Trump trifft auf Macron und Merkel Darum geht es beim Nato-Gipfel in London
In London feiern Europäer und Amerikaner das 70-jährige Bestehen der Nato. Doch auf dem Jubiläumsgipfel könnte es ungemütlich werden. Ein Überblick.
Zum 70. Geburtstag ringt die Nato mit sich selbst. Bei einem Jubiläumsgipfel in London beraten Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen aus den übrigen 28 Staaten der Militärallianz von Dienstag an über die künftige Richtung. Dabei geht in Deutschland eine Mehrheit der Bürger klar auf Distanz zur Militärmacht USA: 55 Prozent der Befragten sagten in einer YouGov-Umfrage im Auftrag der Deutschen-Presse-Agentur, die europäischen Nato-Staaten sollten sich künftig ohne Hilfe der Vereinigten Staaten vor Angriffen schützen.
Damit argumentieren sie ähnlich wie der französische Präsident Emmanuel Macron, der der Nato kürzlich den "Hirntod" bescheinigt und mehr europäische Eigenständigkeit bei der Verteidigung verlangt hatte. Dabei verwies er auch auf die französischen Atomwaffen. Das rüttelt jedoch an den Grundfesten des transatlantischen Bündnisses, denn die USA sind mit ihrem Atomarsenal traditionell Schutzmacht für Deutschland und andere europäische Staaten. Kanzlerin Merkel und Außenminister Heiko Maas (SPD) betonen einhellig, dass sich Europa ohne die USA nicht verteidigen könne.
Maas glaubt noch an die Nato
Maas hatte nach Macrons Fundamentalkritik eine Reformkommission vorgeschlagen, die Vorschläge für eine bessere politische Zusammenarbeit machen soll. Nach dem Gipfel soll nun tatsächlich ein "Reflexionsprozess" beginnen. Der Auftrag dafür ist allerdings sehr vage, wie aus dem Entwurf der "Londoner Erklärung" zum Gipfel hervorgeht. Ein Zeitrahmen wird nicht genannt.
Maas zeigte sich vor dem Gipfel zuversichtlich. "Die Diskussionen der letzten Wochen zeigen mir, dass die Nato quicklebendig ist", sagte Außenminister den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. In London wolle man fortschreiben, wofür die Nato stehe: "Eine stabile, enge und durch Werte verbundene Allianz über den Atlantik hinweg."
Skepsis gegenüber der Schutzmacht USA
Diese transatlantische Bindung sehen viele in Deutschland jedoch kritisch. In der YouGov-Umfrage für die dpa sagte nur jeder fünfte (21 Prozent), die Europäer sollten auf die militärische Unterstützung der USA nicht verzichten. Knapp die Hälfte sind für den vollständigen oder teilweisen Abzug der rund 34.000 US-Soldaten aus Deutschland. Nur 32 Prozent meinen, die US-Truppe sollten in voller Stärke bleiben.
Etwa genauso stark wie der Wunsch nach weniger USA in der Nato ist das Bedürfnis nach mehr Nähe zu Russland. 54 Prozent der Befragten meinen, die Nato sollte wieder stärker auf Zusammenarbeit mit Russland statt auf militärische Abschreckung setzen.
Beratungen auf höchster Ebene
Zu dem zweitägigen Nato-Spitzentreffen in London werden alle 29 Staats- und Regierungschefs erwartet – darunter neben Merkel und Macron auch US-Präsident Donald Trump. Offizieller Auftakt ist am Dienstagabend ein Empfang bei Königin Elizabeth II.
Doch schon vorher geht es um den Streitpunkt der Allianz, der auch Anlass für Macrons Kritik war: die nicht abgestimmte Syrien-Offensive des Nato-Partners Türkei. Merkel und Macron beraten darüber mit dem britischen Premier Boris Johnson und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
Europäer wollen Eklat vermeiden
Schon für Dienstagmorgen ist ein Frühstück Trumps mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg geplant. Dort dürfte der Dauerbrenner der Lastenteilung innerhalb der Nato wieder Thema sein: Der US-Präsident setzt die Bündnispartner heftig unter Druck, ihre Verteidigungsausgaben zu steigern, vor allem Deutschland.
Diesmal hatte die Nato vorab große Zuwächse gemeldet, um die Gefahr eines Eklats zu mindern. Demnach werden sich die Mehrausgaben der europäischen Nato-Staaten und Kanadas von Anfang 2016 bis Ende 2020 auf 118 Milliarden Euro belaufen.
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Trump erneuerte vor seinem Abflug nach London dennoch seine Klage, die USA zahlten "viel zu viel". Gleichzeitig hielt sich Trump zugute, dass die Partner nun etwas mehr beisteuern. Seit er sein Amt 2016 angetreten habe, habe sich die Zahl der Nato-Partner, die ihren Verpflichtungen nachkämen, mehr als verdoppelt, twitterte Trump. Er hatte 2018 mit dem Rückzug der USA aus dem Bündnis gedroht und damit der Debatte über mehr europäische Eigenständigkeit Vorschub geleistet.
- Nachrichtenagentur dpa