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China im Konflikt mit Kanada: Das steckt hinter Pekings "Geiseldiplomatie"


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Konflikt mit westlichen Staaten
Chinas "Geiseldiplomatie" reißt einen tiefen Graben


Aktualisiert am 12.08.2021Lesedauer: 4 Min.
Kanadas Premierminister Justin Trudeau (li.) und Chinas Staatschef Xi Jinping (re.): Ein chinesisches Gericht verurteilte den Kanadier Michael Spavor zu elf Jahren GefängnisVergrößern des Bildes
Kanadas Premierminister Justin Trudeau (li.) und Chinas Staatschef Xi Jinping (re.): Ein chinesisches Gericht verurteilte den Kanadier Michael Spavor zu elf Jahren Gefängnis (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)

Zwei Urteile innerhalb von zwei Tagen: China geht auf Konfrontation zu Kanada – und bringt mehr als 20 westliche Staaten gegen sich auf. Beide Urteile sind Beispiele für Pekings "Geiseldiplomatie".

Am Mittwochmorgen fanden sich mehr als 20 Diplomaten vor der Botschaft Kanadas in Peking ein. Die Diplomaten, darunter auch Vertreter der deutschen Botschaft, versammelten sich, um ihre Solidarität mit Ottawa auszudrücken. Sie reagierten damit auf ein Urteil, das ein chinesisches Gericht zuvor erlassen hatte und das die Diplomaten als politisch motiviert betrachten. Das Foto des Treffens wurde so zum Mahnmal – nicht nur für das Zerwürfnis im kanadisch-chinesischen Verhältnis, sondern für den Graben, der dieser Tage zwischen der Volksrepublik und den westlichen Staaten klafft.

Am Dienstag verurteilte ein chinesisches Gericht den Kanadier Michael Spavor zu elf Jahren Gefängnis. Dem Geschäftsmann wird Spionage vorgeworfen. Er soll 2018 Geheimdienstinformationen weitergeleitet haben, die er angeblich von einem anderen Kanadier, Michael Kovrig, erhalten hat. Spavor war im Dezember 2018 festgenommen worden. Im März 2021 begann der Prozess gegen ihn.

Der Fall Spavor führt ins Herz eines Konflikts zwischen Kanada und China, der auf dramatische Weise eskaliert ist – und in den, das Foto der Diplomaten zeigt es, inzwischen rund zwei Dutzend weitere Staaten verwickelt sind.

Die "zwei Michaels"

2018 – noch vor der Inhaftierung Spavors – nahmen kanadische Behörden auf Ersuchen der USA Meng Wanzhou fest, die damalige Finanzchefin des chinesischen Konzerns Huawei. Die US-Behörden warfen ihr vor, Banken über die Finanzen ihres Unternehmens angeschwärzt – und gegen die US-Sanktionen gegen Iran verstoßen zu haben. Derzeit befindet sich die Chinesin in Hausarrest in Kanada. Das Urteil über ihre Überstellung in die USA wird in den kommenden Wochen erwartet.

Mit der Festnahme der Chinesin begann ein diplomatisches Gebaren, das Kritiker als "Retourkutsche" und "Geiseldiplomatie" brandmarken. Chinesische Behörden nahmen die Kanadier Michael Spavor und Michael Kovrig fest. Kritiker gehen davon aus, dass die "zwei Michaels", wie sie in der englischsprachigen Presse oft genannt werden, von Peking als Geisel genommen wurden – um die Managerin Meng freizupressen. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau nannte das Urteil gegen Spavor in einer Pressemitteilung vom Mittwoch "absolut inakzeptabel und ungerecht".

Die chinesische Seite wies den Vorwurf der "Geiseldiplomatie" stets zurück. Allerdings ließen Äußerungen von Politikern und Parteipropagandisten den Schluss zu, dass Peking die "zwei Michaels" durchaus als politischen Fall und nicht als juristische Causa betrachtet – und dass die Urteile gegen die Kanadier durch politische Verhandlungen verhindert werden können. "Dies ist (...) ein politischer Vorfall, bei dem Kanada eine sehr unrühmliche Rolle als Komplize spielte", sagte etwa eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying, im März.

Bereits 2018 warnte Hu Xijin, der Chefredakteur des Propagandamediums "Global Times", dass "Chinas Rache" im Falle einer Auslieferung Mengs an die USA weitaus schlimmer ausfallen werde als die "Inhaftierung eines kanadischen Bürgers".

Chinas "Retourkutsche" gegen Kanadier

Die Gefängnisstrafe gegen Spavor ist nur der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von chinesischen Urteilen gegen Kanadier. Erst am Dienstag hatte ein chinesisches Gericht die Todesstrafe für Robert Schellenberg bestätigt. Der Kanadier soll laut Gerichtsakten 222 Kilogramm Crystal Meth geschmuggelt haben. Zunächst wurde er im November 2018 zu 15 Jahren Haft verurteilt. Im Januar 2019, nur einen Monat nach der Festnahme von Meng, kam es aber zu einem neuen Prozess, an dessen Ende die Todesstrafe gegen ihn verhängt wurde – für viele Kritiker ein Indiz für eine "Retourkutsche".

Michael Kovrig, der für die Nichtregierungsorganisation International Crisis Group arbeitete, wurde ebenfalls im Dezember 2018 unter dem Vorwurf der Spionage festgenommen. Sein Urteil steht noch aus. Über den Zeitpunkt des Urteils ist derzeit nichts bekannt.

In Kanada sorgte nicht nur der Verdacht der "Geiseldiplomatie" für einen Aufschrei. Auch die offensichtliche Ungleichbehandlung der Festgenommenen empörte das Land.

Mengs Hausarrest: Massagen und Malstunden

Die Managerin Meng führt in Vancouver ein Luxusleben. Sie wohnt – mit einer Fußfessel – in einer Villa mit sieben Schlafzimmern in einem gehobenen Viertel der westkanadischen Stadt. Nach Medienberichten nimmt sie in ihren Gemächern private Malstunden. Auch Masseure gehen demnach ein und aus. Für Gelächter sorgte, als die US-Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete, dass Meng bei ihrer Festnahme drei Geräte des US-Konzerns Apple bei sich trug, einem der größten Konkurrenten von Huawei.

Im Gegensatz dazu wurden die Kanadier Spavor und Kovrig mehr als zwei Jahre in geheimen Gefängnissen festgehalten. Sie waren von ihren Familien abgeschnitten und hatten nur eingeschränkten Zugang zu kanadischen Diplomaten. Nach Angaben seiner Frau wurde Michael Kovrig so stark isoliert, dass er erst im Oktober 2020 von der Corona-Pandemie erfuhr.

Für Spavor bestehe noch die Hoffnung, frühzeitig abgeschoben zu werden, sagt Janka Oertel, Leiterin des Asienprogramms des Thinktanks European Council on Foreign Relations. Allerdings hänge die Abschiebung vor allem davon ab, wie die Lösung im Fall der Managerin Meng aussehen werde. "Die Verurteilung zu elf Jahren Gefängnis ohne wirklichen Prozess und nach jahrelanger Haft unter katastrophalen Bedingungen ist ein sehr trauriger vorläufiger Schlusspunkt", sagt Oertel.

Benner: "Gleichgesinnte Staaten sollten Kanada beistehen"

Das Urteil zeige, dass Peking Geiselnahme und fingierte Verurteilungen von Ausländern als normales Werkzeug zwischenstaatlicher Interessenvertretung sehe, um Druck auf andere Regierungen auszuüben, sagt Thorsten Benner, der Chef des Berliner Thinktanks Global Public Policy Institute: "Es macht einmal mehr deutlich, dass es in China keinen Rechtsstaat, sondern nur einen Parteistaat gibt, der das Recht beugt."

Benner veröffentlichte im Mai einen Gastbeitrag im Berliner "Tagesspiegel". Darin erklärte er, warum er nicht mehr nach China reise. Die Festnahme der "zwei Michaels" sei für ihn ein Dammbruch gewesen: "Mir wurde klar, dass ein ausländischer Pass Forscher nicht mehr davor schützt, jahrelang in ein chinesisches Gefängnis geworfen zu werden", schrieb er damals.

Gleichgesinnte Staaten sollten Kanada beistehen", sagt Benner jetzt, "und sicherstellen, dass Peking einen politischen Preis für seine Geiseldiplomatie zahlt."

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