Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Neues Skandalbuch Ist Donald Trump noch blöder als eh schon befürchtet?
Die Reporterlegende Bob Woodward ist einer der größten Feinde des US-Präsidenten. Trotzdem hat Donald Trump mit dem Journalisten immer wieder geredet. Das konnte nur schiefgehen.
Über US-Präsident Donald Trump haben wir in vier Jahren vor allem eins gelernt: Er lügt wie gedruckt, akzeptiert keine Regeln – und wird dennoch von seinen Anhängern als Retter Amerikas gefeiert.
Uns hier, im fernen Europa, vergeht jeden zweiten Tag Hören und Sehen, aber wir sind inzwischen auch etwas abgestumpft. Das neue Buch "Rage" ("Wut") von Reporterlegende Bob Woodward, in dem er nachweist, dass Trump sein Volk ganz bewusst monatelang über die Gefährlichkeit von Corona getäuscht hat, wirft aber eine alte Frage neu auf: Wie blöd kann ein Präsident eigentlich sein? Ist es noch schlimmer, als wir befürchten?
Politiker und Journalisten – gerade in Amerika – sind einander in herzlicher Abneigung verbunden. Jeder traut dem anderen das Böseste zu, und jeder weiß vom anderen: Der meint es im Zweifel nicht gut mit mir, schon gar nicht ehrlich.
Trump hat die Presse ausgeschaltet
Journalisten lassen keine Gelegenheit aus, Politiker in die Pfanne zu hauen. Ganz clevere Politiker versuchen dies dadurch zu verhindern, dass sie Journalisten Exklusiv-Informationen zustecken und damit ruhig zu stellen versuchen. Mal klappt das, mal nicht.
Über den Autor: Georg Streiter arbeitete lange als Journalist, unter anderem für den "Express", die "Hamburger Morgenpost", den "Stern" und die "Bild-Zeitung". Von 2011 bis 2018 war er stellvertretender Sprecher der Bundesregierung. Seitdem ist er Kommunikationsberater und betreibt seit September 2020 den Blog "Wiedervorlage".
Donald Trump hat sich für einen noch einfacheren Weg entschieden – und die Presse einfach ausgeschaltet. Außer seinen Freunden bei "Fox News" umgeht er die Medien einfach, die er zur Lügenpresse erklärt, und schafft sich seine eigene Nachrichtenwelt auf Twitter. Er braucht keine Reporter und Redaktionen – er meldet sich unmittelbar und ungefiltert als "@realDonaldTrump" auf dem Handy seiner 85 Millionen Follower, die sich über jede Nachricht ihres Präsidenten freuen, und sei es noch so großer Käse.
Und nun kommt heraus, dass sich eines Tages der erklärte Trump-Gegner Bob Woodward beim Präsidenten gemeldet hat. Einer der "Unbestechlichen", die mit der Enthüllung der Watergate-Affäre 1974 Trumps Vorgänger Richard Nixon stürzten. Wenn man Journalisten als Jäger versteht, darf man Woodward als erfolgreichen Großwildjäger bezeichnen.
Solange ich rede, redet kein anderer
Ausgerechnet mit diesem telefoniert Trump 18 Mal lang und gemütlich am Abend? Lässt ihn 18 Mal das Plauderstündchen auf Tonband aufnehmen? Kein Schwein würde mit seinem Schlächter sprechen! Ist Trump also noch dümmer als wir dachten? Das mag sein.
Vielleicht ist es aber auch anders. Und wenn wir eine Sache in den vergangenen Jahren gelernt haben, dann die: Man sollte in dieser verrückten Welt grundsätzlich nichts ausschließen, auch wenn es noch so verrückt scheint.
Möglicherweise hat Trump sich gedacht: Von dem Woodward habe ich sowieso nichts Gutes zu erwarten, also texte ich ihn erst einmal ordentlich zu. Wenn wir ein halbes Jahr telefonieren, schreibt er auch ein halbes Jahr nichts. Das folgt der alten Politiker-Regel: Solange ich rede, redet kein anderer.
Und jetzt, wo Woodward in wenigen Tagen sein Buch auf den Markt bringt, wird auch er mit Fragen konfrontiert: Warum hat auch er – wie Trump – monatelang verheimlicht, wie gefährlich Corona ist?
Amerikanische Wahlkämpfe sind so schmutzig wie kaum etwas auf der Welt. Die Demokraten attackieren nun die Republikaner und werfen ihrem Anführer Donald Trump vor, er habe wegen seiner Verharmlosung von Corona Menschenleben auf dem Gewissen. Trump kann nun immer kontern: Euer Kronzeuge war mein Komplize und hat auch geschwiegen. Da hat der Präsident auf den ersten Blick nicht ganz unrecht. Denn beide haben etwas zu erklären.
Aber nur einer trägt qua Amt wirklich Verantwortung – und das ist Donald Trump.
Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.