens.

Verwendete Quellen
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